03.05.2018

Schrott, wundersam verwandelt

Aus dem Stegreif hat Josef Kuster ein strassentaugliches Elektrofahrzeug gebaut. Sogar eine Fahrgastdurchsage gibt’s: «Iistiege, Platz neh, bitte.»

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Gert BrudererDer 71-Jährige, der als Touring-Sepp bekannt ist, hat schon viele aufsehenerregende Fortbewegungsmittel gebaut. Schrott erlebt dank Kusters Händen immer wieder eine wundersame Verwandlung. Neu zusammengesetzt und auf Hochglanz poliert, bilden auch jetzt viele alte Gegenstände ein eindrückliches Fahrzeug, das aussieht, als käme es aus der Fabrik. Doch Kusters Kreationen sind ausnahmslos Unikate.Abfälle und EinzelanfertigungenDer Vergleich mit dem berühmten Schweizer Künstler Jean Tinguely (1925 bis 1991) hinkt nur aus einem Grund: Tinguely baute bewegliche, maschinenähnliche Skulpturen, Kusters «Kunst» hingegen geht weit übers Spielerische hinaus, denn was er baut, ist stets ein funktionstüchtiges Transportmittel.An seinem soeben fertig gewordenen Elektrocabrio sind nur die Räder, die Motorhaube und ein Teil des Antriebs gekaufte Neuteile. Der Rest besteht aus Laserabfall und selbst entworfenen Einzelanfertigungen.Alles ohne Plan gebautAngefangen hat Touring-Sepp mit den vier Rädern. Ohne Plan baute er sich ein Jahr lang ohne Plan nach oben, bis sein neuer Wagen fertig war – in solider, verkehrssicherer Bauart.An dem Elektrocabrio findet sich viel Interessantes, das von der gewohnten Liebe zum Detail zeugt. Beidseitig wurde vorn ein Kaffeemaschinensieb verbaut (dem man die Herkunft nun wirklich nicht ansieht), die Lenkung mit Kette und Untersetzung ist ausgeklügelt, die elektrische Wirbelstrombremse einzigartig. Aus einem ausziehbaren Scheibenwischermotor mit Winkelgetriebe besteht der Rückwärtsgang.Die Kabel sind im Rahmen hochgezogen, alle gut versteckt, je eine Batterie ist eingebaut fürs Fahren und für alles andere: für Blinker, Hupe, Licht und Rückwärtsgang.Klingel, Hupe, Ansage: Alles vorhandenIm Dorf wird man Josef Kuster in der warmen Jahreszeit wohl ab und zu mit seinem neuen Cabrio antreffen können. Es schnurrt wie ein Kätzchen, was eine kleine Spielfigur neben dem rechten Vorderrad – eben ein Kätzchen – veranschaulicht. Die bequemen, gefederten Sitze stammen aus dem Brocki, zehn Franken hat jeder gekostet. Klingel, Hupe, Ansage – alles ist vorhanden, als wär Kusters Cabrio ein Schienenbus.Bisher hatte Sepp Kuster ausschliesslich Benzinmotoren verwendet. Eine kleine Anspielung hierauf findet sich beim Elektrocabrio hinten rechts. Dort ist ein kleiner, silbrig glänzender Auspuff angebracht. Sepp Kuster bemerkt lächelnd: «Bloss eine Attrappe.»Das Tempo? «Stramme 25 Stundenkilometer.» Der Service? Alles andere als eine Hexerei, denn jedes Bauteil ist leicht zugänglich und bei Bedarf in kürzester Zeit auswechselbar.Ein grosser Spass für die EnkelDas kleine Kätzchen hat der Tüftler und Fahrzeugerbauer der Spielzeugtruhe der Enkelkinder entnommen.Diese freut es immer, wenn der Opa sie zur Fahrt mit etwas Neuem einlädt. Bis es wieder einmal so weit ist, vergeht normalerweise einiges an Zeit, doch diesmal war der Opa richtig schnell. Ein Jahr lang hat er für sein Cabrio gebraucht, das, nebenbei bemerkt, wie alle Kuster-Unikate unverkäuflich ist.Sepp Kuster blickt aufs neue Fahrzeug und erklärt, als wäre seine Leidenschaft das Selbstverständlichste der Welt: «Ein Fischer hockt im Sommer irgendwo am Wiesenbord und hat am Ende seinen Fisch. Ich habe, wenn das Jahr vorbei ist, halt ein Cabrio.»

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