Gert BrudererCicco, der Hund, darf mit. Ziemlich genau sieben Monate dauert der gemeinsame Aufenthalt im Süden. Mit fast hunderttausend Oliven und dreitausend Litern Olivenöl kehren sie nächsten Frühling zurück.Etwa von Mai bis September lebt Röbi Gschwend immer in Eichberg, mit seiner Lebenspartnerin Silvia Müller. Die beiden waren früher in der Sek zwei Jahre in der gleichen Klasse, verloren sich aus den Augen – und sind seit zwölf Jahren ein Paar.Gschwend, aufgewachsen mit sieben Geschwistern in Hinterforst, hat neben seiner Leidenschaft für Griechenland noch eine zweite. Gleich nach der Lehre als Automechaniker wurde er Lastwagenfahrer, zehn Jahre lang war er in vielen Ländern auf Achse. Zwar unterbrachen zwölf Jahre bei einem befreundeten Dachdecker das Fahren, doch ebenso lange ist er nun wieder als Lastwagenchauffeur in der Schweiz unterwegs.Wie im Eschenmoos ob BerneckExakt zur Jahrtausendwende hatte der 54-Jährige, der schon immer gern viel Zeit in Südeuropa und im Norden Afrikas verbrachte, ein Schlüsselerlebnis. In Griechenland sah er an einem traumhaften Ort ein Stück Land – und natürlich standen darauf, wie überall im Süden dieses Landes, Olivenbäume. Der Rheintaler kaufte das Grundstück, eine Hektare, mit einem ebenso einfachen wie hübschen Haus.Das Häuschen liege wie im Eschenmoos ob Berneck, «stell dir vor», sagt Röbi Gschwend, «wie du ins Dorf hinab und nach Heerbrugg fährst, und dort bist du dann am Meer und nicht im Nebelmeer.»Ein Klima wie in KalifornienRöbi Gschwend als jüngster der Geschwister hat einen guten Draht zur jüngsten Schwester, Lisa, die seit über vier Jahrzehnten in der Toscana lebt und hier lange vor dem Bruder damit begann, Oliven zu vertreiben – sie nach Deutschland. Lisa war der Ausgangspunkt für alle Reisen in den Süden, wo Gschwend für die längste Zeit des Jahres sesshaft wurde, fast zuunterst in Griechenland, wo – entsprechend einer Ortsbezeichnung – die Kalamata-Oliven heranreifen. Auch Feigen und Zitronen wachsen da, das Klima gleicht demjenigen von Kalifornien, Frost gibt es nicht, «es ist das Paradies».Rundum Wildnis. Schakale, Dachse, Füchse, Raubvögel. Cicco kommt eine besondere Aufgabe zu. Er ist der Wächter, der den Güggel, die Hühner, die Schafe zuverlässig beschützt.Als Ziel hat der Rheintaler die Selbstversorgung im Sinn. Er spricht fliessend Griechisch, hat Freunde im nahe gelegenen 300-Seelen-Dorf und besitzt einen grossen Garten. Seine Partnerin verbringt zwar nicht die ganze kalte Jahreszeit bei ihm, aber immer mindestens zwei Monate. Röbi Gschwend sagt, er sei gut integriert als jemand, der «dort unten» lebt. Er lasse alle sehen, was er tue, lebe sozusagen transparent – und dank der Werkstatt, die er eingerichtet hat, kann er den Menschen gern auch mal behilflich sein, zum Beispiel wenn es darum geht, einen Traktor zu flicken.Was Röbi Gschwend besonders wichtig ist: ein guter Lohn für andere. Die Erntehelfer, sagt er, würden immer gut bezahlt, er gebe ihnen mehr als andere, auch im Vergleich zu Schweizern, die in Griechenland wie er auf Arbeitskräfte angewiesen seien.100000 Oliven einzeln begutachtenIm Oktober und November erntet Röbi Gschwend die Essoliven, von Mitte November bis Mitte Januar findet die Ernte fürs Öl statt. Die Kalamata-Oliven, von denen jeweils eine halbe Tonne anfällt, werden in Pfund- und Halbpfundgläsern angeboten. Jede Olive, versichert der Eichberger, werde einzeln verlesen und angeschaut.«Jede Olive.»Bei fünf Gramm pro Stück bedeutet dies, dass 100000 Oliven einzeln begutachtet werden, und «da isch ä Riesebüez». Oft sei er nachts bis ein Uhr oder länger am Verlesen, und am nächsten Tag geht es in aller Herrgottsfrühe mit der gleichen Arbeit weiter.Zu Öl verarbeitet Röbi Gschwend etwa zweieinhalb Tonnen Oliven. Beliefert werden zwei Einkaufsgenossenschaften, daneben fast ausschliesslich Private. Zwar verkauft der mittlerweile halbe Grieche auch Öl an den Märkten, jedes Jahr zuerst am Altstätter Maimarkt. Immer herrsche da ein grosser Trubel, und der Umsatz sei stets ausgezeichnet.Nachfrage übersteigt AngebotWas Gschwend auch gefällt, ist der Tauschhandel, wie es ihn früher gab. Als Gegenwert für Öl bekommt er etwa Biorindfleisch, Most, Gemüse. Er legt Wert darauf, dass alles, was er zu sich nimmt, auf gute Art entstanden ist.Dass er selbst Jahr für Jahr nicht in der Lage sei, die Nachfrage nach seinem Olivenöl ganz zu befriedigen, versteht er keinesfalls als Druck, die lieferbare Menge zu erhöhen. Seine Kunden sollten ruhig auch ein anderes Olivenöl verwenden, sagt Gschwend, «dann sehen sie, was sie für jenes zahlen und wie jenes schmeckt». Will heissen: Fremdes Öl ist im Vergleich zum eigenen die beste Werbung.