11.11.2019

Scharfe Kritik an Auer Führung

Die neue IG Au-Heerbrugg übt scharfe Kritik an Gemeindepräsident Christian Sepin und am Gemeinderat.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Diesen Montag fand die Bevölkerung von Au-Heerbrugg ungewöhnliche Post im Briefkasten vor. In Form einer zwölfseitigen Schrift kritisiert eine neu gebildete Interessengemeinschaft Au-Heerbrugg das gemeinderätliche Wirken der letzten Jahre. Sechs Unzufriedene schildern unter ihrem Namen konkrete Fälle, die ihres Erachtens von schlechter Arbeit der politisch Verantwortlichen zeugen.Dass die geballte Kritik am gleichen Tag verbreitet wurde, an dem die CVP Au-Heerbrugg ihren Behörden-Infoanlass durchführte, sei unbeabsichtigt gewesen, sagt IG-Initiant Daniel Schilling. Die Verteilung sei eigentlich schon für Mitte letzter Woche geplant gewesen, es habe jedoch mit dem Versand nicht wunschgemäss geklappt.Der Bevölkerung zeigen, «was schief lief»Das Titelblatt zeigt die Gemeinde Au-Heerbrugg von oben, ist beschriftet mit «Unser Dorf, unsere Verantwortung» und bezeichnet den Inhalt der IG-Zeitung als «Gemeindearbeit im Spiegel einiger Projekte». Der unscheinbare Zusatz «Ausga-be Nr. 1, November 2019» lässt bereits auf weitere Ausgaben schliessen, was in der Einleitung denn auch bestätigt wird. Die Interessengemeinschaft, heisst es, wolle der Bevölkerung «in den nächsten zwölf Monaten aufzeigen, was in den letzten Jahren unter der Führung von Christian Sepin alles schief lief».Seit Sepins Wahl zum Gemeindepräsidenten vor fünf Jahren habe sich in der Gemeinde Au-Heerbrugg «sehr viel zum Negativen gewandelt». Viele Einwohnerinnen und Einwohner seien von Sepin und seinem Team brüskiert worden, es werde teilweise behauptet, gedroht, es fehlten Protokolle, Zugeständnisse würden plötzlich bestritten – und die juristischen Auseinandersetzungen zwischen der Gemeinde und Einwohnern mehrten sich.Propagandistisches Ziel wird verneintEs sieht ganz so aus, als verfolge die IG das propagandistische Ziel, mit ihrer aktuellen Schrift sowie den weiteren in Aussicht gestellten Publikationen auf eine neue Kommunalregierung hinzuwirken. Im Herbst 2020, also in einem Jahr, finden in den Gemeinden die Gesamterneuerungswahlen statt. Wenn also die IG nun einen Zeithorizont von einem Jahr ins Feld führt, liegt die Vermutung nahe, es gehe ihr letztlich darum, Gemeindepräsident Christian Sepin mit einem Gegenkandidaten oder einer Gegenkandidatin anzugreifen.IG-Mitglied Remo Rech sagt zwar, derzeit stehe solches nicht zur Diskussion. Eine Gegenkandidatur sei aber eine Möglichkeit, die man sich offen halte – für den Fall, dass die Kritik nichts fruchte. Daniel Schilling fügt hinzu: Eine Gegenkandidatur werde sicher zu diskutieren sein; dass heisse aber noch nicht, dass es sie geben werde.IG-Initiant Schilling tat sich mit Leserbriefen hervorDaniel Schilling, der Christian Sepin bei dessen Wahl zum Gemeindepräsidenten massgeblich unterstützt hatte, schreibt in der IG-Zeitung, er habe sich in der Person Sepins leider getäuscht. Er fühle sich deshalb in der Verantwortung und wolle seinen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern in Au darlegen, wie ihr Gemeindepräsident und der «sehr schwache Gemeinderat» wirkten – dies «verbunden mit der Hoffnung, dass die Auer und Heerbrugger kritischer werden und vermehrt Verantwortung für unser Dorf und dessen Führung übernehmen». Schilling hat sich in jüngster Vergangenheit wiederholt auch als Leserbriefschreiber zu Wort gemeldet und den Gemeinde-präsidenten von Au attackiert.Die Beispiele, die Schilling in der IG-Zeitung ins Feld führt, sind die Sportanlagen Tägeren sowie das für Au ins Auge gefasste neue Verwaltungsgebäude samt Dorfplatzgestaltung. Bis heute, beanstandet Schilling, wisse die Bevölkerung nicht, wie und was zu welchen Kosten umgebaut oder gebaut werden soll. Mit Blick auf ein neues Verwaltungsgebäude meint der Kritiker, die Gemeinde