03.03.2021

Richterwahl: Mal still, mal laut

Erschallt dieses Jahr Kampfgetöse? Bei der Besetzung des Präsidiums eher nicht, dann aber ziemlich sicher schon.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 03.11.2022
In diesem Jahr ändert sich die personelle Zusammensetzung des Kreisgerichts Rheintal einmal mehr. Vor einer Woche wurde bekannt, dass die ans Kantonsgericht berufene Caroline Gstöhl (FDP) das Kreisgericht Ende Juni verlässt. Gstöhl ist nicht nur hauptamtliche Richterin, sondern auch die Präsidentin des Kreisgerichts Rheintal.Wie rheintaler.ch überdies in Erfahrung brachte, wird auch die Widnauerin Catherine Reiter (Grüne) das Kreisgericht (Ende August) verlassen. Die im letzten Herbst ans Bundesgericht gewählte Catherine Reiter hat vor, den akademischen Bereich ihres Berufslebens künftig stärker zu betonen.Erster Schritt: Präsidium neu besetzenIn einem ersten Schritt ist festzulegen, wer den Vorsitz übernimmt. Bei der Vorbereitung der auf 13. Juni festgesetzten Wahl der neuen Präsidentin oder eines neuen Präsidenten ist folgende Frage interessant: Wird um den Vorsitz fürs Kreisgericht Rheintal gestritten – oder gibt es «intern» eine Einigung?Intern heisst in diesem Fall: Die bisherigen hauptamtlichen Richterinnen und Richter einigen sich, unter Mitwirkung der politischen Parteien, auf eine neue Präsidentin oder einen Präsidenten aus ihren Reihen. Dann würde diese Persönlichkeit still gewählt; die Stimmberechtigten würden nicht an die Urne gerufen.Sofern die Sache so verläuft (und nicht jemand von auswärts das Präsidium übernimmt), entsteht durch den Wegzug der bisherigen Präsidentin Caroline Gstöhl eine Vakanz unter den hauptamtlichen Richtern. Eine zweite Vakanz hinterlässt Catherine Reiter.Zwei Richtersitze neu besetzenSomit werden aller Voraussicht nach zwei Richtersitze neu zu besetzen sein. Bei einer Wahl der neuen Gerichtspräsidentin oder des neuen Präsidenten am 13. Juni (ob in stiller Wahl oder im Rahmen einer eher unwahrscheinlichen Kampfwahl) entfiele der auf den 26. September angesetzte Termin für einen zweiten Wahlgang.In diesem Fall genügte aller Voraussicht nach ein einziger Termin für die Wahl von zwei neuen hauptamtlichen Mitgliedern des Kreisgerichts.SVP «noch immer klar untervertreten»Unter anderem wegen der SVP dürfte es einmal mehr spannend werden.Die Partei ist nach wie vor der Ansicht, mit einem einzigen hauptamtlichen Richter gemessen an ihrer Wählerstärke «klar untervertreten» zu sein. SVP- Kreispräsident Markus Wüst sagt, die Partei habe deshalb das Ziel, bei nächster Gelegenheit mit einer Richterkandidatur anzutreten. Hingegen erhebe die SVP keinen Anspruch auf den Vorsitz, zumal der einzige hauptamtliche SVP-Richter Salim Rizvi erst 2018 gewählt worden sei.Mit dem Präsidium ist es ja so: Bis zur letzten Wahl im Jahr 2015 hatte die Dauer der Zugehörigkeit zum Kreisgericht, also das Dienstalter, eine entscheidende Rolle gespielt. Insofern hätte schon vor sechs Jahren der Marbacher Mark Schärz zum Zuge kommen können, der auch heute als erfahrenster hauptamtlicher Richter am Kreisgericht wirkt. Doch die am Auswahlprozess Beteiligten einigten (oder fügten) sich bei der letzten Wahl, so dass kein Kampfgetöse erschallte; Caroline Gstöhl (FDP) wurde still gewählt.An letzten Kampfwahlen war CVP stets beteiligtIm letzten Jahrzehnt wurden sechs der neun hauptamtlichen Richterinnen und Richter neu ans Gericht gewählt. Dreimal kam es zu einer Kampfwahl, der zweimal ein Kuriosum folgte. Zwei der Unterlegenen wurden bei nächster Gelegenheit (bei der nächsten nötig gewordenen Ersatzwahl) doch noch gewählt – konkurrenzfrei, also mit dem Einverständnis der politischen Konkurrenz, und somit still.Vor allem der Anspruch der SVP, gemäss ihrem Wähleranteil mit «eigenen» Richtern vertreten zu sein, war schon im letzten Jahrzehnt zweimal der Auslöser von Kampfwahlen gewesen. 