13.09.2021

So läuft es im Sonneblick

Rund sechs Monate ist das Asylzentrum in Walzenhausen in Betrieb. Der Anfang verlief harzig.

Von Astrid Zysset
aktualisiert am 03.11.2022
Rund ein halbes Jahr ist es her, seit im ehemaligen Ferienheim Sonneblick in Walzenhausen das Asylzentrum des Kantons Appenzell Ausserrhoden eröffnet wurde. Anfangs kam es noch zu internen Zwischenfällen. Die Asylsuchenden, die von der «Landegg» in den «Sonneblick» übersiedelten, mussten sich an einem neuen Ort mit veränderten Gegebenheiten zurechtfinden. Das führte zu Anpassungsschwierigkeiten, Verunsicherungen und Belastungssituationen. «Doch das ist Vergangenheit», winkt Zentrumsleiterin Ines Hausser ab. «Mittlerweile ist Ruhe eingekehrt.» Mehr noch: Beinahe idyllisch wirkt es hier hoch oberhalb Walzenhausens mit dem malerischen Blick auf den Bodensee.40 Bewohnerinnen und Bewohner aus 13 Nationen zählt der «Sonneblick» derzeit. Damit liegt die Auslastung bei 50 Prozent. Hausser taxiert das als gering. Doch die Belegung kann sich von Tag zu Tag ändern. Die Asylsuchenden werden vom Bund an die einzelnen kantonalen Zentren zugewiesen. Gerade einmal 24 Stunden vorher erhalten Hausser und ihr Team die Information über mögliche Neuzugänge. Aufgenommen werden Asylsuchende mit einer «hohen Bleibewahrscheinlichkeit». In der Regel werden sie nach rund sechs Monaten auf die einzelnen Gemeinden verteilt. Nur in seltenen Fällen wird dann tatsächlich jemand noch ausgewiesen.Dichtes TagesprogrammWährend der Monate, in denen die Asylsuchenden im «Sonneblick» untergebracht sind, absolvieren sie ein Integrationsprogramm mit Beschäftigungs- und Ausbildungsinhalten. Will heissen: Die Kinder erhalten Schulunterricht, basierend auf dem Lehrplan 21. Die Erwachsenen lernen halbtags Deutsch, die übrigen Stunden werden sie der Küche, dem Haushalt, dem Kinderhort oder auch dem Holzverarbeitungsprogramm zugeteilt. Zusätzlich müssen sie noch Gemeindevorbereitungs- und Arbeitsintegrationskurse belegen. «Wir wollen Tagesstrukturen bieten, in denen sie auch etwas lernen können», so Hausser. Die Arbeit wird attestiert und bewertet; ein Zeugnis soll den Asylsuchenden nach ihrem Aufenthalt im «Sonneblick» den Einstieg in den Alltag in den Gemeinden etwas erleichtern.Der straffe Tagesablauf hat aber noch einen anderen Hintergrund: «Das Haus hier ist wie die Schweiz», sagt Hausser und lächelt. «Jeder muss Verantwortung für seine Aufgaben übernehmen. Nur so funktioniert das ganze System.» Zudem würde die Arbeit in Gruppen den Zusammenhalt zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern stärken. Nur ganz selten gebe es Reibereien. Und die würden in Gesprächen in der Regel schnell beigelegt, so die Zentrumsleiterin weiter. Doch was geschieht, wenn jemand mal keine Aufgaben übernehmen will? «Jeder hat mal einen Durchhänger», so Hausser. Das sei normal. «Aber spätestens nach ein, zwei Tagen ist die Motivation zurück. Denn etwas anderes als sich im Haus einzubringen können sie hier ja auch gar nicht tun.»Im Nebengebäude befindet sich ein kleiner Fitnessraum. Dieser werde teilweise schon um 5 Uhr morgens genutzt, sagt Hausser, und fügt an: «Sport hilft vielen, die Geschehnisse aus dem Krieg oder der Flucht besser zu