21.01.2021

Sie kennen die Risiken am besten

Ab Montag dürfen auch Hausärzte impfen. Ihre Kenntnisse entscheiden mit, welche Patienten zuerst an der Reihe sind.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Hildegard BickelIst es der Hausarzt, der die Spritze setzt, fällt es umso leichter, den Oberarm freizumachen. Für zahlreiche Risikopatienten bedeutet der Impfstart bei den Hausärzten einen gewissen Komfort, da Vertrautheit zum medizinischen Personal besteht und Nähe zum Wohnort. Rund die Hälfte der Hausarztpraxen im Kanton St. Gallen, 300 Adressen, beginnen am Montag mit den Impfungen gegen das Coronavirus. Clemens Jäger, Arzt in einer hausärztlichen Gemeinschaftspraxis und am Nierenzentrum in Altstätten, begrüsst es, dass die Impfungen losgehen können. Seit zwei Wochen wird eine Warteliste geführt, bereits sind 200 Namen aufgelistet. Auch die Ärzte in der Gemeinschaftspraxis Gutenberg in Heerbrugg sind bereit. «50 Dosen des Moderna-Impfstoffs sind angekündigt», sagt Martin Rhyner. Die Lieferung gelange zu den Apotheken und könne dort von den Praxismitarbeitenden in Kühlboxen abgeholt werden. Doch nach welchen Kriterien wird nun bestimmt, wer zu den ersten Personen gehört, die eine Impfung erhalten? Auf den Wartelisten sind 65- bis 95-jährige Patienten, die das Kriterium des Alters oder des Risikos erfüllen. Auch auf das Gefühl hörenEntscheidend seien Erfahrungswert und Bauchgefühl, sagt Martin Rhyner. Er stelle sich vor, was dem Patienten bei einer Covid-19-Erkrankung bevorstehen könnte. Zeichne sich ein Hospitalisation oder ein schwerer Verlauf ab, werde ein Impftermin vorgezogen. Medizinische Gründe und Einfluss auf die Lebensqualität der Patienten geben den Ausschlag, nicht etwa, wer dränge. Er fragt: «Wer kann die Risiken der Patienten bes-ser einschätzen als ihre Hausärzte?»Der Ablauf der Impfungen ist straff organisiert. Beginn sei am Montagabend nach den Sprechstunden. Während einer Stunde sollen zehn Personen eine Impfung erhalten. Martin Rhyner spricht von einem Postenlauf, zu dem der Empfang gehöre, ein kurzer Check, die Spritze sowie die Beobachtung der Patienten danach. Das Team sei motiviert und zeige Bereitschaft, abends oder auch samstags zur Verfügung zu stehen. Vorerst dürfte keine Hektik ausbrechen. Die Anzahl von 50 Impfdosen wird innert Wochenfrist gespritzt sein. Danach brauche es wieder Geduld, bis Nachschub geliefert wird. Martin Rhyner bedauert, nicht mehr Impfdosen zu erhalten. Viele Patienten seien impfwillig, sagt er. Meinung des Hausarztes ist gefragt Diesen Eindruck bestätigt Clemens Jäger, Arzt im Nierenzentrum Altstätten. Er werde oft gefragt, ob er sich selber impfen lasse. Überzeugt antworte er jeweils: «Ich möchte gern der Erste sein.» Sobald die Impfung für die breite Bevölkerung möglich ist, lasse er sich auf die Anmeldeliste setzen. Wenn er Patienten vertrösten muss, sagt er: «Wir dürfen froh sein, in einem Land zu leben, in dem man sich impfen lassen kann.» Wartezeiten seien in Kauf zu nehmen. Weil im Nierenzentrum viele gefährdete Patienten behandelt werden, die auf Therapien angewiesen sind, zudem oft über 80 Jahre alt, hätten diese Vorrang.Er gehe davon aus, dass in nächster Zeit viel passieren werde, sobald mehr Erfahrung vorhanden und Engpässe bei den Lieferungen des Impfstoffes aufgehoben sind. Täglich erhalten Hausärzte aktuelle Informationen zum Stand der Dinge, eine E-Mail-Flut nennt es Martin Rhyner, der gleichzeitig den Aufwand des Kantons schätzt. Noch kein Impfzentrum im RheintalEbenfalls können Hausärzte seit Anfang Woche über 80-jährige Personen, die nicht in einem Betagten- oder Pflegeheim wohnen, sowie Erwachsene mit chronischen Krankheiten und besonderen Risiken bei einer regionale Schwerpunktpraxis zum Impfen anmelden. Im Rheintal befindet sich derzeit noch kein Impfzentrum. Doch wer es eilig habe und wem es nichts ausmache in St. Gallen einen Impftermin wahrzunehmen, weise er einer Schwerpunktpraxis zu, sagt Martin Rhyner. Die meisten Patienten würden aber den Hausarzt vorziehen. Für ihn und seine Praxispartner war von Beginn an klar, dass sie die Impfungen durchführen wollen. «Wir sind in der Lage dazu und sehen die Impfung als Dienstleistung am Patienten.»

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