17.06.2022

Sommaruga pfeift die SBB zurück

Um zu sparen, wollen die SBB den geplanten Halbstundentakt im Rheintal ausdünnen: Jetzt greift die Verkehrsministerin persönlich ein.

Von Adrian Vögele
aktualisiert am 02.11.2022
Der Widerstand hat gewirkt: Vehement hat sich der Kanton St. Gallen in den letzten Wochen gewehrt gegen die Ankündigung der SBB, das geplante Angebot für die Rheintallinie zurückzuschrauben. Nach dem Doppelspurausbau wäre demnach auf Jahre hinaus kein durchgehender Halbstundentakt vorgesehen gewesen. Obwohl dieser in der Fernverkehrskonzession festgehalten ist. Die SBB begründen dies damit, dass der Bundesrat sie beauftragt habe, aufgrund der coronabedingt angespannten Finanzlage Einsparungen beziehungsweise Mehrerträge zu generieren. Jetzt aber stellt Verkehrsministerin Simonetta Sommaruga klar: Die SBB müssen den durchgehenden Halbstundentakt auf der Rheintallinie ab 2025 realisieren.«Das ist nicht die Absicht des Bundesrats»Auf eine Frage von Ständerat Paul Rechsteiner (SP/SG) am Donnerstagabend im Parlament antwortete die Bundesrätin, die SBB hätten zwar den Auftrag, jährlich 80 Millionen zu ihrer finanziellen Stabilisierung beizutragen. Aber: «Das darf nicht dazu führen, dass nach einem teuren Doppelspurausbau der entsprechende Angebotsausbau aus Spargründen um Jahre verzögert werden soll. Das versteht sich für mich von selbst. Das ist nicht die Absicht und nicht der Auftrag des Bundesrats.» Man werde das mit den SBB klären müssen, so die Verkehrsministerin. «Ich kann Ihnen versichern, ich werde mich persönlich dafür einsetzen.»Rechsteiner hatte in seinem Votum betont, die Ankündigung der SBB zu den Sparplänen auf der Rheintallinie sei unerwartet gekommen – «zur Konsternation der Bevölkerung des Kantons und insbesondere des Rheintals». Das Versprechen für den Halbstundentakt sei gegeben – es habe eine Volksabstimmung stattgefunden. «Es kann nicht angehen, dass die SBB das jetzt einfach nicht ausführen.» Die Investitionen und Ausbauten seien aufgegleist, das Rheintal verzichte während der Bauphase acht Monate lang auf Bahnverkehr. Die SBB stünden in der Pflicht, danach den durchgehenden Halbstundentakt umzusetzen.Signalwirkung auch für andere LinienBenedikt Würth (Die Mitte/SG) ergänzte, die Eckpunkte des Sparauftrags für die SBB seien in der Finanzkommission des Ständerats besprochen worden. «Wir haben dort explizit auch die Frage gestellt, ob auch Angebotsanpassungen dazu gehören. Die Antwort war klar: Nein.» Wenn die SBB nun doch beim Angebot sparen wollten, dann sei das ein Verstoss gegen Treu und Glauben. Auch Würth sagte, es sei erst recht nicht sinnvoll, nach dem teuren Doppelspurausbau im Rheintal mit einem reduzierten Angebot weiterzufahren. «Wenn man ein Hallenbad mit 50-Meter-Becken baut, sagt man ja auch nicht, die Bevölkerung dürfe nur bis Meter 25 schwimmen.»Rechsteiner zeigt sich nach der Debatte zufrieden mit Sommarugas Antwort: «Die Bundesrätin hat Klarheit geschaffen - der Halbstundentakt ist zu realisieren.» Das Signal habe nationale Bedeutung, denn auch in anderen Regionen der Schweiz hätten die SBB im Rahmen des Sparpakets bereits einen Angebotsabbau im Sinn gehabt. Das finanzielle Argument sei nun sowieso entkräftet aufgrund aktueller Entscheide des Parlaments, stellt Rechsteiner fest. Beide Räte haben inzwischen einer Motion der ständerätlichen Finanzkommission zugestimmt, die verlangt, dass die durch die Pandemie verursachten Defizite der SBB als ausserordentlich gelten und das Bahnunternehmen entsprechende Finanzhilfen erhält. Damit ändere sich insbesondere die Ausgangslage beim Fernverkehr, so Rechsteiner. Denn die coronabedingten Ausfälle im Fernverkehr waren bisher – anders als etwa jene des Regionalverkehrs – nicht mit Bundeshilfen kompensiert worden.Gespräch mit SBB-CEO zum VollzugParallel zu den Bemühungen der beiden Ständeräte zur Rettung des Halbstundentakts hatte auch das St. Galler Kantonsparlament diese Woche ein unmissverständliches Zeichen gesetzt: Sämtliche Fraktionen reichten gemeinsam einen dringlichen Vorstoss gegen die Sparpläne der SBB in den Regionen Rheintal, Werdenberg und Sarganserland ein. Volkswirtschaftschef Beat Tinner (FDP) versprach, die Regierung setze alles daran, dass nach dem Doppelspurausbau der durchgehende Halbstundentakt mindestens von 6 Uhr morgens bis 20 Uhr abends eingeführt werde, so wie das noch im Frühling 2021 zugesichert worden sei. Tinner kündigte an, er habe in dieser Sache demnächst einen Gesprächstermin mit SBB-CEO Vincent Ducrot, gemeinsam mit den beiden St. Galler Ständeräten. Rechsteiner sagt, nachdem sich Bundesrätin Sommaruga nun bereits klar zum Halbstundentakt geäussert habe, werde es im Gespräch mit dem SBB-CEO vor allem noch darum gehen, den Vollzug zu klären. Verspäteter Eurocity: Bundesrat will FortschritteEigentlich war die SBB-Rheintallinie am Donnerstag im Ständerat kein traktandiertes Thema. Auf dem Programm stand aber ein Vorstoss Rechsteiners zum Eurocity Zürich-München. Die beiden St. Galler Ständeräte nutzten diese Gelegenheit, den aktuellen Streit um die Rheintallinie direkt anzusprechen. Die Häufung von Verspätungen bei den internationalen Zügen zwischen Zürich und München geriet dabei zum Nebenschauplatz. Gleichwohl äusserte sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga auch dazu. Die SBB hätten inzwischen diverse Massnahmen gegen die Verspätungen getroffen. Das Fazit der Verkehrsministerin: «Die Pünktlichkeit hat sich in den vergangenen Wochen teilweise verbessert, aber man ist noch lange nicht dort, wo man sein sollte.» Dem Bundesrat sei es ein grosses Anliegen, dass hier weitere Fortschritte erzielt würden.

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