Reto WälterSeit Dienstag gilt der neue, fixe Verteilschlüssel für Flüchtende aus der Ukraine des Staatssekretariat für Migration SEM. Von 40000 Geflüchteten hat St. Gallen bisher 1300 Personen aufgenommen. Im Verhältnis zur Wohnbevölkerung liegt St. Gallen mit 500 Flüchtenden unter dem Durchschnitt der Kantone. Deshalb werden dem Kanton in der kommenden Zeit grössere Kontingente zugewiesen und dann auf die Gemeinden verteilt. Dafür besteht ein kantonaler Verteilschlüssel. Eine Herausforderung ist die Geschwindigkeit, mit der die Leute eintreffen und möblierter Wohnraum oder Gastfamilien gefunden werden müssen.«Wir werden das stemmen und die Rückmeldung der Leitenden der Rheintaler Sozialämter zeigen, dass seitens der Bevölkerung sehr viel Kooperationsbereitschaft besteht», sagt Roman Zimmermann, Leiter Bereich Soziales, Altstätten. «Die zwölf Rheintaler Gemeinden sind untereinander gut vernetzt und arbeiten solidarisch zusammen.»Gemeinden einigten sich auf einheitliche TarifeSeit Ostern sei es in Bezug auf ungeklärten Fragen seitens der Rheintaler Sozialämter ruhiger geworden. Es werde fokussiert gearbeitet, sagt Zimmermann, der als Vertreter der Konferenz für Sozialhilfe KOS eine gefragte Anlaufstelle war, Informationen bündelte und weiterleitete. «In kleinen Gemeinden wird das Sozialamt oft als Prozentpensum neben anderen Aufgaben geführt», erklärt Roman Zimmermann. Wenn sich nun jemand auf einmal um dreimal soviele Leute kümmern müsse, werde das schwierig. Zumal in der Anfangsphase fast täglich neue Weisungen von Bund und Kanton eingetroffen seien und viele Fragen zuerst hätten geklärt werden müssen. «Das Modell Gastfamilie war beispielsweise neu in diesem Ausmass. Es war wichtig, dass die Gemeinden sich hier auf einheitliche Ansätze einigen, damit nicht zusätzlich Unruhe entsteht», sagt Zimmermann. Im Rheintal werden den Gastfamilien grundsätzlich keine Mietkosten entschädigt, jedoch wird ihnen pro Monat 200 Franken für die erste und 50 Franken für jede weitere aufgenommene Person als Nebenkosten angeboten. Flüchtende Einzelpersonen erhalten einen Grundbedarfsansatz von 450 Franken – wenn sie in einer Gastfamilie leben, sind es zehn Prozent weniger. Wie sie sich mit diesem Geld an den Haushaltskosten beteiligen, liegt in der Eigenverantwortung. Auch bei der Registrierung der Flüchtenden greifen die Abläufe nun ineinander. «Es gibt vieles zu klären und zu organisieren, damit die Leute den Schutzstatus S beanspruchen können», sagt Markus Hautle, Sozialpädagoge beim Sozialamt Altstätten, der zwischen Ämtern, Gastfamilien und Flüchtenden Hilfe anbietet und vermittelt. Beispielsweise brauche es für die Anmeldung einer Person auf dem Einwohneramt einen Krankenkassennachweis. «Da bereits bestehende ausländische Krankenversicherungen in der Mehrheit der Fälle nicht legitimiert werden können, müssen neue Policen abgeschlossen werden», erklärt Hautle. Um solche Fragen zu klären, brauche es oft einen Dolmetscher oder eine Dolmetscherin.Der Austausch funktioniert bestensDank der in Rebstein ansässigen Fachstelle Integration funktioniert dies inzwischen schnell und unkompliziert. «Die Fachstelle stellt einen Pool an Personen zur Verfügung, die von Ukrainisch oder Russisch auf Deutsch übersetzen können. Sie geben gewisse Informationen direkt weiter und können zudem einfach angefordert werden», sagt Markus Hautle.Es bewähre sich, dass man auf viele vorhanden Gefässe zurückgreifen könne. Auch über die Erfahrungsgruppe der Rheintaler Sozialämter, in der ein Austausch zwischen den Ämtern stattfindet, fliessen nun Informationen, weil man sich kennt. «Ebenfalls gut organisiert sind die Schulen, die ukrainische Kinder aufnehmen. Sie arbeiten auch untereinander sehr gut zusammen», lobt Hautle. «Auch wenn wir jetzt die Übersicht einigermassen haben, melden sich derzeit immer noch Gastfamilien, die Flüchtende aufgenommen haben, die noch nicht registriert sind», sagt der Sozialpädagoge. Das Engagement der Gastfamilien sei sehr wertvoll. Was sie bei der Erstbetreuung leisteten, hätte von den Ämtern nicht in diesem Ausmass abgedeckt werden können. «Kommt dazu, dass die Flüchtenden so sehr schnell unsere Kultur und unsere Gepflogenheiten kennen lernen», sagt Hautle.Neue Sprachkurse werden aufgegleistDerzeit würden sich immer noch neue Gastfamilien zur Verfügung stellen. Markus Hautle sagt dazu: «Es ist wichtig, dass die Beteiligten wirklich mit Herzblut dabei und bereit sind, sich auf die Gäste einzulassen.» Dann könne man auch persönlich profitieren, weil man aufgrund der kulturellen Unterschiede eigene Standards hinterfragen und vielleicht durchbrechen könne. «Wenn man sich aber nur aus einem schlechten Gewissen heraus meldet, kann es auch schnell belastend werden», ergänzt Roman Zimmermann. «Derzeit werden neue Sprachkurse aufgegleist, damit die Ukrainerinnen und Ukrainer in einem nächsten Schritt besser in den Arbeitsmarkt integriert werden können», sagt Roman Zimmermann.Auch bei der Stellenvermittlung greife man auf vorhandene Strukturen zurück, nutze bestehende Kontakte, um als Türöffner zu helfen. «Wobei sich die Ukrainerinnen und Ukrainer dabei auch selber gut organisieren, sich beispielsweise darum kümmern, dass ihre Diplome anerkannt werden.» Er glaubt aber nicht, dass der Arbeitsmarkt gleich überflutet wird. «Viele der Flüchtenden sind Frauen mit Kindern. Da braucht es Lösungen, die Schritt für Schritt erarbeitet werden müssen», sagt Roman Zimmerman. Wie der Prozess weiter geht, hängt nun auch stark davon ab, wie sich die Situation in der Ukraine entwickelt.