19.04.2022

«Sich selbst nicht zu wichtig nehmen»

Zeno Staub ist CEO von Vontobel. Der gebürtige Heerbrugger führt das Investmenthaus trotz grosser Herausforderungen seit 2011 erfolgreich.

Von Interview: Benjamin Schmid
aktualisiert am 02.11.2022
Interview: Benjamin SchmidDie Privatbank Vontobel blickt auf ein erfolgreiches Geschäftsjahr zurück: Sie hat ein Rekordergebnis erzielt. Der Gewinn nach Steuern stieg um 48 Prozent auf 384 Millionen Franken. Seit über zehn Jahren ist der 52-jährige Zeno Staub an der Spitze des Unternehmens. Im Interview verrät er, worüber er lachen kann, wie Glück und Gelegenheit seine Karriere beeinflussten, welche künftigen Herausforderungen im Finanzsektor warten und wie die nachhaltige Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft aussehen könnte. Zeno Staub, welche Erinnerungen verbinden Sie mit dem Rheintal?Zeno Staub: Zürich ist für meine Familie und mich seit vielen Jahren unser Zuhause, aber ich stamme aus dem Rheintal. Dort bin ich aufgewachsen und zur Schule gegangen. Meine Eltern und viele Verwandte leben nach wie vor in der Region. Was ist Ihnen wichtig im Leben? Ich bin dankbar für das Glück, das ich zusammen mit meiner Frau, mit unserer Familie gefunden habe. Ich bin auch dankbar für meine Gesundheit, die es mir erlaubt, ein aktives Leben zu führen. Mir ist es wichtig, einen Beitrag zu leisten, etwas zu bewirken. Ich bin privilegiert, dies beruflich ausleben zu können. Wie bleibt Ihre Work-Life-Balance im Gleichgewicht? Ich erachte die Arbeit nicht als Belastung, sondern als Aufgabe und Teil des Lebens selbst. Sie ist Inspiration und bietet die Möglichkeit, sich im wahrsten Sinne des Wortes nützlich zu machen. Das gilt auch für die Zeit mit der Familie oder Freunden. Auch hier kann man täglich voneinander lernen und sich ab und an auch nützlich machen. Natürlich braucht es einen Ausgleich und man muss sich selbst in der Balance halten. Dazu gehört für mich auch Sport, Lesen und gutes Essen. Worüber können Sie herzlich lachen? Lachen hat etwas Befreiendes. Wir lachen bei Vontobel gern über alles Mögliche. Auch über uns selbst. Man darf sich selbst nie zu wichtig nehmen. Und was geht Ihnen auf die Nerven? Falsche Eitelkeit ist ein schlechter Ratgeber. Ich schätze es nicht, wenn man es sich in der Selbstgerechtigkeit gerne bequem macht. Darf ein Chef Schwächen zeigen? Natürlich. Schwächen sind menschlich, wir sind alle Menschen. Wie gehen Sie mit Schwächen um? Schwächen zu erkennen, hilft uns bei der persönlichen Weiterentwicklung. Bitte beschreiben Sie Ihre Tätigkeit. Darüber könnten wir uns stundenlang unterhalten. Aber ganz kurz gefasst: Als CEO bin ich dazu da, Verantwortung zu übernehmen. Zum Aufgabenprofil eines CEO gehört es, zu koordinieren, die richtigen Fragen zu stellen und zu führen, um die richtigen und besten Mitarbeitenden für das Unternehmen zu gewinnen. Viel Freude bereitet mir darüber hinaus der direkte Kundenkontakt. In diesen Gesprächen bekommt man sehr schnell vermittelt, was man richtig und was man noch besser machen kann. Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie morgens an Ihren Arbeitsplatz kommen? Ganz klar auf die Menschen: auf unsere Kunden, Kolleginnen und Kollegen sowie Geschäftspartnerinnen und -partner. Bei Vontobel unterstützt mich ein grossartiges Team. Haben Sie Ihre Position schon immer angestrebt? Von dem römischen Philosophen Seneca stammt der Satz: Glück ist, was passiert, wenn Vorbereitung auf Gelegenheit trifft. Das trifft auf die meisten Karrieren zu und auch auf meine. Da waren sehr viel Glück und Gelegenheit dabei. Und Menschen, die mich unterstützt haben. Die Vorbereitung habe ich in der Schule und vor allem in St. Gallen an der HSG bekommen. Investieren ist das neue Sparen: Wie kam es dazu und was heisst das für den Finanzplatz? Das seit einigen Jahren anhaltend von politischen Unsicherheiten, Niedrigzinsen