Gert BrudererVon dem Vorwurf, die männlichen Ferkel seien teils ohne Narkose kastriert worden, ist der Rentner zwar freigesprochen worden, ebenso der Mitarbeiter, der fürs Kastrieren zuständig war. Das Gericht erachtet eine Schuld als unzureichend nachgewiesen.Dennoch geht der einstige Chef nicht ohne Strafe aus. Denn wiederholt wurden kranke oder verletzte Mastschweine von ihren Artgenossen nicht getrennt, sodass sie über eine längere Zeit deren Attacken ausgesetzt waren. Zwei Fachexperten des kantonalen Amtes für Veterinärwesen dokumentierten unter anderem angebisse-ne Schwänze, Entzündungen sowie nekrotische und blutende Schwanzenden. Ein Vormastschwein bewegte sich nur hüpfend weiter, ein anderes war hinten gelähmt.Dass Schweine sich gegenseitig verletzen und zum Beispiel Schwänze fressen, ist ein bekanntes Problem, das verschiedene Ursachen haben kann. Tritt das Problem auf, liegt es am Tierhalter, etwas dagegen zu unternehmen.Zu wenig Platz und teils kein WasserDer ehemalige Betriebsleiter wurde wegen der Vernachlässigung der Tiere sowohl der mehrfachen fahrlässigen Tierquälerei, als auch der mehrfachen vorsätzlichen Tierquälerei schuldig gesprochen. Er hat sich zudem der mehrfachen vorsätzlichen Übertretung des Tierschutzgesetzes schuldig gemacht.In zwei Buchten stand den in ihnen untergebrachten Ferkeln eine Grundfläche von 0,26 statt 0,3 m2 zur Verfügung, sodass die Buchten überbelegt waren. Die kantonalen Kontrolleure stellten zudem fest, dass ein Teil der Galtsauen kein Beschäftigungsmaterial zur Verfügung hatten und zum Zeitpunkt der Kontrolle mindestens zehn Muttertiere über kein Wasser verfügten. Die Vertreter des Veterinäramts, die vor Gericht als Zeugen auftraten, hatten auch das Raumklima beanstandet. Der angeklagte Ex-Chef kommentierte die ihm mit Fotos vorgehaltenen Verletzungen an den Schweineschwänzen mit den Worten «Dia gfalled mer o nöd, da isch klar» und räumte ein, die verletzten Tiere «wären zu separieren gewesen». In einem Fall begründete er die Unterlassung mit seiner Abwesenheit, ein andermal habe es für eine Separierung am hierfür nötigen Platz gefehlt. An anderer Stelle entgegnete er auf den Vorwurf, die verletzten Tiere seien einfach ihrem Schicksal überlassen worden, «Ma hät immer öppis gmacht». Gemeint war: Zumindest sei der Schwanz mit einer schmerzlindernden, die Heilung fördernden Salbe eingeschmiert worden, bei Bedarf hätten die Tiere zusätzliches Stroh erhalten und einen Teil der Schweine habe man aus der Gruppe genommen.Die Überbelegung von Buchten gab der Angeklagte ebenfalls zu, doch sei das nur vorübergehend und nur kurz der Fall gewesen. Ähnlich äusserte er sich zu dem Wasser: Vielleicht habe es mal eine Stunde keins gehabt, man könne ja nicht alle fünf Minuten nach dem Wasser schauen.Die Staatsanwaltschaft sprach von einer grobfahrlässigen Vernachlässigung der Tiere und beklagte eine «Gleichgültigkeit gegenüber dem Tierwohl».Menge der Narkotika nicht klar erhobenDass gut 8600 männliche Ferkel bei unzureichender Narkose kastriert worden seien, bestritten der für die Kastration zuständige Mitarbeiter und sein Chef.Die Staatsanwaltschaft hatte die ihres Erachtens zu geringe Menge an bezogenen Betäubungsmitteln mit früher bezogenen Mengen verglichen und daraus gefolgert, dass nicht genug Betäubungsmittel zur Verfügung standen. Wie viel vom Narkotikum allenfalls noch vorrätig gewesen war, wurde nicht erhoben. Kommt hinzu, dass die Aussagen über die nötige Menge pro bestimmter Anzahl Ferkel in Fachpublikationen stark auseinandergehen und ein von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenes Gutachten zum Schluss kam, die vorhandenen Betäubungsmittel könnten für die zureichende Betäubung aller Ferkel genügt haben.Allerdings sticht eine Aussage des aus dem Osten stammenden, 2008 in die Schweiz gekommenen Mitarbeiters in einer Einvernahme hervor. Er hatte gesagt, zum Teil sei ohne Betäubung kastriert worden.Schuldeingeständnis zurückgenommenVor Gericht bezeichnete er jene Aussage als falsch; er habe nie auf die Narkose der Tiere verzichtet. In der Einvernahme habe er eine falsche Angabe gemacht, weil er gefürchtet habe, seine Arbeit zu verlieren. Er sagte: «Ich habe gelogen, weil ich nicht wusste, was für mich besser wäre.»Eine Richterin wunderte sich. Sie fragte, wie er auf die Idee habe kommen können, den Job zu verlieren, wenn er korrekt gearbeitet habe. Der Angeklagte entgegnete: «Ich hatte einfach Angst.» Die belastende frühere Aussage erachtete das Gericht als nicht verwertbar – weil die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten falsche Zahlen vorgelegt habe (wobei das Gericht der Behörde keine schlechte Absicht unterstellt).Verfahren dauerte «übermässig lange»Der Anwalt des ehemaligen Betriebsleiters kritisierte die «übermässig lange Verfahrensdauer» von über sechs Jahren. So sind denn auch zwei Delikte bereits verjährt. Der Anwalt meinte weiter, die Anklageschrift genüge «dem Anklageprinzip in keiner Weise». Auch am Veterinäramt liess er kein gutes Haar. In einer Pause fixierte er den Amtstierarzt mit geballter Faust und starrem Blick aus kurzer Distanz so lange, dass es dem Mann sichtlich unangenehm war.Aus der staatsanwaltlich beantragten bedingten Gefängnisstrafe von eineinhalb Jahren für den ehemaligen Betriebschef wurde nichts. Das Gericht verurteilte ihn «nur» zu einer bedingten Geldstrafe von 6500 Franken, bei einer zweijährigen Probezeit.Zu bezahlen ist hingegen eine Busse von 1300 Franken. Dazu kommt ein Viertel der Verfahrenskosten, also rund 1700 Franken. Für seine Verteidigung wird der Angeklagte vom Staat mit über 15000 Franken entschädigt.Straffrei geht der Mitarbeiter aus. Die Kosten für das Verfahren sowie die Verteidigung, total gut 18000 Franken, trägt der Staat.