22.06.2021

Sie lässt Walliser Schulklasse jubeln

Simplon Dorf suchte nach einer Primarlehrerin – lange ohne Erfolg. Bis sich Sara Zwahlen aus Balgach meldete.

Von Gabriela Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Grinsend stehen die sechs Dorfkinder aus Simplon vor dem Schulgebäude und rufen einstimmig in die Kamera: «Dankeschön, juhu!». Zu sehen ist das Video auf der Website und dem Facebook-Profil der Schulen Brig Süd. Sowohl die Primarschüler als auch der Gemeindepräsident Sebastian Arnold haben Grund zum Jubeln: Endlich steht mit der Rheintalerin Sara Zwahlen die Nachfolge für den ab Sommer pensionierten Klassenlehrer fest.Einige Monate zuvor drohte der Klasse noch die Schliessung, denn das Stelleninserat fand keine Interessenten. Einerseits fehle es auf dem Markt derzeit an Lehrkräften, andererseits wirke die Abgeschiedenheit des Bergdorfes abschreckend auf Bewerber, wie der Gemeindepräsident gegenüber dem «Blick» erläutert. Das heimelige Walliser Dörfchen mit seinen rund 300 Einwohnerinnen und Einwohnern befindet sich auf 1476 Metern über dem Meer. Der Weg zur nächstgelegenen Stadt führt über den Simplonpass.Leidtragende der Klassenschliessung wären die Schülerinnen und Schüler gewesen. Zwei Stunden Busfahrt hätten die Dritt- bis Sechstklässler für ihre Grundbildung auf sich nehmen müssen. Bei Lawinengefahr sei die Schule in Brig gar ausschliesslich über Italien zu erreichen, so Arnold. Ein solches Szenario konnte nun durch einen im «Blick» publizierten Hilferuf verhindert werden.Hals über Kopfins AbenteuerNicht nur das Dorf ist erleichtert – auch Sara Zwahlen freut sich über die Anstellung. «Ich hatte ein gutes Gefühl bei der Sache. Es hat einfach alles gepasst», erzählt die Balgacherin. Frisch von der Pädagogischen Hochschule St. Gallen, ist dies die erste Schulklasse, welche die 25-Jährige unterrichten darf. Zurzeit arbeitet die angehende Primarlehrerin auf einem Reiterhof in Balgach. Dort sei eines Tages eine Kollegin auf sie zugekommen, um sie auf den Artikel im «Blick» aufmerksam zu machen. «Die Stelle hat mich sozusagen gefunden», fügt Zwahlen hinzu. Die Chance kam zu einer Zeit, in der sie coronamüde war: «Ich brauchte einen Tapetenwechsel.»Abends zu Hause beschloss sie, eine Nacht darüber zu schlafen. Doch die Entscheidung liess nicht lange auf sich warten. Schon am nächsten Tag verschickte die PH-Absolventin ihre Unterlagen und erhielt prompt die Einladung zum persönlichen Treffen.Von ihrer Mutter begleitet, begab sie sich am vereinbarten Tag auf den Weg ins Ungewisse. Die Region hat Zwahlen im Vorfeld weder besucht, noch gekannt. Im Gespräch legte sich die Nervosität, die sich während der vierstündigen Fahrt aufgebaut hatte, jedoch rasch. Man merke, dass die Schulleitung um das Wohl der Kinder bemüht sei. So ist die Schule mit interaktiven Wandtafeln und iPads technologisch auf dem neuesten Stand. Zwahlen konnte überzeugen, denn die Zusage erfolgte in derselben Woche.Einen idealeren Berufseinstieg kann sich die Balgacherin nicht vorstellen. Bei einer sechsköpfigen Klasse könne man sorgfältiger auf die Bedürfnisse der einzelnen Schüler eingehen und ihre Stärken intensiver fördern. Dank ihres Schwerpunktstudiums in altersdurchmischtem Unterrichten sei sie gut auf diese Aufgabe vorbereitet.Zu ihrem Vorgänger, der nach 39 Jahren in Rente geht, habe sie bereits Kontakt aufgenommen. «Ich werde in grosse Fussstapfen treten», sagt sie. Die Mischklasse sei sehr musikalisch veranlagt – ein Bereich, der ihr weniger liege. Dennoch ist die Neulehrerin entschlossen: «Es gibt noch vieles zu lernen, doch ich werde mein Bestes geben, den Kindern gerecht zu werden.»Im «Blick»-Aufruf äusserten die Acht- bis Zwölfjährigen ihre Wünsche. Am liebsten hätten sie eine junge, lustige, nicht zu strenge und aktive Lehrperson, heisst es in dem Video. «Ich hoffe, dass ich mit meinen 25 Jahren den Vorstellungen entspreche», scherzt Zwahlen. Geduld sei ihre Stärke: «Ich werde so streng sein, wie ich muss, und so locker, wie ich kann.» Ausserdem lache sie viel und mache gerne Sport.Angst zu vereinsamen habe sie nicht. Zum einen seien schon einige Besuche von Eltern, Freunden und Arbeitskolleginnen geplant: «Besonders mein Vater kann es kaum erwarten – er hat sich schon etliche Broschüren angeschaut.» Zum anderen seien die Dorfbewohner sehr zuvorkommend. So habe sie beispielsweise eine Einladung vom örtlichen Volleyball-Verein erhalten. In Simplon fühlt Zwahlen sich bereits wohl: «Das Dorf hat ein Italien-Flair. Ich liebe die Berge und werde dort vermutlich meine Freizeit verbringen.»

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