03.11.2021

Singlehaushalte bleiben im Trend

Der Anteil der Einpersonenhaushalte wächst weiter. Nicht nur in Altstätten gibt es viele davon. Der Immobilienmarkt passt sich an.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Allein oder zu zweit: Diese Wohnformen sind am meisten verbreitet. Gut jeder dritte Privathaushalt im Kanton St. Gallen ist ein Einpersonenhaushalt, in einem weiteren Drittel leben je zwei Personen. Das zeigen Zahlen des Bundesamts für Statistik.2020 war im Rheintal der Anteil der alleinlebenden Personen in Rheineck am höchsten. Auch im Vorjahr führte das Unterrheintaler Städtli die regionale Rangliste an. 614 von 1564 Haushalten sind als Singlehaushalte aufgeführt. Das sind 39 Prozent. Es folgen Au und Altstätten, wo der Anteil Einpersonenhaushalte 36 Prozent ausmacht.Gewollt oder ungewollt allein wohnenAuch auf dem Immobilienmarkt ist der Trend der kleinen Haushalte spürbar, bestätigt Daniel Mosch, Betriebsökonom und Partner bei der RT Immobilien Treuhand AG, Altstätten: «Die Nachfrage bewegte sich in den letzten zehn Jahren etwas weg von grösseren 4,5-Zimmerwohnungen und hat sich hin zu kleineren Wohnungstypen mit 2,5 bis 3,5 Zimmern verlagert.»Weshalb Mieter oder Käufer oft allein eine Wohnung beziehen, hat verschiedene Gründe. Wobei einer deutlich hervorsticht: Der Wegzug vom elterlichen Zuhause. «Die erste Wohnung ist tendenziell eine Kleinwohnung, die jemand allein oder zu zweit bezieht», sagt Daniel Mosch. Und: «Weitere Gründe für kleinere Wohnungen sind Trennungen, zu denen es zum Beispiel nach einer Scheidung oder einem Todesfall kommt.»Auch Wochenaufenthalte bei Studium und Arbeit bewegen dazu, eine kleine Wohnung zu mieten. Die finanziellen Aspekte spielen eine Rolle, wenn jemand Kosten sparen möchte. Wer derzeit eine Wohnung für sich allein oder einen Zweipersonenhaushalt sucht, sollte ein genügendes Angebot vorfinden. «Auf den Marktplätzen sind aktuell mehr Klein- als Grosswohnungen ausgeschrieben», sagt Daniel Mosch. «Der zunehmenden Nachfrage nach kleineren Wohnungen haben Projektplaner in letzter Zeit genügend Rechnung getragen, sodass relativ ausgeglichene Marktverhältnisse bestehen.»Geografisch sind allerdings Unterschiede auszumachen. An Lagen, die sich eher abseits befinden, gibt es weniger Singlewohnungen. In Eichberg zum Beispiel beträgt gemäss Statistik der Anteil der Einpersonenhaushalte nur 28 Prozent.Entscheidend ist die Nähe zu Arbeit und ÖV«Das Angebot an Kleinwohnungen ist vorwiegend an urbanen Standorten mit grösseren Arbeitgebern und guter Verkehrsanbindung zu finden», sagt Daniel Mosch. «Der Grund dafür ist, dass Bewohnerinnen und Bewohner von Singlewohnungen die Nähe zu örtlichen Infrastrukturen als wichtiges Kriterium bewerten.»Der Trend der kleinen Haushalte wirkt sich auch auf aktuelle Bauprojekte aus. Projektentwickler müssten bezogen auf jeweilige Standorte stets prüfen, welche Wohnform nachgefragt werde, sagt Daniel Mosch. «Der Wohnungsmix sieht bei den heutigen Bauprojekten anders aus als noch vor einigen Jahren.» Generell sei wegen der neuen Rahmenbedingungen des Raumplanungsgesetzes die innere Verdichtung spürbar. «Es entstehen auf weniger Raum mehr Wohneinheiten.» Drei Personen, die in Single-Haushalten leben oder gelebt haben:«Nach der Arbeit die Füsse hochlegen»[caption_left: Heidi Mettler ist beruflich im Detailhandel tätig.]Seit rund zwei Jahren lebt Heidi Mettler in ihrer gemütlichen 4-Zimmer-Wohnung in einem historischen Mehrfamilienhaus in Balgach. «Es gefällt mir sehr. Ich liebe es, wenn es