Janine Bollhalder«Als ältere Dame ist man schon erst mal schockiert, wenn dir ein junger Mann das Füdli wäscht», sagt Rosmarie Nüesch. Die 91-Jährige ist weitherum bekannt: als erste Ausserrhoder Kantonsrätin und Stifterin der Grubenmann-Sammlung. Rosmarie Nüeschs Stimme klingt lebendig am Telefon, man mag kaum glauben, dass sie in einem Spitalbett liegt. «Ich bin zusammengebrochen, mein Herz hat schlappgemacht», erzählt sie. Mit der Ambulanz ist sie ins Spital Heiden gefahren worden. Dort werden jene Patienten betreut, die nichts mit dem Coronavirus zu tun haben. Dafür ist das Spital Herisau zuständig. «Mir wurde ein Herzschrittmacher eingesetzt», erzählt die gelernte Architektin Nüesch. Nach der Operation sei sie «fix und fertig» gewesen. Davon merkt man jetzt kaum mehr etwas, «nur die vielen Medikamente, die ich schlucken muss, machen das Sprechen etwas schwierig». Aber dann plaudert sie schon munter weiter und berichtet von den «liebenswürdigen, jungen Männern», von welchen sie im Spital umsorgt wird.Es sind Soldaten des Spitalbataillons 75, die im Spital Heiden das Pflegepersonal unterstützen. «Da ich gestürzt bin, habe ich eine Verletzung am Kopf und mein Knie ist kaputt. Ich brauche Hilfe, um auf die Toilette zu gehen oder um vom Bett auf einen Stuhl zu kommen», sagt Rosmarie Nüesch. Anfangs sei es ein unbehagliches Gefühl gewesen, von einem jungen Mann so nackt und fragil gesehen zu werden. «Wissen Sie», sagt Nüesch, «junge Männer haben eine gewisse Vorstellung von einem Frauenkörper. Aber mit meinen 91 Jahren erfülle ich diese Vorstellungen natürlich nicht mehr.» Sie lacht. «Das unangenehme Gefühl war daher wohl oft gegenseitig.» Aber innert kürzester Zeit habe sie sich an den Umgang gewöhnt.«Die Soldaten geben sich grosse Mühe und sind sehr respektvoll.» Oftmals gebe es auch Zeit für Gespräche. «Wir machen Witze und ich frage gerne nach dem Werdegang der jungen Männer», erzählt Nüesch. Das sei sehr spannend – sie habe bereits einen Biologiestudenten kennengelernt, einen Bänker, einen Medizinstudenten und auch einen Lebensmitteltechniker. «Es sind sehr aufgeschlossene, junge Menschen», sagt Rosmarie Nüesch, «ich fühle mich gut umsorgt.»Von Krankentransporten bis hin zu BotengängenEiner der 20 Soldaten, die im Spital Heiden das Pflegepersonal unterstützen, ist der 21-jährige Simon Schober. «Ich helfe beim Krankentransport, messe Vitalzeichen wie etwa den Blutdruck, räume auf, wenn ein Patient verlegt wird, und mache Botengänge ins Labor.» Für Schober war es kein ungewöhnlicher Moment, das Füdli einer älteren Dame zu waschen. «Ich bin Medizinstudent und habe schon im Altersheim gearbeitet.» Er gibt aber zu, «anfangs waren Arbeiten wie diese schon gewöhnungsbedürftig. Irgendwann wird es allerdings normal.» Es sei halt einfach eine Tätigkeit, die zum Beruf gehöre.Die Soldaten wohnen im Haus Müllersberg in Heiden, sie teilen sich jeweils zu dritt ein Zimmer. «Wir haben aber eine schöne Küche und grosse Aufenthaltsräume», erzählt Schober. Trotz der schwierigen Situation sagt er: «Ich finde die Arbeit spannend und die Wohnsituation ist angenehm – auch wenn es natürlich nicht mit meinem Zuhause zu vergleichen ist.»Genauso wie Simon Schober ist auch Jardel Leal aus seinem Privatleben gerissen worden. «Ich bin verantwortlich für das Einhalten der Hygienemassnahmen und für das Aufrechterhalten der Gruppenmoral.» Der 23-jährige Soldat aus Luzern absolviert eine Ausbildung als Fachmann Gesundheit in einer Psychiatrie. Zum Zeitpunkt des Gesprächs arbeitet er in der Überwachungsstation. «Es ist sehr intensiv. Ich sehe auch schlimme Sachen.» Leal berichtet von einer Patientin, die sich vor Ort umbringen wollte. Die Soldaten mussten sie festhalten. «Das war krass. Da ich in der Psychiatrie arbeite, kann ich mit solchen Erlebnissen aber umgehen. Für meinen Kollegen hingegen war das sehr schlimm», so Leal. Er habe lange mit ihm geredet: «Wichtig ist, zu wissen: Hätten wir nicht eingegriffen, wäre etwas Schlimmes passiert. Das haben wir verhindert. Dieser Gedanke hilft.» Von der Tragik des Coronavirus erlebe er im Spital Heiden nicht viel. «Wir tragen Masken und desinfizieren fleissig», berichtet Leal. Angst vor dem Virus habe er aber nicht, nur Respekt. «Wir werden gut geschult und unterstützt.» Die Soldaten arbeiten in Früh- und Spätschichten, zwei haben jeweils Nachtdienst. Leal sagt: «Ich bin bis Ende Juni im Einsatz.»