19.07.2022

«Sinn zu stiften, macht zufrieden»

Vier junge Menschen, die ehrenamtlich viel leisten, sind sich einig: Der Einsatz bereichert das eigene Leben.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Gert BrudererRamona Thür (26) sagt: «Jungwacht Blauring war eine Lebensschule. Ich wäre heute ein anderer Mensch, wäre ich nicht dabei gewesen.» Als Co-Präsidentin der Regionalleitung Jungwacht Blauring Rheintal hat sie nun eine verantwortungsvolle Funktion.Genauso einsatzfreudig sind Lars Göldi (27) und Michael Haltinner (29). Ramona und die beiden jungen Männer kennen sich von der Schule und haben sich einst durch Jungwacht Blauring wiedergefunden.Jüngster Kirchenpräsident im Kanton St. GallenMichael Haltinner präsidiert den Musikverein Marbach und gehört dem Vorstand des Rheintalischen Offiziersvereins an, Lars Göldi ist als Präsident der katholischen Kirchgemeinde Lüchingen der jüngste Kirchenpräsident im Kanton St. Gallen. Nathalie Baumgartner (30), die Vierte im Bunde, wirkt für den Lüchinger Jugendtreff als Vorsitzende des Vorbereitungsteams.Was treibt die jungen Menschen an? Der Jurist Lars Göldi sagt, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt: «Hat man die Chance, gebraucht zu werden und einen sinnvollen Beitrag zu leisten, gilt es diese Chance zu nutzen.»Im Gespräch über allenfalls weiteres ehrenamtliches Wirken, früher ebenso wie heute, ist eine erstaunliche Feststellung möglich: Wiederholt erinnert jemand aus der Gruppe den Kollegen oder die Kollegin an irgendein Engagement, das es «doch auch noch» gab oder gibt.So ist zum Beispiel Michael Haltinner darauf hinzuweisen, dass er sich «sehr für Jungwacht Blauring engagierte», und Nathalie Baumgartner denkt gar nicht daran, dass sie im Verein Schwimmschule Balgach Kindern das Schwimmen beibringt. Ramona Thür war früher Oberturnerin, Lars Göldi schon mit 16 im Pfarreirat.Ehrenamtlicher Einsatz hat auch praktische VorteileZum Erfordernis des gegenseitigen Erinnerns passt Lars Göldis Satz: Der Einsatz für die Allgemeinheit werde nicht primär als Arbeit empfunden, denn sonst liefe etwas falsch. Nathalie Baumgartner kommt auf die schöne, durch ehrenamtliches Wirken ermöglichte Freude der andern zu sprechen und denkt beispielsweise an die Kinder, die sie fragen, wann es wieder einen Anlass gebe.Michael Haltinner hakt hier ein: Bei andern ausgelöster Frohsinn wecke Freude in ihm selbst.Früh Verantwortung zu übernehmen, sich ehrenamtlich zu betätigen, hat auch ganz praktische Vorteile. Ramona Thür, die im Heim Oberfeld Lehrerin ist, sagt, es falle ihr im Berufsalltag vieles leichter.Im Dienst der Allgemeinheit hat sie gelernt, Anlässe zu organisieren, flexibel zu sein, ihre Kreativität wurde angeregt, ihre Sozialkompetenz gestärkt. Als Leiterin in einem Kurs für Jubla-Leitende hat sie das Zelten im April bei minus sechs Grad Celsius und ergiebigem Schneefall erlebt. Die Lagerwoche sei trotzdem sehr schön gewesen, die Laune bestens, es gab einen Jackentausch.Das Lager ist ein gutes Beispiel für den altbekannten Satz: Im Team geht vieles besser als allein.Schon die Eltern haben sich für andere eingesetztEine Rolle spielt natürlich auch das Elternhaus. Nathalie Baumgartners Mutter Agnes war langjährige Präsidentin im Frauen- und Mütterverein, und Vater Marcel, früher Oberturner, ist seit drei Jahrzehnten Tixi-Fahrer.Fast ebenso lange ist Michael Haltinners Mutter Marianne als Aktuarin der Kirchgemeinde Lüchingen tätig, und in Ramona Thürs Elternhaus war das Engagement in einem Verein ebenfalls ganz normal. Der Vater, Markus Thür, gehört zusammen mit Lars Göldis Vater Christoph dem Vorstand der katholischen Waisenguts- und Fondsgemeinde an, zudem war Christoph Göldi früher wie der Sohn Pfarreirat.Lars Göldi hat in seiner Kindheit stets eine philanthropische Grundhaltung gespürt und früh gelernt, dass sich mit lustvollem Einsatz viel Gutes bewirken lässt.Neues kennenlernen und mehr erfahrenDas Engagement erlaubt es auch, in eine neue Materie einzutauchen und die ganze Vielfalt zu erkennen, die mit einer bestimmten verantwortungsvollen Aufgabe zusammenhängt.Michael Haltinner hat das vom Frühjahr 2020 bis im Frühjahr 2021 intensiv erlebt. Freiwillig verbrachte der gelernte Zimmermann ein Jahr für KFOR Swisscoy im Kosovo, als stellvertretender Zugführer und als Soldat. Der Unterschied zwischen dem Dasein als Soldat und dem Wirken als jemand mit Führungsverantwortung war frappant, der Einblick als stellvertretender Zugführer bedeutend tiefer.Je grösser das ehrenamtliche Wirken, desto grösser ist die Chance, auf etwas Neues, ebenfalls Interessantes zu stossen, also angeregt zu werden, sich als ehrenamtliche Person weiterzuentwickeln, das Engagement auszudehnen oder sich in Neuem zu versuchen.Allerdings: «Man darf sich nicht verzetteln», weiss Lars Göldi.Der Einsatz für andere ist mit einem nicht unerheblichen zeitlichen Aufwand verbunden. «Ungefähr ein halber Tag pro Woche dürfte es schon sein», schätzt Michael Haltinner sein Pensum fürs Musikvereinspräsidium.Sogar mit 10 bis 20 Prozent beziffert Lars Göldi seinen Aufwand für die Allgemeinheit. Doch etwas Positives zu bewirken, Sinn zu stiften, mache ihn zufrieden, fügt er bei. Und er spricht damit auch den Kolleginnen und dem Kollegen aus dem Herzen.

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