An diesem Dienstagmorgen läuten die Glocken in Heiden besonders lange: Vor dem Henry-Dunant-Museum findet die Gedenkfeier zu dem Atombombenabwurf über Nagasaki, Japan, statt. Andreas Ennulat, Vorstand des Henry-Dunant-Museum Heiden, verbindet dieses Ereignis mit der heutigen weltpolitischen Lage: «Dieser Tag heute, der 9. August, ist Gedenken und Mahnung zugleich, angesichts des keine drei Flugstunden entfernten Krieges in der Ukraine.» Auch Gäste aus der Ukraine sind anwesend. Den Anlass untermalen die Japanerinnen Hiroko Haag und Yuko Ishikawa musikalisch.Nationalrätin und SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer hält dieses Jahr die Gedenkrede. Als Mutter und Politikerin trage Meyer privat und gesellschaftlich grosse Verantwortung und sei deshalb eingeladen worden, um an diesem Anlass zu sprechen, erzählt Ennulat. In ihrer Rede thematisiert Meyer Krieg und Frieden. An diesem äusserst friedlichen Morgen in Heiden ruft sie in Erinnerung, wie stark der Kontrast zum Krieg doch gerade sei.Für eine friedlichere Welt einstehen«Was ist Krieg? Was ist Frieden? Für uns, die Krieg nicht selbst erleben mussten, ist dies schwierig zu sagen», findet Meyer. Es sei wohl nur eine Annäherung möglich. Die SP-Nationalrätin stelle sich Krieg als totale Ab-wesenheit von Sicherheit und als ständige Alarmbereitschaft vor. Frieden hingegen definiere sie als Sicherheit, Ruhe und Vertrauen. Sie veranschaulicht ihre Vorstellung mit zwei Bildern: Krieg und Frieden seien wie ein weinendes und ein lachendes Kind. In Ihrer Rede sind Bilder zentral, so schafft Meyer auch die Nähe zu den Zuhörenden.Sie selbst mag sich an ihren ersten Eindruck, ihr erstes «Bild» vom Krieg erinnern: Mit sieben sah sie Aufnahmen aus dem Bosnienkrieg. Als Antwort darauf, habe sie sich mit Büchern eingedeckt und sich mit dem Thema Krieg beschäftigt. Als Mittelschülerin sah sie Bilder aus dem Irakkrieg und ging darauf mit Friedensflagge auf die Strasse, um zu protestieren.Später reiste sie nach Griechenland in ein Flüchtlingslager. «Um mit, und nicht nur über die Betroffenen des Krieges zu sprechen.» Beim Schildern dieser Erinnerungen wird Meyer sichtlicht emotional. Sie erzählt, wie eine geflüchtete Mutter in ihrem Zelt mit grosser Mühe und Aufwand eine Schaukel für ihr Kind errichtet habe, damit dasselbe wenigstens ein bisschen Normalität und Frieden erleben könne. «Das war für mich der wohl eindrücklichste Moment, den ich erlebt habe», betont sie.Denn schliesslich sei das gemäss Meyer das Wichtigste, was wir tun können: Frieden schliessen und Frieden leben. Aber sie fügt an: Die Herausforderung dabei werde auch in Zukunft gross sein. Angesichts der zunehmenden Konflikte um natürliche Ressourcen wie Wasserzugänge und Bodenschätze werden in Zukunft mehr Krisen dazukommen. «Doch den Kindern, den nächsten Generationen zuliebe, sollen wir uns gemeinsam jeden Tag für eine ein bisschen friedlichere Welt einsetzen.»Klingendes Zeichen gegen GewaltInspiriert und bewegt hört das Publikum just zu Ende Meyers Rede die Kirchglocken von Heiden ertönen. Andreas Ennulat klärt auf: «Es ist 11.02 Uhr. Jetzt vor 77 Jahren schlug die ver- heerende Bombe in Nagasaki ein.» Die Kirchglocken werden aber bald von dem hellen Klang der Friedensglocke übertönt. Die Besucherinnen und Besucher dürfen alle am Seil der Glocke ziehen, wodurch die Klänge noch lange durch Heiden hallen.Marlis Hörler Böhi, Präsidentin des Henry-Dunant-Museums in Heiden, fügt zum Glockenläuten an: «Es ist ein Zeichen gegen Gewalt und den Einsatz von Atomwaffen.» Mit der heutigen Präsenz und dem Glockenläuten setze man ein Zeichen. Auch Mattea Meyer findet: «Was wir hier in dem Friedensland Schweiz sicher tun können, ist, den Leuten im Krieg ein Zeichen zu geben: Wir vergessen euch nicht.»