03.06.2022

Serientäter dank Kameras gestoppt

Ein Rumäne, der bei Graz zu Hause ist, hat Dutzenden Snack- und Heissgetränke-Automaten nachts das Geld entnommen. Er verwendete stets einen Passepartout. Auf dem Kriessner Autobahnrastplatz war er besonders fleissig.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Nachdem er siebenmal auf dem Rastplatz Kriessern West und fünfmal auf dem Rastplatz Ost das Kässeli der hier stehenden Automaten geleert hatte, wurde die Überwachung beider Rastplätze angeordnet. Zum Einsatz kamen Überwachungskameras sowie eine Anlage zur automatischen Fahrzeugfahndung und Verkehrsüberwachung. Die gleiche Falle wurde auch auf dem Gossauer Autobahnrastplatz Wildhus gestellt.Sicher über sechzigmal ein Kässeli geleertDer 47-jährige Dieb soll bei Graz in geordneten familiären Verhältnissen leben und als Maler und Isolierer schwarzgearbeitet haben. Der Staatsanwalt, der den Mann in dessen 141-tägiger Untersuchungshaft etwas näher kennenlernte, nimmt an, dass der Rumäne eine ordentliche Anstellung vorzöge.Im Gegensatz zu dieser Vermutung ist das strafbare Wirken des Familienvaters in der Ostschweiz erwiesen. Der Mann hat sicher über sechzigmal die Kässeli von Selecta- und Lavazza-Automaten geleert, darunter je einmal in Heerbrugg und Rebstein, auf dem Bahnhofareal, und insgesamt 14-mal auf dem Kriessner Rastplatz.[caption_left: Tatort:  Selecta- und Lavazza-Automat auf dem Autobahnrastplatz Ost. (Bild: gb) ]Unter den vielen weiteren Tatorten, wo er sich teilweise mehrfach bereicherte, sind beispielsweise Goldach, Bruggen, Muolen, Erlen, Egnach, Eschenz, Etzwilen oder Islikon.Staatsanwalt sprach von «Spitze des Eisbergs»Der Dieb sei nicht nur in den Kantonen St. Gallen, Thurgau, Schaffhausen und Zürich auf Diebestour gewesen, sondern dürfte auch in den Kantonen Aargau, Solothurn und Bern viele Automatenkässeli geleert haben. Dies sagte der Staatsanwalt am Mittwoch vor dem Kreisgericht Rheintal, wo der Fall verhandelt wurde. Der Täter war von der Verhandlung dispensiert, ein amtlicher Verteidiger hat ihn vertreten. Auch dieser sprach von «Aktenspuren aus anderen Kantonen», während der Staatsanwalt so weit ging, bei den vor Gericht gelangten Taten von einer «Spitze des Eisbergs» zu reden. Der Dieb selbst hatte zugegeben, auch in anderen Kantonen auf die gleiche Weise vorgegangen zu sein. Dass es überhaupt zur Anklage und zur Strafverfolgung kam, soll einem Selecta-Mitarbeiter zu verdanken sein. Statt den Aufwand zu scheuen, den eine Anzeige mit sich bringt, lag ihm daran, das kriminelle Handeln des Diebes zu beenden. In anderen Kantonen soll die Bereitschaft zur Strafverfolgung auch bei den hierfür zuständigen Behörden sehr schwach ausgeprägt oder sogar inexistent gewesen sein.Sogar der amtliche Verteidiger hatte für die konsequente Strafverfolgung durch die St. Galler Staatsanwaltschaft das Adjektiv «vorbildlich» übrig. Der Verteidiger bemerkte, es sei «schon klar», dass sein Mandant «Unfug getrieben hat in der Schweiz».Weil der Dieb professionell und systematisch vorging und das Geld aus den Automaten dem Lebensunterhalt diente, war der Mann wegen gewerbsmässigen Diebstahls angeklagt.Die schlimmste Strafe dürften die Kosten seinDie Verhaftung gelang am 13. Juni 2019, nachdem der Täter während zehn Monaten auf Rastplätzen und Bahnhöfen unbehelligt seiner kriminellen Beschäftigung nachgegangen war. Mit zunehmender Haftdauer verwandelte sich das anfängliche Leugnen in Kooperationsbereitschaft, wobei der Dieb schliesslich viel mehr zugab, als sich ihm hätte nachweisen lassen.Der Gesamtbetrag, den der Rumäne Selecta gestohlen hat, dürfte bei rund 15000 Franken liegen. Das Gericht erachtet zwar die Grössenordnung als plausibel, hat die Forderung mangels Genauigkeit jedoch auf den Zivilweg verwiesen. Zur Durchsetzung der Forderung ist somit ein Zusatzverfahren erforderlich.Aus strafrechtlicher Sicht waren von der Staatsanwaltschaft 14 Monate Gefängnis bedingt, bei einer Probezeit von drei Jahren, gefordert worden, was dem Gerichtsurteil entspricht. Eine Landesverweisung ist angesichts der Taten obligatorisch und wurde vom Gericht auf die verlangten fünf Jahre festgesetzt. Die beantragte Busse von 700 Franken hielt der Verteidiger (der acht Monate bedingt für angemessen gehalten hätte) für keine so gute Idee, zumal bei Nichtbezahlen ein Inkasso im Ausland nötig würde. Das Gericht indessen sprach sogar eine Busse von 900 Franken aus. Die letztlich schlimmste Strafe dürften – wie so oft, wenn ein Gerichtsverfahren nötig wird – die ganzen Kosten sein, die der Dieb zu tragen hat. In diesem Fall summieren sich Verfahrenskosten, Gebühren und Anwaltskosten auf fast 40000 Franken – die Forderung der bestohlenen Firma nicht eingerechnet.

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