05.07.2022

Spass in der Luft, Sorgen am Boden

Die Firma Junkers bietet Publikumsflüge ab Altenrhein an. Die Flugzeugproduktion aber soll ins Ausland verlegt werden.

Von Adrian Vögele
aktualisiert am 02.11.2022
Es ist eine Kutsche mit Flügeln. Und eine komfortable noch dazu. Während die Junkers F13 noch auf dem Rollweg in Altenrhein zur Piste holpert, befindet man sich als Passagier schon mitten auf einer Zeitreise: Die mit Leder ausgekleidete Kabine für vier Personen, das filigrane Aluminium rundherum, der Pilot, der vorn im Freien sitzt und durch ein Schiebefenster zu sehen ist, der leichte Benzingeruch in der Luft – das war die Atmosphäre auf den Linienflügen der Pionierzeit.Die F13, das erste «echte» Verkehrsflugzeug der Welt, startete 1919 zum Jungfernflug, als auf den Strassen die Pferdefuhrwerke noch zahlreicher waren als die Autos. Sie ist die Vorgängerin der bekannteren Junkers Ju 52 («Tante Ju») – und mit ihrer Ganzmetall-Bauweise die Vorfahrin aller modernen Passagiermaschinen. Seit einiger Zeit fliegt die F13 nun wieder: als Nachbau, in einer weitgehend originalgetreuen, aber technisch modernisierten Version, hergestellt von den Junkers Flugzeugwerken, die seit rund zwei Jahren in Widnau und Altenrhein beheimatet sind.Auf dickem Flügel tuckert sie vorwärtsIn den Anfängen der Luftfahrt bewährte sich die robuste F13 tausendfach in allen Gegenden der Welt, bei jedem Wetter. Warum also sollte das an einem sonnigen Julitag im Jahr 2022 anders ein? Die Maschine will in die Luft, und zwar rasch: Kaum gibt Pilot Hans Breitenmoser richtig Gas, hebt die F13 bereits ab, getragen von ihrem dicken Flügel, der viel Auftrieb gibt.[caption_left: Drei Exemplare der neuen Junkers F13 wurden inzwischen gebaut. Zwei davon sind noch nicht verkauft und stehen jetzt für Rundflüge ab Altenrhein zur Verfügung. ]Wie auf Schienen biegt die F13 in einer weiten Kurve über den Bodensee und tuckert dann auf 300 Meter Höhe gemächlich westwärts, während der Fahrtwind durch das offene Fenster angenehm in die Kabine weht. Der Motor ist laut, natürlich – aber das traditionelle Zustopfen der Ohren mit Wachs kann man sich schenken, heute gibt’s Kopfhörer. So können sich die Passagiere auch bequem mit dem Piloten unterhalten – wenn dieser nicht gerade mit dem Funkverkehr beschäftigt ist.Das Geschäft am Boden ist knallhartAuf dem Rundflug zeigt sich: Die Junkers Flugzeugwerke haben ihr Ziel, das Fluggefühl von anno dazumal wieder erlebbar zu machen, erreicht. Am Boden ist die Realität allerdings nicht ganz so romantisch wie in der Luft. Schon die Neuentwicklung und Zulassung der F13 nach modernen Standards war ein Mammutprojekt, das Unmengen an Zeit und Geld kostete. Und gleichzeitig ist der Markt für die aufwendigen und teuren Oldtimer-Nachbauten sehr klein. Rund 2,5 Millionen Franken kostet die neue F13. Hergestellt wurden inzwischen drei Stück. Ein Exemplar befindet sich in den USA, die anderen beiden in Altenrhein. Letztere sind noch nicht verkauft.Vor kurzem wurde bekannt, dass die Junkers Flugzeugwerke AG einen Personalabbau in der Ostschweiz beabsichtigt und voraussichtlich den Standort Widnau aufgeben wird. Zur Anzahl der Stellen, die gestrichen werden, kann Junkers noch keine Auskunft geben. Derzeit laufe das Konsultationsverfahren mit den Mitarbeitenden.Verlagerung der Produktion nach DeutschlandMangelt es an Käufern für die F13, wie in der Branche gemunkelt wird? Auf Anfrage verneint das Unternehmen: «Zum Glück ist das nicht richtig.» Das Interesse an der F13 sei sehr gross. «Wir befinden uns derzeit in mehreren Gesprächen mit potenziellen Kunden, und die weitere Produktion wird vom Ergebnis dieser Gespräche abhängen.» Warum dann die Restrukturierung? Man habe entschieden, sich am Schweizer Standort – sprich in Altenrhein – auf Unterhaltsarbeiten zu konzentrieren, so Junkers. Die Flugzeugproduktion, die nebst der F13 auch die kleineren Junkers-Nachbauten A50 und A60 umfasst, soll in Deutschland stattfinden. Schon bisher wurden die Flugzeugteile meist ausserhalb der Ostschweiz gefertigt, in Altenrhein geschah die Endmontage der F13.[caption_left: Die F13, die kleine Schwester der «Tante Ju», steht dem Publikum jetzt für Rundflüge ab Altenrhein zur Verfügung… ]Junkers hat im Frühling sogar ein Konzept für eine Neuauflage der grossen «Tante Ju» präsentiert. «Die finale Entscheidung, ob dieses Flugzeug gebaut wird oder nicht, ist noch nicht getroffen worden», schreibt die Firma. Es gehe nun darum, abzuklären, ob sich ausreichend Käufer für diese Maschine finden lassen. Nicht weiterverfolgt wird die Restaurierung einer originalen Ju 52, die sich aktuell noch in Altenrhein befindet: ein Entscheid, der schweizweit Wellen warf.Verein organisiert Flüge für jede und jedenDoch die gute Nachricht für Fans historischer Flugzeuge in der Schweiz ist: Die F13, die kleine Schwester der «Tante Ju», steht dem Publikum jetzt für Rundflüge ab Altenrhein zur Verfügung. Inzwischen wurde der Verein Junkers Luftverkehr gegründet, über den man sich als Passivmitglied für Flüge einschreiben kann – auf der Website www.junkers-luftverkehr.com. Präsident ist Bernd Huckenbeck, der Projektleiter der F13-Neuauflage. «Wir wollen die Fliegerei mit den Junkers-Maschinen hier am Leben erhalten», sagt er nach der Landung in Altenrhein.[caption_left:Blick durch das Schiebefenster: Der Pilot der Junkers F13 sitzt vor der Passagierkabine im Freien. Im Cockpit des Nachbaus kommt auch moderne Technik zum Einsatz.]Die Rundflüge werden jeweils mit maximal drei Passagieren durchgeführt und dauern 25 Minuten, die Vereinsmitgliedschaft kostet 30 Franken (für Partnerinnen oder Partner 15 Franken), der Ticketpreis pro Person beträgt 250 Franken. «Wir wären gerne günstiger», sagt Huckenbeck offen – doch der Flugbetrieb müsse finanzierbar sein. Und die Ausgangslage wird mit der Preisentwicklung und den drohenden Engpässen bei fossilen Brennstoffen nicht einfacher. Was Verkäufe der Junkers-Replika angeht, so ruhen die Hoffnungen der Firma vor allem auf den USA. Ein Verkauf einer F13 in Europa sei eher nicht realistisch, so Huckenbeck.

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