beginne mit Gestaltungsarbeiten, obschon sie sich die nötigen Grundstücke noch nicht gesichert habe und die Bürgerschaft die Kosten nicht kenne. Hinter die Zwischentitel (auch hinter «Chaotische Projektführung?») ist jeweils ein Fragezeichen gesetzt.Auch mit den Infos zum Hochwasserschutzprojekt Littenbach-Äächeli ist die IG unzufrieden. Welche Massnahmen zu welchen Kosten geplant sind, habe die Gemeinde bis heute nicht mitgeteilt.Weiter schreibt die IG, Populismus liege ihr ebenso fern wie die Verbreitung von Fake News. Man beschränke sich auf Kritik, deren Berechtigung sich dokumentieren lasse.Auch am Telefon hebt Daniel Schilling dies hervor. Die Frage nach einer persönlichen Animosität gegenüber dem Gemeindepräsidenten verneint er. Bereits am Montagnachmittag habe er vier zustimmende Rückmeldungen von Bürgern erhalten. Über das weitere Vorgehen berät sich die IG an ihrem nächsten Treffen vom Montag, 25. November.«Weder zügig noch unparteiisch»Insgesamt gehören der IG ein Dutzend Mitglieder an. Die Hälfte von ihnen schildert in der Publikation «Unsere Zukunft» konkrete Sachverhalte, die zum Teil auch im «Rheintaler» und in der «Rheintalischen Volkszeitung» schon ausführlich dargelegt wurden – Beispiele, die den Gemeinderat und die Verwaltung nicht im besten Licht erscheinen liessen. So beruft die IG sich auf Beispiele wie die bislang gescheiterte Einrichtung einer Tempo-30-Zone im Blattacker-Schulquartier. Der hartnäckig gebliebene Einsprecher Klaus Burkhardt bekam vom Verwaltungsgericht insofern recht, als die Gemeinde das Verfahren nicht korrekt durchgeführt habe.Diese Art von Vorwurf ist nicht neu. Auch Liliane Rickert streitet seit Jahren mit der Gemeinde, weil diese einen Missstand geduldet habe und noch immer dulde – trotz eines Gerichtsurteils zugunsten Rickerts und weiterer Einsprecher vor zwei Jahren.In ihrer Zeitung schreibt die IG, je nach Bedarf werde die Werkstatt bis heute immer wieder widerrechtlich in Betrieb genommen. Die Gemeinde habe in dieser Sache «weder zügig noch unparteiisch und sachgerecht gehandelt». Sie habe ihre Aufgabe als Baubewilligungsbehörde nicht wahrgenommen, Vereinbarungen nicht eingehalten und widersprüchliche Aussagen gemacht.Beanstandet wird zudem die Rolle des Auer Gemeinderats im Zusammenhang mit der Fatih-Moschee in Heerbrugg. Die Gemeinde, so der Vorwurf, toleriere einen in seiner aktuellen Form unbewilligten Moschee-Betrieb.Die Anwohner fühlen sich von der Gemeinde im Stich gelassen und sind enttäuscht, dass der Gemeinderat ein offenkundiges Problem nicht endlich anpacke. Vor über sechs Jahren entschied das kantonale Baudepartement rechtskräftig, dass regelmässige Grossanlässe mit über 100 Besuchern im Gebäude an der Rietstrasse 1 in Heerbrugg nicht gestattet seien. Solche Veranstaltungen fänden aber statt, heisst es. In der IG-Zeitung schreibt Jörg Fankhauser, eine Prüfung der Besucherzahlen sei von der Gemeinde nie eingeleitet worden, obwohl im Protokoll vom 30. April 2018 die Notwendigkeit zur Prüfung der Besucherzahl bejaht werde.Sepin sah die IG-Zeitung erstmals am MontagZusammengefasst sehen sich Gemeindepräsident Christian Sepin und der Gemeinderat von Au-Heerbrugg folgenden Vorwürfen ausgesetzt: Über wichtige Projekte werde unzureichend informiert, der Einbezug der Bevölkerung und von direkt Betroffenen lasse zu wünschen übrig, unrechtmässige Zustände würden nicht zielstrebig beendet, sondern dauerhaft geduldet, und Vereinbarungen würden nicht eingehalten.Gemeindepräsident Christian Sepin sagt, er habe die am Montag zugestellte Zeitung der Interessengemeinschaft am Morgen dieses Tages erstmals zu Gesicht bekommen.Zu den Vorwürfen, die im engeren oder im weiteren Sinn allesamt bauliche Themen betreffen, möchte der Gemeindepräsident sich nicht äussern. Sepin sagt, die Bürgerinnen und Bürger seien in der Lage, sich ihr eigenes Bild zu machen.

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