2011 unterlag Patric Looser (SVP) zwar Roland Eugster (CVP), doch noch im gleichen Jahr wurde erneut eine Ersatzwahl nötig – und Patric Looser konnte ohne Gegenwehr der politischen Konkurrenz hauptamtlicher Richter werden. Er selbst verliess den Posten allerdings fünf Jahre später aus freien Stücken. Weil ihm die Ermittlungstätigkeit, wie er erklärte, gefehlt habe, wechselte er zur Staatsanwaltschaft St. Gallen.Loosers Wegzug ermöglichte es der Grünen Catherine Reiter, in stiller Wahl hauptamtliche Kreisrichterin zu werden, nachdem auch sie im Jahr davor gegen Dominik Gebert (CVP) eine Kampfwahl verloren hatte.SVP gab nie auf, sondern kämpfte stets weiterDie abermals unzufriedene SVP unternahm 2017 den nächsten Versuch, mit einem Richterkandidaten Erfolg zu haben, doch aus der erhofften stillen Wahl wurde nichts.SVP-Kandidat Daniel Kaiser wurde von Catherine Rüst-Sinz (CVP) herausgefordert, die 58 Prozent der Stimmen erhielt. CVP-Präsident Sandro Hess hatte die Kampfwahl so kommentiert: «Das höchste Interesse muss es sein, das Amt bestmöglich zu besetzen.» Dies werde durch eine Kampfwahl begünstigt.Die Parteien haben wieder Arbeit vor sichAls im Jahr darauf erneut eine Ersatzwahl nötig wurde, hätte Daniel Kaiser es ein zweites Mal versucht, nun aber zog die eigene Partei ihm einen Auswärtigen vor: Salim Rizvi. Mit diesem Kandidaten war die CVP einverstanden, er wurde still (konkurrenzlos) gewählt und lebt heute als Kreisrichter im Rheintal.Ausser dem genannten Richter wurde 2011 auch Christoph Hanselmann (FDP) in stiller Wahl gewählt, so dass heute am Kreisgericht Rheintal (ausser der Ende Juni scheidenden Caroline Gstöhl) die folgenden hauptamtlichen Richterinnen und Richter wirken: Roland Eugster (Lüchingen), Dominik Gebert (Altstätten), Christoph Hanselmann (Altstätten), Catherine Reiter (Widnau, noch bis Ende August), Salim Rizvi (Altstätten), Catherine Rüst-Sinz (Altstätten) sowie die schon im vorletzten Jahrzehnt gewählten und seither immer wieder bestätigten Mark Schärz (Marbach) und die für einst für die SP angetretene Ariane Soldati-Dumur (Rheineck).Bei den politischen Parteien sind die Richterwahlen derzeit zwangsläufig wieder ein Thema. Für die Grünen wird der Versuch, den Sitz Catherine Reiters zu verteidigen, herausfordernd sein, obschon die Scheidende im Rahmen ihrer Möglichkeiten gerne hilft. Natürlich ist zudem die FDP bestrebt, trotz des Wegzugs von Caroline Gstöhl prominent am Gericht vertreten zu bleiben, wie Kreisparteivizepräsident Peter Nüesch bestätigt. Die CVP hat im Moment nichts zu verteidigen, aber vielleicht eine Chance aufs Präsidium. Sie hat nicht nur vier hauptamtliche Mitglieder am Kreisgericht, sondern unter ihnen auch denjenigen, der schon am längsten hauptamtlicher Richter ist.

Abo Aktion schliessen
News aus der Region?

Alle Geschichten, alle Bilder

... für nur 12 Franken im Monat oder 132 Franken im Jahr.