Damit morgens um 9 Uhr die Fantasie erwacht, treffen sich die Kinder in einem Kreis auf der Bühne im Diogenes-Theater. Die Schreibpädagogin und Lehrerin Elisabeth Büchel Neuhold lässt die Mädchen und Buben im Primarschulalter mit Worten spielen. Sie haben bereits verschiedene Textformen kennengelernt und wissen, wie sie einen Erzählbogen spannen können. «Stell dir eine Hauptfigur vor. Was unternimmt sie? Ein Problem taucht auf. Die Geschichte endet mit einem Happy End.» Einer der Buben beschreibt, wie er in einem Duell ein Motocrossrennen für sich entscheiden kann. [caption_left: Seite um Seite füllt sich im Notizheft.]Ein Mädchen beugt sich über ihr Heft und hält inne: «Ich weiss nicht, wie ich weiterschreiben soll.» Die Schreibpädagogin rät ihr, einen Blick auf den Ideenplan zu werfen.Die Schreibwerkstatt ist ein Herbstferienangebot des Diogenes-Theaters und findet diese Woche jeweils vormittags statt. Der Kurs komme gut an, sagt Irene Weder, Vorstandsmitglied und zuständig für das Aktivprogramm. Er sei ein kreatives Abenteuer, ohne schulischen Rahmen. Die Rechtschreibung spiele keine Rolle, die Kinder sollen sich ohne Druck in ihre Gedankenwelt vertiefen.[caption_left: Nebst schreiben ist auch gestalten mit Farben und Leimstift möglich.Ob sie ihre Geschichten zum Abschluss des Kurses am Freitag vor Familie und Freunden vortragen möchten, bleibt den Kindern selbst überlassen. Der Applaus des Publikums wäre eine verdiente Anerkennung. Doch Elisabeth Büchel Neuhold ist sich bewusst: «Eine Geschichte ist etwas sehr Persönliches.» Am meisten freut sie sich, wenn die Kinder staunen, was sie während des Kurses geschrieben haben und welche Figuren sie zum Leben erwecken konnten.Nachgefragt: Das Tor zur Kreativität öffnenElisabeth Büchel Neuhold aus Rüthi leitet zum dritten Mal die «Diogenes»-Schreibwerkstatt.Was ist Ihre Aufgabe als Schreibpädagogin?Impulse zu geben. Kinder haben oft das Gefühl: «Ich kann nicht schreiben, weil ich keine Ideen habe.» Ideen präsentieren sich nicht auf dem Serviertablett, deshalb probiere ich, zu motivieren und anzuregen.Welche Methoden helfen? Ganz verschiedene. Es geht darum, die Kinder über die Sinne anzusprechen. Wir waren im Garten, wo sie Figuren finden konnten. Ich stelle Fragen: «Was machen sie hier?», «Wie heissen sie?» Auch durften die Kinder Bilder auswählen und dazu eine Geschichte weiterspinnen.Wie gehen die Kinder an die Arbeit? Es gibt solche, die haben sich bereits zu Hause Stichworte überlegt und möchten sie sofort aufs Papier bringen. Andere brauchen einen Anstoss, sind selbstkritisch und haben das Gefühl, es müsse ein gutes Resultat erreicht werden. Das ist aber nicht das Ziel. Wir wollen Hemmungen überwinden, auch verrückte Ideen aussprechen, einander inspirieren und zum Lachen bringen. Das wirkt, als öffne sich eine Schleuse. Die Freude am Schreiben soll im Mittelpunkt stehen.