21.06.2020

Schülern die Welt gezeigt

Mit Hubert Lehner geht der letzte Lehrer in Pension, der die Anfangszeit der Diepoldsauer Oberstufe miterlebte.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Eine Kernfrage in jener Anfangszeit lautete: Soll die Schule ein Kopiergerät anschaffen? Oder genügt der Matrizendrucker, der unter Verwendung eines Lösungsmittels mit unverwechselbarem Geruch zum Einsatz kam? Die Schule setzte ganz auf Fortschritt und leistete sich ein Kopiergerät. Der technische Fortschritt seither wirkte sich grossteils entlastend aus. Der Beamer verdrängte das Episkop in den Keller und dürfte bewirkt haben, dass das Episkop den Jungen selbst als Wort kaum noch geläufig ist.Für Filmvorführung war Kurs nötigAmüsiert spricht Hubert Lehner von der Prozedur, der sich ein Lehrer einst zu unterziehen hatte, wollte er der Klasse einen Film vorführen. Bevor erstmals eine gewünschte Filmrolle erhältlich war, musste ein Kurs besucht werden. Der Verleiher wollte sichergehen, dass der Lehrer mit der Technik klarkam und ganz sicher nichts beschädigt würde.Wie die Jugendlichen heute Vorträge gestalten, geschickt Fotos in einen Text integrieren und die Möglichkeiten zeitgemässer Programme wie Power Point nutzen, sei einerseits sehr beeindruckend, sagt Hubert Lehner. Anderseits habe das Internet den hohen Wert des Erzählens geschmälert. Hingen Schüler früher gebannt an den Lippen des Lehrers, der ihnen zum Beispiel ein Land näherbrachte, kennen sie heute schon alles, sei es von Streifzügen durchs Netz oder von eigenen, letztlich aber doch flüchtigen Urlaubsreisen.Schöne Aufenthalte im NationalparkGing es früher um die Planung einer Klassenreise, war die Zielbestimmung Lehrersache. Indem die Jugendlichen mit der Zeit ein Mitspracherecht eingeräumt bekamen, litt die Offenheit für wirklich Unbekanntes. «Vergnügen vor Entdeckungslust» dürfte das Motto lauten, nach dem Schülerinnen und Schüler verfahren. Hubert Lehner hat jedenfalls die Erfahrung gemacht, dass manch interessantes Ziel von vornherein ausser Betracht fällt, bestimmen die Schüler mit.Zwei von drei Lagern im Nationalpark erlebte der Lehrer als besonders schön. Beim dritten Mal jedoch, vor ein paar Jahren, verbrachte die Parallelklasse die Zeit im Tessin, was mit Nebengeräuschen verbunden war. Die Klasse Hubert Lehners kam sich benachteiligt vor und haderte mit ihrem Schicksal.«Jo nümme mit em Lehner»Für Hubert Lehner, den in Rhein-eck aufgewachsenen einstigen Jungwachtleiter, waren Lager in aller Regel ein prächtiger Höhepunkt. Der einwöchige Arbeitseinsatz am Brienzersee zugunsten eines Bergwaldprojekts war allerdings anforderungsreich. Von der Unterkunft führte ein steiler, beschwerlicher Weg zum Arbeitsort, was sich herumsprach. Hubert Lehner wirkt belustigt, als er sagt: «Z’ Diepoldsau hät’s gheisse: Gönd jo nümme mit em Lehner in en Arbetsiisatz, ‘s isch uh streng.» Er meint jedoch, im Rückblick leuchte sicher auch die Berner Woche angenehm. Auch an eintägige Arbeitseinsätze denkt Hubert Lehner mit Freude zurück; dreimal war er mit Schülerinnen und Schülern im Münstertal, um eine Alpweide von Stauden zu säubern.Das Diktat des lebenslangen Lernens gilt vielleicht für niemanden so sehr wie für den Lehrer und die Lehrerin. Übernahm Hubert Lehner eine neue Klasse, um mit ihr den dreijährigen Weg bis zum Übertritt in die Lehre zu beschreiten, konnte sich am Ende viel grundlegend geändert haben. Schon war wieder eine neue Software kennenzulernen, schon wieder ein neues Gerät unter Kontrolle zu bringen. Es ging aber nicht nur darum, sich neues theoretisches Wissen anzueignen, sondern auch die Form des Unterrichts neuen Erkenntnissen oder Vorgaben anzupassen, was zwangsläufig nicht ausnahmslos Freude bereitete.Dass Hubert Lehner dem Oberstufenzentrum Kleewies während 38 Jahren die Treue hielt, liegt an der Übersichtlichkeit und familiären Atmosphäre. Stets gingen um die 200 Jugendliche in diesem schön gelegenen, hellen Gebäude zur Schule. Hubert Lehner schätzte es, mit dem Velo zur Arbeit zu fahren, und kannte stets viele Eltern von Jugendlichen, bevor sie zu ihm kamen.Doch so gern der Vater zweier Kinder unterrichtete, stets gab es für ihn auch noch Aufgaben in der Erwachsenenwelt und ausserhalb der Schule. Bis zur Einführung des neuen Lehrplans war er während eines Jahrzehnts in der Junglehrerausbildung tätig gewesen, indem er angehende Lehrkräfte als Praktikanten betreute.Bis 2011 wirkte er während zwölf Jahren als Präsident der Katholischen Kirchgemeinde Diepoldsau-Schmitter, in den letzten sieben Jahren gehörte er dem Vorstand des kantonalen Turnverbandes an. Nun, da er in Rente geht und neue Zeit gewinnt, legt er zugunsten der Allgemeinheit einen Zacken zu. In Zukunft betätigt er sich für den grössten Sportverband des Kantons als dessen Präsident.Zweittext:Abschied von vier LehrkräftenDie Diepoldsauer Oberstufe verliert diesen Sommer gleich vier langjährige Lehrkräfte. Am längsten war Hubert Lehner dabei. Während 38 Jahren unterrichtete er Mathematik, Natur und Technik (Chemie, Biologie, Physik) und Werken; in den ersten zwei Jahrzehnten seiner Lehrertätigkeit in Diepoldsau gingen viele Jugendliche zu ihm auch in den Geografie-Unterricht. Rainer Lipp blickt auf 32 Jahre am Oberstufenzentrum Kleewies zurück. Zuvor war er für jeweils wenige Jahre an der Realschule Balgach und an der Realschule in St. Margrethen tätig gewesen. Rainer Lipp hat den Ruf des Realschul-Allrounders, der fast alle Fächer schon unterrichtet hat. Im Vordergrund standen für den Informatikverantwortlichen die Fächer Werken, Medien und Informatik.Meinrad Durot unterrichtet Deutsch, Französisch, Latein, Geschichte und Geografie. Bevor er 2001 in Diepoldsau begann, war er elf Jahre am Gymnasium Marienburg in Rheineck tätig, davor hatte er ebenso lange in Walzenhausen unterrichtet.Britta Lüchinger wirkt an der Diepoldsauer Oberstufe seit 2003 in einem Teilpensum für Handarbeit und Textiles Werken. Zuvor war die Lehrerin zwölf Jahre an der Primarschule Balgach tätig gewesen.

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