20.11.2019

Schilling sieht schwarz

Au steht vor einem turbulenten Jahr. Ein Unternehmer will den Gemeindepräsidenten loswerden, den er einst ins Amt hievte.

Von Adrian Lemmenmeier
aktualisiert am 03.11.2022
Verantwortung. Darum gehe es ihm. Daniel Schilling empfängt in einem Büro, in dem locker zwei Billardtische Platz hätten. Seine Rheintal Haus AG ist in einem Industrieareal in Widnau eingemietet, zwischen Grossbetrieben wie SAW, SFS oder Rauch. Vom Fenster sieht Schilling auf seine Wohngemeinde Au. 7000 Einwohner, 700 Grenzgänger, gleich viele Verkehrskreisel wie Bordelle (je vier). Schilling zufolge liegt in Au vieles im Argen. Deshalb will die IG Au-Heerbrugg den Gemeindepräsidenten Christian Sepin loswerden. Wenn er nicht freiwillig gehe, wolle man den CVP-Mann nächsten September abwählen (Ausgabe vom 13. November). Schilling vertritt die zwölfköpfige IG nach aussen. Verantwortung. Das Wort prangt gross auf der pinkfarbenen Zeitung, die Schilling für ein Foto in die Kamera hält. Seine IG hat das elfseitige Rundschreiben vergangene Woche an alle Auer Haushalte verschickt. Darin wirft sie der Gemeinde in einzelnen Projekten Versagen vor (siehe Zweittext). Im Vorwort heisst es, Au laufe «langsam, aber unaufhaltsam aus dem Ruder», habe «royalistische Züge» angenommen, verkomme zur «Demokratur».Der Königsmacher schwenkt umDiese Sätze stammen aus der Feder Schillings. Nein, er sei kein Diplomat, kommentiert der 59-Jährige seine Wortwahl. «Schwarz oder weiss – dazwischen gibt es bei mir nichts.» Auer, die Schilling kennen, sagen, er sei ein gewiefter Allianzenschmied, werde aber auch mal laut, wenn ihm etwas nicht passe. «Kritik äussere ich immer direkt und deutlich», sagt Schilling. Vielleicht habe er deshalb einige Feinde, wobei die meisten eher Neider seien. «Und Neid muss man erarbeiten.» Gearbeitet hat Schilling viel, wie er sagt. Mit 26 übernahm der gelernte Mechaniker die väterliche Firma, die Paul Schilling AG, spezialisiert auf Präzisionsteile. 16 Stunden am Tag habe er für den Betrieb eingesetzt, ehe es ihm zuviel wurde und er das Unternehmen 2008 verkaufte. Schilling war auch politisch aktiv. Acht Jahre sass er für die FDP im Kantonsrat, acht Jahre im Gemeinderat St. Margrethen. Heute plant und verkauft er Häuser. In der Freizeit fährt er Töff, spielt Golf, ein Sport, den er früher verachtete. «Zu elitär.»Mittlerweile ist Schilling aus der FDP ausgetreten. «Ich habe gemerkt, dass ich nicht in ein Schema passe.» Allianzen schmiedet er nicht mehr im Rat, sondern im Dorf. Als Au 2014 einen neuen Gemeindepräsidenten suchte, gründete Schilling mit drei Mitstreitern ein Gegenkomitee zur überparteilichen Findungskommission. Die Gruppe portierte den Diepoldsauer Schulratspräsidenten Sepin. Und dieser erreichte im ersten Wahlgang das absolute Mehr. Die beiden anderen Kandidaten machten zusammen nicht halb so viele Stimmen.  Schilling war damals ein Königsmacher. Heute will er den «König» stürzen. «Ich will Verantwortung übernehmen für den Fehler von damals.» In der Gemeinde kommt das vielen verdächtig vor. Walter Schedler – einst Gemeinderat und Schillings Mathematiklehrer – schreibt in einem ­Leserbrief, was viele hinter vorgehaltener Hand sagen: Schilling wolle sich an Sepin rächen. Denn die Gemeinde habe Bauvorhaben nicht nach seinem Willen beurteilt. Schilling will nicht über Bauprojekte sprechen, verweist auf laufende Verfahren. Er bestätigt aber, dass er sich mit dem Gemeindepräsidenten zerstritten hat. «Das hat nichts mit der Kritik der IG zu tun.» Vielmehr verhalte sich die Sache so: «Mehrere Gewerbler, Bauherren und Privatpersonen sind auf mich zugekommen und haben sich über die Arbeit der Behörden beschwert.» Weil Gewerbler aber auf Aufträge der Gemeinde angewiesen seien, hielten sie sich zurück. Schilling aber habe «nichts zu verlieren». Deshalb koordiniere er die IG. Die Gruppe entscheidet nächste WocheEs ist nicht das erste Mal, dass sich Schilling an den Auer ­Behörden stört. Seit Jahren schreibt er kritische Leserbriefe. Schon 2012 unterstellte er der Auer Führung «royalistische Züge», schon damals fiel das Wort «Demokratur». Ein ewiger Nörgler? Die Rhetorik erfinde er nicht neu, sagt Schilling. Doch damals habe er recht behalten. «Die Kritik richtete sich gegen Gemeindepräsident Walter Grob. Und dieser wurde später glasklar abgewählt.» Nach Grob präsidierte Stefan Suter ein Jahr die Gemeinde Au, ehe er wegen des «überdurchschnittlich grossen Arbeitspensums» den Rücktritt gab. 2014 folgte Christian Sepin.Mit ihrem medialen Angriff ist die IG Au-Heerbrugg auf Kritik gestossen. Selbst wenn einige Vorwürfe einen wahren Kern hätten, sei das schlechter Stil, so der Tenor in Au. Nächste Woche entscheidet die IG, ob sie einen Gegenkandidaten aufstellt. Wie aber will Schilling überhaupt einen Kandidaten finden? Muss dieser nicht damit rechnen, im Amt angegriffen zu werden, sobald er den Erwartungen nicht genügt? Schilling schüttelt den Kopf. «Nach der Wahl im September werde ich mich nicht mehr einmischen.» Nach kurzer Pause fügt er hinzu. «Ich hoffe, ich kann das.»Kasten:Fehlende Bewilligung, unklare KostenDie IG Au-Heerbrugg wirft der Gemeinde mehrheitlich Fehler bei der Ausführung von Bauprojekten vor. So sei die Einführung einer Dreissigerzone wegen formaler Fehler gescheitert. Beim Projekt Sportanlagen Tägeren seien die Kosten nicht klar kommuniziert worden. Ausserdem betreibe der türkische Kulturverein in Heerbrugg eine Moschee ohne die nötige Bewilligung. Gemeindepräsident Sepin äussert sich nicht zu den einzelnen Vorwürfen, gab aber gegenüber dieser Zeitung an, er würde in allen Fällen wieder gleich entscheiden. Diesen Samstag lädt die Gemeinde zu einem Informationsanlass zum Stand des kritisierten Projektes Sportanlagen. Die IG Au-Heerbrugg wird ­Daniel Schilling zufolge wahrscheinlich weitere Ausgaben ihrer Zeitung herausgeben. (al)

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