verarbeiten.» Daneben befindet sich eine Secondhand-Kleiderkammer, in der sich die Asylsuchenden für ein kleines Entgelt Kleider kaufen können. Jeder Asylsuchende erhält vom Migrationsamt drei Franken Taschengeld, einen Franken Kleidergeld und 50 Rappen für Hygieneprodukte pro Tag zur Verfügung gestellt. Hausser erinnert sich, dass bei der Eröffnung der Kleiderkammer die Migrantinnen und Migranten eine kleine Modeschau vorführten. «Das hat allen sichtlich Spass gemacht.»Einen Raum weiter finden die Erstgespräche statt. Hier wird jeder Asylsuchende begrüsst, bekommt die Hausregeln erklärt, muss duschen und wird auf Bettwanzen untersucht. Seine individuelle Kleidung muss er deswegen für 48 Stunden abgeben. «Das ist hart», sagt Hausser. «Wir nehmen ihnen für zwei Tage das Letzte, was sie noch haben.» Aber die Vorsichtsmassnahme sei unerlässlich, um keinen Befall im ganzen Haus zu haben. Im Obergeschoss befindet sich noch das Schulzimmer für die Erwachsenen. Stolz kramt die Zentrumsleiterin ein Stapel Zeugnisse hervor. «Diese haben alle innerhalb von sechs Monaten Deutsch mündlich auf Stufe A2 absolviert. Das ist beeindruckend!»Klingt, als seien alle Anfangsschwierigkeiten ausgemerzt. «Ja, es läuft richtig gut», so Hausser. Keine Herausforderungen mehr? Sie lächelt. «Die einzige, die bleibt, ist den Betrieb am laufen zu halten.»Erste Kooperationen mit der GemeindeDie Skepsis seitens der Walzenhauser Bevölkerung, als bekannt wurde, dass in der Gemeinde das Asylzentrum eröffnet wird, war gross. Dass aber auch hier mittlerweile Ruhe eingekehrt ist, bestätigt Gemeindepräsident Michael Litscher. «Im Moment empfinde ich die Stimmung als sehr entspannt.» Kritische Rückmeldungen erhalte er keine mehr. Grund hierfür könnte auch der rege Austausch zwischen Vertretern der Behörden, Bevölkerung und dem Asylzentrum sein. Regelmässig finden sogenannte runde Tische statt, an welchen allfällige Anliegen besprochen werden. Litscher weiter: «Allen war von Beginn an daran gelegen, eine tragbare und verträgliche Lösung zu erzielen. Und ich glaube, das haben wir in den ersten sechs Monaten gemeinsam hinbekommen.»Mehr noch: Mit der Gemeinde bestehen erste Kooperationen. An zwei Vormittagen in der Woche nutzt das Asylzentrum die Turnhalle. Die 5. und 6. Klassen des Schulhauses Güetli unternahmen mit der internen Schule des Asylzentrums Ausflüge in die Natur, und eine Kooperation zwischen dem Zentrum und der Gemeinde bezüglich Bereitstellung von Brennholz für die beiden Schweizer-Familie-Feuerstellen ist gegenwärtig in Abklärung.Keine Polizeieinsätze mehrDie Ausserrhoder Kantonspolizei führt ebenfalls auf Anfrage hin aus, dass es derzeit ruhig ist rund um das Asylzentrum. Kapo-Mediensprecher Daniel Manser gibt an, dass es in den ersten Monaten nach der Eröffnung aufgrund einzelner Asylsuchender zu Zwischenfällen gekommen war, bei denen die Polizei mehrmals ausrücken musste. Zudem kam es zu einer kleinen Demonstration. Seit ein paar Monaten ist jedoch Ruhe eingekehrt. «Wir hoffen, es bleibt so. Aber es braucht halt nur einzelne Personen, um die Stimmung wieder zum Kippen zu bringen, was dann auch wieder zu vermehrten Polizeieinsätzen führt.»

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