30.04.2022

Smart emanzipiert sich von Hayeks Vision

City-Winzling war gestern: Der neue Smart ist ein stattliches SUV. Nur ein Jahr nach der Studie wurde nun die Serienversion des #1 enthüllt.

Von Dave Schneider
aktualisiert am 02.11.2022
Dave SchneiderWinzig, bunt und frech: Der Smart sorgte gehörig für Aufsehen, als er 1998 auf die Strassen rollte. Der kleine Zweiplätzer ist seither nicht mehr wegzudenken in den urbanen Zentren – gerade auch als Werbeträger ist der Smart nach wie vor sehr beliebt. Nun sorgte Smart abermals für Schlagzeilen. Seit der 2021 an der IAA in München präsentierten Studie Concept #1 ist klar, das Nachfolgemodell des zuletzt nur noch rein elektrisch angebotenen Fortwo wird ein stattliches SUV sein. Nur ein Jahr später feiert nun die Serienversion namens #1 (ausgesprochen: Hashtag One) ihre Weltpremiere. Und für einmal hat der Hersteller gehalten, was die Studie versprach: Optisch ist die Serienversion kaum vom Showcar zu unterscheiden. Die Idee des Smart geht auf den 2010 verstorbenen Swatch-Gründer Nicolas Hayek zurück, der seine Vision eines kleinen, günstigen City-Flitzers mit Elektroantrieb mithilfe der grossen Autohersteller umsetzen wollte. Doch Hayeks Idee war der Zeit voraus. Zunächst stieg VW aus dem Projekt aus und Mercedes übernahm, doch die Umsetzung des ersten Smart (City Coupé) widersprach der ursprünglichen Idee des Swatch-Gründers komplett, woraufhin Hayek den Bettel hinwarf mit den Worten: «Der heutige benzinbetriebene Smart ist ein Produkt aus dem Hause Daimler-Benz und hat nichts mit den Plänen des einstigen Swatch-Teams gemein.» Vom Smart #1 würde sich Hayek wohl noch stärker distanzieren. Ein kommerzieller Erfolg wurde der Ur-Smart nie, auch wenn man später mit einer viertürigen und viersitzigen Variante versuchte, das Kundenfeld zu vergrössern. Verständlich, dass die Marke nun einen anderen Ansatz versucht. Smart gehört seit 2020 einem Joint Venture zwischen Mercedes und dem chinesischen Hersteller Geely, der bereits andere europäische Marken wie Volvo oder Lotus aufgekauft hat. Beide Konzerne halten die Hälfte der Anteile. Und so ist auch der #1 ein Produkt beider Hersteller: Das Design stammt von Mercedes-Designer Kai Sieber und seinem Team, die Technik liefert Geely. Diese Mischung scheint gut zu funktionieren. Der 4,27 Meter lange Fünfsitzer ist gefällig gestaltet mit witzigen Details und cleveren Features, und er ist wie die Urversion jung, frech und hip. Das SUV wurde von Grund auf als Elektroauto konzipiert und bietet die entsprechenden Vorteile wie kurze Überhänge, einen langen Radstand und die daraus resultierenden guten Platzverhältnisse. Schlüssel gibt es keinen, der #1 fährt die Türgriffe aus, sobald das Smartphone seines Besitzers in der Nähe ist. Dieser digitale Schlüssel kann geteilt und an andere verschickt werden, falls man das Auto mal nicht selbst nutzt – das Elektro-SUV ist also ideal fürs Carsharing geeignet. «Unsere Kunden dürfen sich auf ein völlig neues Erlebnis freuen», ist Europa-Chef Dirk Adelmann überzeugt. Der #1 sei ein Software-definiertes Fahrzeug mit europäischem Design und chinesischer Technik. «Es wird das Beste aus mehreren Welten.»In der Schweiz mit AllradAngetrieben wird der neue Smart von einem E-Motor an der Hinterachse mit 200 kW (272 PS) Leistung und 343 Nm Drehmoment. In die Schweiz kommt allerdings die Variante Pro+ mit zwei Motoren und Allradantrieb. «Das ist ein Highlight für die Schweiz», sagt Remo Guthauser, Chef von Smart Schweiz. «Dies macht den #1 zum ultimativen Begleiter für einen Ausflug in die Berge.» Eine Batterie mit einer Kapazität von 66 kWh sorgt für eine Normreichweite von 420 bis 440 Kilometern, die Allradvariante dürfte etwas weniger weit kommen, ist aber noch nicht homologiert. Geladen wird mit bis zu 150 kW, was an einer Schnellladestation eine Ladung von 10 auf 80% in 30 Minuten möglich machen soll. Klein und günstig, wie Hayek es einst vorsah, ist der neue Smart nicht – das chinesisch-deutsche SUV emanzipiert sich komplett von der ursprünglichen Vision des Swatch-Gründers. Stattdessen trägt es dick auf: Der Innenraum des #1 ist mit Leder ausgeschlagen, das Cockpit ist digital mit 9,2-Zoll-Kombiinstrument, 10-Zoll-Head-up-Display und 12,8- Zoll-Touchscreen. LED-Scheinwerfer mit adaptivem Fernlicht, ein Autobahn- und Stauassistent mit Abstandstempomat und weitere Features sorgen für Sicherheit. Und auch wenn noch keine Preise bekannt sind, dürfte der #1 wohl kein Schnäppchen werden – deutsche Medien spekulieren mit Preisen jenseits von 40000 Euro. Auf den Markt kommen soll er im März 2023, bestellt werden kann er bereits ab September.

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