26.09.2018

Spiegel der Gesellschaft

Der Autor und Regisseur Philipp Heule aus Widnau hat für das Theater St. Gallen ein Stück über seine Heimat geschrieben. In zehn Szenen versucht er, den Alltag und die Gefühlslage der Rheintaler zu erfassen.

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Benjamin SchmidBereits der Titel «Spekulanten» lässt Raum für Spekulationen. In anderthalb Stunden wird «im Park» ein Bild des Rheintals und seiner Bewohner gezeichnet, welches bunt, schrill und teils grotesk ist. Manches Klischee wird bestätigt, um an einer anderen Stelle widerlegt zu werden. Theaterautor Philipp Heule, der auch gleich die Regie des Stückes übernommen hatte, versteht es, seine Figuren nicht nur sympathisch, sondern vor allem menschlich erscheinen zu lassen. Das Stück handelt von Menschen mit Ängsten, Sehnsüchten und Wünschen, aber auch von Menschen, die Verluste bewältigen müssen, von Liebeskummer geplagt sind und zu Höhenflügen ansetzen. Heule macht sich weder über seine Heimat lustig, noch poliert er das Image des Rheintals auf. «Das Rheintal bleibt meine Heimat, auch wenn es nicht mehr mein Zuhause ist», sagt der Autor. «Spekulanten» ist ein Volksstück aus Fleisch und Blut. Hier wohnen Menschen namens Lotti und Walti, die hinter Glas auf das Geschehen um sie herum blicken und erheblich spekulieren; sei es über das Liebesleben der Nachbarn, das Versagen des eigenen Sohnes oder über Leben und Tod.Beobachter und Voyeur in einemHeule wirft einen Blick auf Familie oder das, was sich gemeinhin so nennt, er zeigt in einem Container die Schlaf- und die Esszimmer zwischen Rorschach und Chur. Fünf Darsteller (Birgit Bücker, Anna Blumer, Hansjürg Müller, Marcus Schäfer und Kay Kysela) spielen je fünf Rollen.Satirische Elemente wie Übertreibungen wechseln sich gekonnt mit kritischen Betrachtungen und unterhaltender Komik ab. Heule gelingt es, groteske Situationen tiefgründig erscheinen zu lassen und schafft so eine humorvolle Annäherung, wobei sich der Humor aus der Verzweiflung und dem Gewaltpotenzial der Situationen speist, wie er selbst sagt. Die Zuschauer nehmen teils die Rolle des Beobachters, teils die des Voyeurs ein. Obschon die einzelnen Episoden für sich als abgeschlossene Szenen stehen, verbindet sie Heule geschickt miteinander zu einer Geschichte. Die ausgefallenen Kostüme sowie die zugespitzten Dialoge ergeben ein eindrückliches Ebenbild unserer Gesellschaft – Heules Generationenbericht macht nicht nur Spass, sondern regt zum Nachdenken an. Der Regisseur transportiert die schweren Themen dezent und leicht und schafft damit ein Umfeld, in dem das Open-air-Gefühl zum Spektakel der Vorstellung beiträgt.HinweisWeitere Fotos gibt es online auf rheintaler.ch unter Bilderstrecken.

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