Monika von der LindenHören manche Rheintaler von der Ortschaft Kerpen, denken sie an die Rennfahrerlegende Michael Schumacher. Das nordrhein-westfälische Städtchen hatte einen älteren Schuhmacher. Adolf Kolping wurde im Jahr 1813 in Kerpen geboren und erlernte als Dreizehnjähriger das Handwerk. Seinerzeit brachen die Zünfte ein und viele Handwerker mussten umherziehen, um fernab der Heimat Arbeit zu finden. Auf seiner Wanderschaft als Schuhmacher erlebte Adolf Kolping das Elend der Gesellen. Bald bildete er sich zum katholischen Theologen weiter, empfing im Januar 1845 die Priesterweihe und wirkte als Kaplan in Wuppertal-Elberfeld, dem Symbol der Industrialisierung.28. Juni 1868: Gründung der Kolpingfamilie AltstättenIm Januar 1849 gründete Adolf Kolping in Köln den ersten Gesellenverein. Aus ihm erwuchs das Kolpingwerk, das heute in 61 Ländern vertreten ist und etwa 450000 Mitglieder hat.Am 28. Juni 1868 versammelte in Altstätten Kaplan Josef Severin Vettiger dreissig Gesellen. Unter ihnen waren einige Zugewanderte. Sie und ihre Meister vermochten die letzten Zaudernden zu überzeugen, dass es nötig war, den ortsansässigen und durchreisenden Handwerkern eine Bildungsstätte und eine Bleibe zu bieten. Das war die Geburtsstunde der Kolpingfamilie Altstätten.«Nächstenliebe war Adolf Kolpings Antrieb», sagt Peter Legnowski. Als Präses ist er seit zwei Jahren einer der Nachfolger Vettigers. Kolping habe mit den Gesellenvereinen einen Gegenpol zum damals aufkommenden Sozialismus und Kommunismus setzen wollen und die sich daraus ergebenden sozialen Probleme bewältigen. «Er war Ideengeber der heute etablierten christlichen Soziallehre.» Den Gedanken der Nächstenliebe hat die Kolpingfamilie Altstätten in den vergangenen 150 Jahren gepflegt. Heute treffen sich die Mitglieder, um miteinander gesellige Stunden zu verbringen, Sport zu treiben, spirituelle Erlebnisse zu teilen und sich zu bilden. «Mir ist aufgefallen, dass man sich nicht nur zu einem Höck trifft, sondern sich umeinander sorgt», sagt der geistliche Begleiter.Vor zwei Jahren hat sich Peter Thür als frisch gewählter Präsident den Zielen verschrieben, die etwa sechzig Personen umfassende Gemeinschaft weiter zu stärken und neue Mitglieder zu gewinnen. «Ich möchte, dass man wieder mehr von uns redet», sagt er, den Peter Legnowski als «Galionsfigur» bezeichnet. Von sich reden machen und eine grosse Gemeinschaft zu pflegen sind Gründe, warum der Verein Kolpingfamilien aus der ganzen Schweiz eingeladen hat, um das 150-Jahr-Jubiläum am 24. Juni mitzufeiern. Dazu gehören auch die jüngeren Kolpingfamilien Hinterforst und Widnau.In etwa zwei Jahren geht der Mesmer Peter Thür in Pension und möchte auch dann noch etwas mit den Kirchgängern zu tun haben. «Wir sind Teil der Pfarrei und sind im ganzen Land mit unseresgleichen verbunden», sagt er. Zum Beispiel tragen die Altstätter etwas zum Gelingen der Hilfsprojekte bei, die der nationale Dachverband lanciert.«Unser Kapital ist die Lebens- und Berufserfahrung unserer Mitglieder», sagt Peter Legnowski. Der ganze Verband habe den Fehler gemacht, dass er dieses Kapital nicht zur Gewinnung von Mitgliedern eingesetzt habe. Der Präses äussert als seine Vision, dass im Beruf erfahrene Mitglieder in einer Art Tandem Berufseinsteiger begleiten könnten, auch wenn sie keine Mitglieder sind. Dies entspräche dem sozialen Anliegen Adolf Kolpings und sei diskussionswürdig, sagt der Präsident.Peter Thür möchte den Mitgliedern das Gefühl geben, dazu zu gehören und durch die spirituelle Begleitung einen Beitrag zu deren seelischer Gesundheit zu leisten. Peter Legnowski spannt dazu einen Bogen aus der Historie: Als viele St. Galler nach Genf gingen, um das Uhrmacherhandwerk und Französisch zu erlernen, fanden sie bei Kolpingbrüdern Unterschlupf. Einträge in persönlichen Wanderbüchlein zeugen davon. «Sie bekamen konkrete Hilfe, bis zur medizinischen Versorgung», sagt Peter Legnowski. Krankenpfleger kümmerten sich um die Gesundheit der Gesellen. Die Kolpingfamilie hat sich der Zeit angepasst und ihre Hilfe von einer materiellen in eine geistige gewandelt.Im Frühling verteilte Kolping Schweiz Sonnenblumensamen an Mitglieder. «Meine Saat ist bereits aufgegangen. Ich wünsche mir, dass unsere Kolpingfamilie wächst und prächtig wie eine Sonnenblume blüht», äussert Peter Thür seinen Wunsch zum 150-Jahr-Jubliläum.HinweisDas Jubiläum 150 Jahre Kolpingfamilie Altstätten wird am Sonntag, 24. Juni, gefeiert. Es beginnt um 8 Uhr im Pfarreiheim mit Kaffee und Gipfeli, der Festgottesdienst ist um 9.30 Uhr in der katholischen Kirche, um 12 Uhr gibt es Mittagessen im «Sonnen»-Saal. Der Jodlerclub Altstätten und das Rheintaler Kinderjodlerchörli gestalten das Fest mit.