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Weinproduktion 21.04.2021

So sieht antiautoritär aufgezogener Wein aus

Mehr als nur Bio in der Flasche: Naturwein ist en vogue und wird auch im Rheintal produziert.

Von Sara Burkhard
aktualisiert am 26.09.2024

Unverfälscht, ohne Zusätze, selbstverständlich Bio und trüb unfiltriert: Naturwein, auch «Naked Wine» genannt, ist ein Getränketrend. Was sich erst von Frankreich nach Skandinavien und von dort in die Hauptstädte Europas ausgebreitet hat, wird jetzt auch an Weinhängen in der Ostschweiz angebaut. Das Grundrezept ist simpel: Der Wein wird ohne Süssung, also etwa ohne konzentrierten Traubenmost, ohne Schwefelzusatz und ohne Filtration hergestellt. Die Gärung passiert spontan mit der traubeneigenen Hefe. Der Wein darf weder zu sehr gekühlt oder erhitzt, also auch nicht pasteurisiert werden. Ausserdem sind die Trauben biozertifiziert und die Ernte von Hand ist obligatorisch.

In der Ostschweiz noch ein Geheimtipp

Die Jagd auf eine Flasche Naturwein ist im Rheintal jedoch nicht einfach, der Begriff stösst noch auf viele Fragezeichen und etwas Verwunderung. Doch seit Kurzem hat sich ein Ostschweizer der Herstellung des Trendgetränkes verschrieben. Philip Grobs Weg zum Rebstock ist dabei so schief wie die Weinranke selbst: Vom Ingenieurstudenten zum Bartender und Mitbetreiber der Kultbar Tankstell in St. Gallen, weiter zum Cocktailmaestro und nun zum Winzer. Seit drei Jahren besucht er Weinbauern in der Region, die seit Generationen Rebhänge bewirtschaften, und bekommt bei ihnen die Möglichkeit, einen kleinen Teil der Stöcke selbst zu bearbeiten. Er kümmert sich um die Pflanzen, schneidet verwilderte Stöcke wieder in Form, pflanzt für die Biodiversität Blumen zwischen die Reben und verwendet biologischen Pflanzenschutz.

So wenig wie möglich eingreifen

Aktuell schneidet er Reben im Huberberg in Altstätten zurück. Hier wird schon seit dem Mittelalter Wein angebaut. Der Boden ist kalkhaltig und gibt dem Wein eine mineralhaltige Erdigkeit. Das zusammen mit der Südostlage sind hervorragende Bedingungen für gute Trauben. Denn für Grob ist, wie für viele Naturweinbauern, das Getränk ein ganzheitliches Produkt: «Naturwein ist wie antiautoritäre Erziehung bei Kindern», sagt Grob. «Man will der Traube die bestmöglichen Voraussetzungen bieten und dann so wenig wie möglich eingreifen, damit sie ihr volles Potenzial entfalten kann. Aber antiautoritär erzogene Kinder können anstrengend sein», scherzt Grob, «das kann Naturwein auch. Es kommt darauf an, ob man sich darauf einlassen möchte und für sich entscheidet, dass man es läss findet.»

Diese simpel klingende Weinherstellungsmethode bekommt Aufwind. Erst im März hielt der neu gegründete Verein «Schweizer Naturwein» seine allererste Generalversammlung in Lausanne ab. Das Ziel ist nicht nur ein Nischenprodukt zu fördern; der Verein hat sich auch dem Vorhaben verschrieben, Schweizer Naturwein als ein hochqualitatives Produkt dem breiteren Publikum näherzubringen. Grob hat keine Illusionen: «Es gefällt nicht allen.» Denn Naturwein hat die Weinwelt gespalten: Befürworter der Tradition fühlen sich von den Freiheiten und dem Reinheitsanspruch der oftmals kleineren Naturweinproduzenten provoziert, die Befürworter des Getränkes sehen die Einfachheit und Unvorhersehbarkeit als grosses Plus. «Man kommt ein bisschen mehr zur Traube zurück, und die Traube entscheidet, wie der Geschmack wird», sagt der Winzer.

Bisher ist Grobs Produktion und die Nachfrage nach dem trüberen Naturwein in der Ostschweiz noch klein. Doch nach dem Rebstockbesuch in Altstätten begibt sich Grob auf den Weg nach Zürich zu einer Naturweinbar, die gerade ein paar hundert Flaschen bestellt hat. Er selbst ist immer auf der Suche nach neuen Hängen zum Bewirtschaften, «die Ostschweiz ist perfekt für Naturweintrauben geeignet, hier geht es ihnen richtig gut.»  

Eine Gegenbewegung

Wann genau die Naturweinbewegung ihren Anfang fand, ist umstritten, wahrscheinlich jedoch in 1960er-Jahren in der Weinbauregion Beaujolais in Frankreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Frankreich immer mehr Chemikalien und Pestizide verwendet, ein paar Bauern wehrten sich dagegen und wollten wieder Wein nach dem alten Rezept ihrer Grosseltern herstellen.

Jahrzehnte später, Anfang 2000, zeigte eine staatliche französische Studie, dass französischer Wein lediglich drei Prozent aller Agrarfläche beansprucht, jedoch 20 Prozent der Pestizide verwendet. Studien wie diese gaben der Naturweinszene stark Auftrieb und heute gibt es auch in der Schweiz Bars, die ausschliesslich Naturweine servieren. 


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