Ruth Roduner wechselte vor sechs Jahren ihren Wohnsitz und lebt seither zurückgezogen in einem Altersheim in St. Gallenkappel. In der Nähe wohnt Dieter Roduner, einer ihrer drei Söhne. Körperlich gehe es ihr trotz des hohen Alters relativ gut, sagt er, nur ihr Sehvermögen sei stark eingeschränkt. Geistig machen sich Folgen einer Demenz bemerkbar. Sie spreche aber über alte Zeiten, auch über die Jahre im Rheintal, als ihr Mann Gemeindepräsident in Au war, und sie sei sich bewusst, den 100. Geburtstag feiern zu dürfen.Ruth Roduner setzte sich während Jahren für die Rehabilitierung und Erinnerung an ihren Vater Paul Grüninger ein. Der St. Galler Polizeikommandant wurde 1939 verurteilt und aus dem Dienst entlassen. In den Jahren 1938/1939 hatte er an der Grenze im Rheintal tausenden jüdischen und anderen Flüchtlingen die Einreise ermöglicht und rettete dadurch Menschen, die vom Naziregime bedroht wurden.Die Rehabilitierung kam spätPaul Grüninger starb 1972 verarmt. Er habe nur seine Menschlichkeit walten lassen, betonte er stets. Die Rehabilitierung Grüningers fand erst über zwanzig Jahre nach dessen Tod statt. Im Jahr 1995 hob das Bezirksgericht St. Gallen sein einstiges Urteil auf – ein Höhepunkt in Ruth Roduners Bemühen. Mit der vom Kanton erhaltenen finanziellen Wiedergutmachung rief die Familie die Paul-Grüninger-Stiftung ins Leben, die nach wie vor aktiv ist und in regelmässigen Abständen einen Menschenrechtspreis vergibt.Das Medieninteresse an Ruth Roduner war zuletzt 2014 gross, als der Spielfilm «Akte Grüninger» in die Kinos kam. Sie war gefragt als Rednerin und Zeugin der damaligen Ereignisse sowie als einzige leibliche Tochter des Helden Paul Grüninger.