03.04.2021

Sie legen für den Osterhasen

Zum Biohof von Sturzeneggers in Wald gehören 2000 Legehennen. Ihre Eier sind seit Corona gefragter denn je.

Von Karin Erni
aktualisiert am 03.11.2022
Kurz vor Ostern trifft bei Bauer Stefan Sturzenegger eine besondere Lieferung ein: In einem temperierten Transporter kommen 4000 frisch geschlüpfte Küken aus dem Kanton Aargau auf seinen Biohof in Wald. Während der Autofahrt zehren sie noch von ihrem Dottersack. «Die Natur hat die Tiere so ausgestattet, dass sie bis zu 48 Stunden ohne Nahrung überleben können», sagt Sturzenegger. Im vor zwei Jahren erbauten Bibelistall wachsen die gelben Flaumbällchen zu Legehennen heran. Am Anfang tummeln sie sich noch in einem kleinen, erhöhten Bereich. Nach und nach nehmen sie den ganzen Stall in Beschlag. «Am Anfang sind Küken sehr temperaturempfindlich. Weil keine wärmende Glucke zur Verfügung steht, muss der Stall auf 33 Grad geheizt sein», erklärt der Bauer. «Die Temperatur wird sukzessive gesenkt. Ab einem Alter von sechs Wochen sind die Junghühner so weit, dass sie in den Auslauf dürfen.» Bei einer von zwei Aufzuchten pro Jahr wechseln 2000 Hühner nach 18 Wochen in den Legehennenstall, der Rest wird an andere Bioeierproduzenten verkauft. Der Stall ist mit einer Voliere ausgestattet, in der die Hennen Wasser, Futter und einen erhöhten Schlafplatz vorfinden. Zudem gibt es eine geschützte Aussenklimazone, wo sie auch im Winter an die frische Luft können. Die Einstreu ermöglicht den Tieren, ihr natürliches Verhalten auszuleben, zu scharren und zu picken – rund 10000-mal pro Tag. «Die Henne muss beschäftigt werden», sagt Stefan Sturzenegger. Er bietet den Tieren mit aufgehängten Strohballen und Pickschalen Beschäftigungsmöglichkeiten.  «Trotz vorbildlicher Haltung kommt es manchmal zu Untugenden unter den Tieren, was dazu führen kann, dass sie im Alter nicht mehr so schön aussehen. Aber warum dieses Verhalten gelegentlich auftritt, weiss man bis heute nicht.»  Die Legehennen haben zwar einen Hahn zur Verfügung. Selber nachzüchten kann Sturzenegger aber nicht. «Legehennen sind Hybriden und werden aus verschiedenen Rassen gekreuzt. Auch das Brüten wäre viel zu aufwendig.» Damit das Huhn fast jeden Tag ein Ei legt, wird die Tageslänge mit Kunstlicht gesteuert. Sobald das Gras auf der Weide genügend gewachsen ist, lässt Sturzenegger die Hennen auf die Wiese, wo sie zusätzlich artgerechtes Futter wie Pflanzen und Insekten aufnehmen können. Der Kunde entscheidet, was produziert wirdDer Biobauer verhehlt nicht, dass die Eierproduktion auch weniger schöne Seiten hat. So werden die Bibeli unmittelbar nach dem Schlupf «gesext». Das heisst, die männlichen Exemplare werden aussortiert. Es gibt ein paar wenige Betriebe, die Zweinutzungsrassen halten, bei denen die männlichen Küken gemästet werden. Jedoch sind die Produktionskosten um einiges höher als die der Eier der Hybrid-Legehenne beziehungsweise des Fleisches der Masthähnchen. Wenn ein grösserer Markt für die Zweinutzungsrasse vorhanden wäre, könnten auch mehr Tiere dieser Rasse gehalten werden, sagt Stefan Sturzenegger. «Der Kunde entscheidet, was der Bauer produziert.»  Nach einem Jahr geht die Legeleistung der Hennen zurück, zudem werden die Schalen der Eier brüchiger. Dann wird der Bestand auswechselt. Dieses Vorgehen hat noch einen anderen Grund: die Saisonalität des Eierabsatzes in der Schweiz. Vor Ostern steigt der Eierbedarf massiv, im Sommer dagegen werden wieder weniger Eier gegessen. Darum wird in vielen Betrieben während der Sommerferien die Eierproduktion heruntergefahren. Die alten Hennen werden geschlachtet und der Stall gereinigt. Der 33-jährige Meisterlandwirt hat mit seiner Frau Nina im Jahr 2016 den 39 Hektar grossen Betrieb von seinen Eltern übernommen. Die beiden haben drei Mädchen. Vater Jakob und Mutter Irene helfen als Angestellte im Betrieb mit. Arbeit gibt es genug. Ein Standbein des Hofs ist Milchwirtschaft und Aufzucht von Rindvieh. Das zweite Standbein, die Eierproduktion, wird seit 1998 auf dem Hof betrieben. Den anfallenden Hühnermist gibt Sturzenegger an Bauern in der Region ab, bei denen die Düngerbilanz dies zulässt. Ein Teil gehe an einen Bioproduzenten im Thurgau, sagt Sturzenegger. «Die Organisation Bio Suisse verlangt, dass die Nährstoffkreisläufe eingehalten werden.» Beim Futter funktioniert das allerdings noch nicht ganz. Die Schweiz produziert weniger als die Hälfte des benötigten Biohühnerfutters selbst. Corona verstärkt Lust auf Bioeier 189 Eier isst jeder Schweizer pro Jahr, und die Nachfrage nach Bioeiern nimmt zu. Corona hat diese Entwicklung noch beschleunigt, denn die Leute wollten oder mussten mehr backen und kochen. Bei den Eiern sind Konsumenten bereit, mehr Geld für Bioqualität auszugeben. Der Marktanteil beträgt knapp 25 Prozent, während es bei den übrigen Lebensmitteln nur gut 10 Prozent sind. Die Bioproduktion wird streng kontrolliert. Es erfolgen jährliche Kontrollen. Neben der Überprüfung von Haltung und Fütterung wird der Bestand mehrmals pro Jahr auf Salmonellen untersucht. Eine Besonderheit ist, dass die Familie Sturzenegger ihre Eier selber abpacken kann. Bei dieser Arbeit ist die ganze Familie involviert.Die Kinder freuen sich über die neuen Bibeli.Die Eier werden geputzt und in die Schachteln abgefüllt. Früher belieferten Sturzeneggers die Migros. Seit dies nicht mehr möglich ist, machen sie die Arbeit für Coop. Ein grosser Teil geht dort als «Ostschweizer Eier» über den Ladentisch. Die Trinkwasser-Initiative, über die im Juni abgestimmt wird, beurteilt Sturzenegger kritisch. «Hühner nur noch mit hofeigenem Futter zu ernähren, ist im Hügelland unmöglich. Hier wächst weder Mais noch Weizen.» Zudem sei Hühnerfutter eine komplexe Angelegenheit. «Das kann man gar nicht selber in der erforderlichen Qualität herstellen.» Die Annahme der Initiative würde zu höheren Lebensmittelpreisen führen, vermutet Sturzenegger und ergänzt: «Bei weniger Produktion im Inland gehen auch Arbeitsplätze und Existenzen verloren. Mehr Lebensmittel zu importieren, von denen man nicht weiss, wie sie produziert sind und woher sie stammen, ist ja auch nicht das, was die Konsumenten wollen.»

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