09.08.2018

Sie begrüssen mit Allahs Segen

Bevor am Montag wieder der Unterricht beginnt, gehen die Heerbrugger Primarschülerinnen und Primarschüler in die Kirche. An der Schulstartfeier spielt nebst Liedern und einer Geschichte auch Allah eine Rolle.

Von Hildegard Bickel
aktualisiert am 03.11.2022
Hildegard BickelMit dem Wort «Allah» haben Jürg Lutz und Ronald Kasper keine Mühe. Der Schulleiter und der evangelische Pfarrer sitzen im Gotteshaus und diskutieren völlig entspannt über ein Reizthema. «Im Schlussteil der Feier erhalten die Kinder Gottes und Allahs Segen.» Probleme oder Reaktionen deswegen gab es noch nie. Es zählt der Gedanken des Miteinanders. «Wenn mehr als ein Drittel der Kinder einen muslimischen Hintergrund haben, wollen wir diese Glaubensrichtung anerkennen», sagt Jürg Lutz. Und entschärft: «Wir veranstalten keine Werbeaktion, weder für Christen noch für Muslime oder andere.» Er muss schmunzeln, denn die Vielfalt von Religionen und Kulturen ist für ihn gelebter Alltag. Auf dem Pausenplatz der Heerbrugger Schulhäuser Sonnenberg und Blattacker treffen Kinder aus 24 Nationen aufei­nander. Von ihnen gehört noch ein Drittel dem Christentum an. Pfarrer Ronald Kasper erlebte einen starken Wandel: «Als ich vor 17 Jahren meine Pfarrstelle antrat, waren es noch 80 Prozent.» Fingerspitzengefühl bei der Wortwahl Zur Feier sind ausser den Schulkindern auch ihre Eltern einge­laden. Um niemanden vor den Kopf zu stossen, auch die Konfessionslosen nicht, findet der Anlass in einem respektvollen Rahmen statt. Eine Herausforderung, gibt Ronald Kasper zu. Darum komme Gott genau wie Allah während der Dauer von 40 Minuten sehr diskret vor. Die Verantwortlichen entschlackten die traditionelle Feier schrittweise vom kirchlichen Vokabular. Seit 2015 heisst es nicht mehr Gottesdienst sondern «Schulstartfeier». Statt Fürbitten formulieren die Kinder Wünsche. Die Lehrpersonen haben eine Geschichte zum Thema Mut vorbereitet, ohne direkten biblischen Hintergrund. Alle Anwesenden sollen sich angesprochen fühlen dürfen. Dazu gehört auch, dass Jürg Lutz passende Lieder für die musikalische Begleitung nicht aus dem Kirchengesangbuch auswählt, sondern aus dem offiziellen Lehrmittel. Da stellt sich die Frage, warum denn die Primarschule trotzdem die Räume und das Personal der Kirche in Anspruch nimmt. Der Anlass bleibt in der Kirche«Eine Kirche besitzt eine gewisse Würde», sagt Jürg Lutz. «Die Kinder sind in der Kirche aufmerksamer als in einer Turnhalle.» Es gehe auch darum, die eigene Kultur und Religion nicht zu verleugnen. Spiritualität sei wichtig und müsse sichtbar bleiben. Ronald Kasper wiederum möchte eine Vorbildfunktion wahren. Er freut sich, wenn ihn die Kinder als Kirchenvertreter erkennen. Gleichzeitig öffnet sich die Kirche für Begegnungen, unabhängig davon, welcher Konfession jeder Einzelne angehört. Dieser Weg hat sich bewährt und bekommt den Segen vom Schulrat Au-Heerbrugg. «Die Durchmischung der Religionen ist eine Tatsache», sagt Schulratspräsident Walter Portmann. Kinder haben keine BerührungsängsteEr unterstützt die inhaltliche Form der Feier. «Die Kinder zeigen dabei keinerlei Berührungsängste.» Die Lehrerschaft und Kirchenvertreter freuen sich darauf, am Montag rund 130 Heerbrugger Schulkinder nach den Sommerferien gebührend willkommen zu heissen.

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