19.07.2020

«’s hät viel gueti Sache dinne»

Die «Rheintaler»-Ausgaben des letzten Jahrhunderts sind tief im Archiv verstaut. Meinrad Hangartner hat eine Zeitung von 1871 stets griffbereit.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
Mit Interesse las der 76-jährige Lüchinger den am 3. Juli erschienenen Beitrag über das 150-Jahr-Jubiläum des Zeitungstitels «Der Rheintaler». Der abgebildete Titelkopf vom 9. Februar 1871 war ihm vertraut. Sein eigenes Zeitungsexemplar aus jenem Jahr ist nur zwei Wochen jünger.Genau hundert Jahre nach Erscheinen der alten Zeitung heiratete Meinrad Hangartner. Mit seiner Frau Rösli lebte er ein Jahr in Montlingen, danach immer in Lüchingen, wo er herstammt und aufwuchs. Als Zeitungsabonnenten werden Hangartners im nächsten Jahr ein Jubiläum feiern können: 50 Jahre werden sie dann treue Leser der «Rheintalischen Volkszeitung» sein.Zeitung war Teil der IsolationOb er sich mit dem Inhalt der «Rheintaler»-Ausgabe vom 23. Februar 1871 eingehend befasst habe? «Ja, natürlich», sagt Meinrad Hangartner mit einem Lächeln und beginnt sogleich zu erzählen. Einer der vielen Kurzbeiträge berichte von einem «wackeren Sackmesser», das «letzte Woche gefunden» worden sei und das mit Ausweis und gegen Bezahlung der Kosten abgeholt werden könne. Vor allem die damaligen Preise faszinieren den Rentner, und ein Lehrer inseriert im Blatt, von ihm sei Rheintaler Wein zu haben.Die vielen Artikel sind auffallend kurz, was der oft gehörten Einschätzung widerspricht, frühere Zeitungsbeiträge seien viel länger gewesen. Es ist umgekehrt: Gegenüber dem einstigen «Kurzfutter» bieten «Rheintaler» und «Rheintalische Volkszeitung» heute viel ausführlichen Lesestoff. «’s hät viel gueti Sache dinne», sagt Meinrad Hangartner, der nicht mehr weiss, wo er den alten «Rheintaler» gefunden hat. Beim Abbruch eines Hauses war’s, aber bei welchem? Hangartner, gelernter Bäcker und Konditor, musste wegen einer Mehlallergie früh umsatteln, arbeitete unter anderem lange als Lastwagenfahrer und von 1986 bis 1995 bei der «Volkszeitung» im Zeitungsdruck. Hatte er als Chauffeur nichts zu tun, half er auf dem Bau beim Leitungenverlegen, Einsanden oder eben beim Abbruch von Häusern. Irgendwann um die Jahrtausendwende kam ihm die «Rheintaler»-Ausgabe von 1871 in die Hände. Nicht nur als Lesestoff, auch als Isoliermaterial hatte die Zeitung ihren Zweck erfüllt.Er fährt Tixi Taxi und ist SamiklausMeinrad Hangartner interessiert sich für Altstätter Geschichte und hat viele Schwingerhefte und -kataloge, denn seine Söhne Marcel und Peter schwangen früher beide. Auch einen Roman nimmt der vielseitig Engagierte mit Vergnügen ab und zu zur Hand.Einem Hufschmied hilft der Rentner beim Beschlagen der Pferde, und seine Mitwirkung bei der Hülschete verwundert nicht, wenn man sieht, wie viele Törggen der Lüchinger selbst jährlich trocknet; bis zu einer Tonne Körner. Sohn Marcel verfüttert viel den Ziegen, Grosskind Maurice den Schafen.Für Tixi Taxi fährt Meinrad Hangartner schon seit 25 Jahren, wobei er die frühere freie Zeitungsmitarbeiterin Rösli Zeller kennenlernte. Sie brachte ihn mit den Menschen von Plu-Sport zusammen, für die Meinrad Hangartner seit langer Zeit jährlich als Klaus auftritt.Auch sonst erfüllt der 76-Jährige diese Aufgabe mit Leidenschaft, nächstes Jahr wird es das 50. Mal sein. Ohne Unterbruch. Allein am Altstätter Chlausmarkt war Meinrad Hangartner bis vor acht Jahren 16-mal als Chlaus unterwegs, zusammen mit zwei Kollegen. Ebenso oft waltete das Trio bei der Chlausfahrt der Appenzellerbahnen ihres Amtes. Im Jahr 2013 war im Jahrbuch «Unser Rheintal» ein zweiseitiger Bericht über den Klaus und die zwei Schmutzli enthalten. Seit acht Jahren bildet Meinrad Hangartner mit seinem Sohn Marcel ein Klaus-Schmutzli- Gespann.Röllelibutz, Turner, StimmenzählerMeinrad Hangartner trat 26-mal mit dem Theater der Röllelibutzen auf, denen er seit 1975 angehört. Er turnte während zwölf Jahren in Lüchingens Männerriege und wirkte während je zwölf Jahren als Stimmenzähler- Ersatz und als Stimmenzähler der Stadt Altstätten.Er ist ein geselliger Mensch, der am Zeitunglesen seit jeher Freude hat. Insofern hat mit ihm genau der Richtige den «Rheintaler» vom vorletzten Jahrhundert gefunden.

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