knirscht im alten Haus.» Sie könne sich nicht vorstellen, in einer Neubauwohnung mit Sichtbeton zu leben: «Ich bin ein Altbautyp.» Zuvor lebte sie mit ihrer Familie und den mittlerweile erwachsenen Kindern in einem Haus mit Garten und Katzen.In ihrem Singlehaushalt geniesst Heidi Mettler die Freiheit, nach dem Arbeiten die Füsse hochzulegen. Sie könne sich entspannen und erledige Pflichten wie Putzen oder Kochen, wenn ihr danach sei. Manchmal vermisse sie, dass niemand zu Hause auf sie warte und sie nach der Arbeit in den Arm nehme.Sie ist jedoch nicht allein, sie führt eine Beziehung und trifft sich mit ihrem Partner regelmässig. Auch ihre zwei Katzen leisten ihr Gesellschaft. Die 56-Jährige beschreibt sich als Familienmenschen und kann sich gut vorstellen, mit ihrem Partner dereinst zusammenzuziehen. Nicht fehlen dürften die Katzen. Auch einen Hund würde sie sich wünschen, aber erst, wenn sie nicht mehr erwerbstätig sein wird und Zeit für ein solches Haustier hätte. (lh) «Man kann nie genug Platz haben» [caption_left: Eugen Nobel ist pensioniert und arbeitet gern in seiner Werkstatt.]35 Jahre lang wohnte Eugen Nobel in Speicherschwendi, bis es ihn vor 16 Jahren ins Rheintal nach Lüchingen zog. Mit seiner damaligen Partnerin plante er ein neues Haus, das sie gemeinsam einrichteten und bewohnten. Vor sechs Jahren kam es zur Trennung. Seither wohnt der 80-Jährige allein im Haus. «Ich bin ein spontaner Mensch», sagt er. Diese Spontaneität komme ihm in seiner Freizeitplanung und dem Singlehaushalt entgegen. «Wer allein wohnt, hat viele Freiheiten.»Er richtete sich eine Werkstatt ein, wo er schreinern und «klütteren» kann. «Ich habe immer etwas zu tun.» Wenn er Gesellschaft möchte, besucht er seine Freundin in St. Gallen oder sie kommt zu ihm. Die Wochenenden verbringen sie gemeinsam. «Im Sommer sind wir meist bei mir im Garten, sitzen an der Sonne und grillieren.» Zusammenziehen sei im Moment keine Option. «Es passt so, wie es ist. Wir haben es sehr schön miteinander.»Über zu viel Arbeit im Haus oder die Pflege des Umschwungs beklagt er sich nicht. Im Gegenteil. Man könne nie genug Platz haben, sagt er und lacht. Den gesamten Haushalt erledigt er selbstständig. «Deshalb wird mir nie langweilig.» (hb) «Allein wohnen war eine wichtige Erfahrung» [caption_left: Shirin Peischl arbeitet als Studienkoordinatorin.]Shirin Peischl lebte allein in einem Loft auf 56 m2, bevor sie im April mit ihrem Freund eine 3,5-Zimmer-Wohnung in Balgach bezog. Für sie bietet das Zusammenwohnen als Paar viele Vorteile. Es fallen keine Spesen mehr an, wenn sie sich gegenseitig besuchen, und verschiedene Kosten wie Miete und Internet werden geteilt. Im Haushalt helfen beide mit, was eine Menge Arbeit spart.Nachteile im Paarhaushalt sehe sie eigentlich nicht. Natürlich gäbe es ab und zu Reibereien, die man überwinden müsse. «Man muss lernen, Kompromisse einzugehen. Jedoch können wir über alles reden und uns entgegenkommen.»Auch wenn es der 24-Jährigen gefällt, mit ihrem Freund zusammenzuwohnen, war es für sie eine wichtig Erfahrung, allein gewohnt zu haben. So sei sie dadurch selbstständiger und unabhängiger geworden. Shirin Peischls Ansprüche an ihre Wohnung halten sich in Grenzen. «In erster Linie soll es bei uns gemütlich sein und jeder soll sich wohl fühlen.» Zu zweit sei mehr Platz nötig. Doch wenn es sein müsste, würde sie mit ihrem Freund auch in eine kleinere Wohnung ziehen. Nur auf eine eigene Waschmaschine könnte sie nicht verzichten. (lh)

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