Monika von der LindenSilke Dohrmann ist bekannt als Pfarrerin von Widnau und Kriessern. In ihrer Freizeit legt die Seelsorgerin regelmässig ihre theologischen Bücher aus der Hand und greift zum Pinsel. «Ich wäre gern Malerin oder Zeichenlehrerin geworden», sagt sie. Als sie vor der Berufswahl stand, war es ihr aber nicht möglich, ihre kreative Ader mit ihrem theologischen Interesse zu verbinden. Silke Dohrmann wurde Pfarrerin und Hobbymalerin. Sie hat das Malen stetig weiterentwickelt und Kurse belegt: Ihre Art, die christliche Religion zu vermitteln, beschränkt sie nicht länger auf das Wort, die Verkündigung des Evangeliums gestaltet sie sinnlicher. Zerrbilder der WirklichkeitEin Zimmer im Widnauer Pfarrhaus hat Silke Dohrmann für das Schaffen von Bildern reserviert. Auf der Leinwand steht «Die syrische Maria». Das Acrylbild ist eines der Werke, die Silke Dohrmann an ihrer ersten Ausstellung im Widnauer Kirchgemeindehaus zeigt. Es steht beispielhaft für ihren Malstil. Sie be-zeichnet ihn als empathischen Realismus.Real ist die Vorlage. Auf der Titelseite einer Caritaszeitschrift ist ein syrisches Mädchen abgebildet. Sie steht auf einem Balkon, im Hintergrund die Trümmer ihrer Heimatstadt. Nach sechs Jahren Krieg.Empathisch ist der Blick auf die Vorlagen. Jene von Flüchtlingen erachtet die Malerin als Zerrbilder der Wirklichkeit. «Flüchtlingswerke zeigen meist flüchtende Männer.» Die Hälfte der Flüchtlinge seien aber Frauen. Auf Silke Dohrmann wirken solche Darstellungen oft mitleidig oder gönnerisch. Sie stellt die Realität anders dar. Mit Empathie. Sie fragt sich, wie die Welt um sie herum aussieht. «Lese ich Zeitung, gehe ich in die Begegnung mit dem Foto, interpretiere es und gebe der Botschaft der Abgebildeten mit Farben und Schatten Gestalt.»Die evangelisch-reformierte Kirche kennt ein Bilderverbot. Gläubige sollen dem Wort lauschen und sich nicht vom Bild ablenken lassen. Silke Dohrmann ist in Deutschland lutherisch und mit Bildern aufgewachsen. «Mir ist aber der Blick auf das Leid, wie die katholische Kirche es darstellt, fremd», sagt sie. Es weise nicht in die Richtung der Hoffnung. «Es braucht Bilder, die dabei helfen, die Wirklichkeit anzunehmen und zu gestalten.» Ausserdem animieren Bilder, sich über das Motiv auszutauschen – eine bildnerische Form der Predigt, Fürbitte, Meditation und Begegnung.Eine Ausstellung, wie sie im Kirchgemeindehaus geplant ist, gab es so im Oktober bereits in Bregenz. So wie damals soll die Vernissage erneut ein Gesamtkunstwerk werden: Renate Bauer aus Lochau rezitiert eigene Texte und der in Vorarlberg lebende US-Jazzpianist Peter Madsen spielt live. «In der Bregenzer Seekapelle war die Resonanz auf die Bilder gross», sagt Silke Dohrmann. Geflüchtete Menschen glaubten, sich oder ihre Geschichte in den Darstellungen erkannt zu haben.Silke Dohrmann erhofft sich auch in Widnau, mit Besucherinnen und Besuchern der Ausstellung in Kommunikation treten zu können. Sie möchte Gespräche darüber anregen, wie ihre Gegenüber die Welt sehen und welche Bilder ihnen fehlen. «Ich möchte erfahren, welche Hoffnungszeichen andere Menschen malen würden.»HinweisDie Vernissage zur Ausstellung «Schau mich an» ist am Samstag, 7. November, um 17.30 Uhr im Kirchgemeindehaus in Widnau. Anmeldungen an Nadine Kuster unter Telefon 071 733 20 16 oder via Mail nadine.kuster@refmittel rheintal.ch. Weiter ist die Ausstellung bis zum 1. Advent (29. November) geöffnet, sonntags von 10.30 bis 12 Uhr und werktags von 17 bis 18 Uhr.