01.07.2019

Seitenblick: Achtung, Koffer!

Ein verwaister Koffer am Bahnhof: Vergessen? Oder hat da wer Übles im Sinn?

Von Benjamin Schmid
aktualisiert am 03.11.2022
Letzthin sass ich im Warteraum in St. Margrethen und erblickte einen herrenlosen Koffer. «Gehört der Koffer ihnen?», fragte ich den ersten, der eintrat. «Nein», antwortete dieser und auch die nächsten Eintretenden waren nicht die Besitzer. Ich dachte mir, wie ärgerlich für den Inhaber des Koffers. Es ist immer mühsam, wenn man etwas verliert oder vergisst. Da sich keiner der Anwesenden anschickte, den Koffer sein Eigentum zu nennen, entschloss ich mich, den Fund einem Zugbegleiter zu melden. Etwas irritiert von meiner Frage, was ich damit machen solle, antwortete der Kondukteur: «Ich schaue ihn mir später einmal an und melde ihn beim Fundbüro.» Als ich wieder im Wartesaal Platz nahm, fragte mich jemand, was mit dem Koffer sei, und ich gab die Antwort des Zugbegleiters wieder. Mittlerweile waren weitere Leute dazugestossen und diskutierten über Herkunft und Inhalt des Koffers. Bald äusserte jemand den Verdacht, es könnte sich auch um eine Bombe handeln. Die Gesichter der Diskutierenden bekamen einen erschrockenen Ausdruck; verflogen waren die Leichtigkeit des Seins und die Freude am schönen Tag. Wurde der Koffer willentlich deponiert, weil er gleich detoniert oder steckt nichts dahinter?Glücklicherweise fuhr mein Zug ein, also konnte ich mich aus dem Staub machen und in Sicherheit bringen. Doch sofort kreisten meine Gedanken wieder um den ominösen Koffer. «Es ist schon seltsam, schau ich mir diese Welt an.» Was ist nur geschehen, dass wir im beschaulichen Rheintal Angst vor Terrorismus und Bombenanschlägen haben, nur weil wir einen herrenlosen Koffer rumstehen sehen? Wer Wind sät, wird Sturm ernten und wer Angst schürt, fürchtet sich vor herumstehenden Koffern an Bahnhöfen, an Weihnachtsmärkten oder Musikfestivals.

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