und der Pandemie geprägte Umfeld erforderte ein Umdenken. Ein Sparheftli wirft keine Rendite mehr ab. Daher gilt auch im aktuellen Umfeld: Investieren ist das neue Sparen. Nur so können die Anlegerinnen und Anleger ihr Geld gewinnbringend anlegen. Schliesslich zeigt die Vergangenheit, dass die Börsen auf längere Sicht kurzfristige Verluste immer wieder aufgeholt haben. Wie steht es 2022 um den Finanzplatz Schweiz? Der Schweizer Finanzplatz gehört nach wie vor zu den global wettbewerbsfähigsten Finanzzentren und ist weltweit die Nummer 1 in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung. Er bietet zudem erstklassige Rahmenbedingungen für digitale Innovation und ist international vorbildlich reguliert. Welche Regulierungen fordern Vontobel am meisten heraus? Wir sehen die vorbildliche Regulation unseres Heimmarktes Schweiz als Chance für den langfristigen Erfolg unserer Branche. Kommt es auf dem Finanzplatz zu einer Disruption der etablierten Banken durch digitale Währungen und Big Tech? Wir sind überzeugt, dass unser Geschäftsmodell – wir sind ein Investmenthaus – auch in Zukunft stark nachgefragt sein wird. Aber wir bleiben nicht stehen, sondern nutzen technologische Möglichkeiten gezielt für ein besseres Kundenerlebnis, neue Services oder neue Anlagemöglichkeiten. Wie schützt sich Vontobel vor Cyberangriffen? Wir haben ein sehr ausgeklügeltes Schutzdispositiv, in das wir seit Jahren regelmässig und konsequent investieren. Dieses wird laufend weiterentwickelt. Die Kolleginnen und Kollegen in diesem Bereich beobachten genau, wo neue Gefahren herkommen könnten, um vorbereitet zu sein. Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag mit der Pandemie verändert? Uns war es wichtig, ständig in Kontakt mit unserer Kundschaft und unseren Mitarbeitenden zu stehen, so wie wir es vor dem Ausbruch der Pandemie auch gemacht haben. Dank der Technologie hat das sehr gut funktioniert. Aber ich bin froh, dass wir uns jetzt wieder vor Ort sehen können. Eine Videokonferenz ist gut für einen Informationsaustausch, aber sie ersetzt nur bedingt das persönliche Gespräch, bei dem man den Menschen wirklich spüren und damit viel besser verstehen kann. Wie werden Gender- und Diversity-Fragen geregelt? Bei Vontobel schätzen wir den vielstimmigen Dialog in unseren Teams. Wir streben danach, in all unseren Geschäftseinheiten Talente unterschiedlichen Alters und Geschlechts, mit vielfältigem Erfahrungshorizont und verschiedenen kulturellen Hintergründen zu engagieren und zu fördern. Wir sind überzeugt, dass diese Vielfalt an Blickwinkeln zu einem besseren Verständnis der Bedürfnisse unserer Kundschaft führt und wir so einen höheren Mehrwert für sie schaffen können. Wir legen aber auch sehr viel Wert darauf, dass diese diversen Teams unsere gemeinsamen Werte und Überzeugungen teilen und mittragen. Was unternehmen Sie, um Talente an Bord zu holen und zu halten? Bei Vontobel gestalten wir die Zukunft aus eigener Hand. Wir schaffen Chancen und verfolgen diese entschlossen. Wir beherrschen, was wir tun – und tun nur, was wir beherrschen. Und wir sehen, dass dieses Credo die Leute motiviert, sich bei uns zu bewerben und bei uns einzusteigen. Wie engagiert sich das Unternehmen für Umweltschutz und Nachhaltigkeit? Als global agierendes Investmenthaus sehen wir es als unsere Verantwortung, unseren Beitrag an die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu leisten und bei der zukunftsorientierten nachhaltigen Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft eine aktive Rolle zu spielen. Das tun wir als Unternehmen, in dem wir bereits seit 2009 klimaneutral sind. Als Investor gehören wir zu den Pionieren von Anlageprodukten, die Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen. Bereits 1998 haben wir zusammen mit Raiffeisen das erste ESG-Produkt auf den Markt gebracht.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.