22.03.2021

Rhenusana kündigt Tarifvertrag mit Spitalregion

Zwischen der Rheintaler Krankenkasse und der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland kam es nach Verhandlungen zum Bruch.

Von Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Wer bei der Krankenkasse Rhenusana privat oder halbprivat versichert ist, bekommt Zusatzleistungen in Rheintaler Spitälern seit Januar nicht mehr von der Versicherung bezahlt. Das verkündete die Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland (SR RWS) am Donnerstag auf ihrer Webseite: «Zu unserem grössten Bedauern müssen wir Ihnen mitteilen, dass die Rhenusana die bislang geltenden vertraglichen Regelungen mit der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland für die halbprivate und private Abteilung nicht mehr weiterführt.» Konkret heisst das: Die Rechnungen der Spitäler Altstätten, Grabs oder Walenstadt flattern nun direkt in die Briefkästen der Zusatzversicherten. Nicht nur das: Die Patienten müssen diese auch selbst begleichen und anschliessend die Rückvergütung beantragen. Auf einem Teil der Aufenthaltskosten bleiben sie wohl sitzen, nämlich auf der Differenz zu den von der Rhenusana festgelegten Höchsttarifen. Keine Einigung mit den Spitalregionen des KantonsAuf der Negativliste der Rhenusana –der Liste der Spitäler ohne volle Kostendeckung – sind nicht nur Altstätten, Grabs und Walenstadt gelandet, sondern auch das Kantonsspital sowie die übrigen Spitalverbunde des Kantons mit den Spitalstandorten Uznach, Flawil, Wil und Wattwil. Dem Bruch sind monatelange Verhandlungen vorausgegangen, wie Rhenusana-Geschäftsführer Guido Mitterer auf Anfrage bestätigt: «Krankenversicherungen müssen jährlich die Tarife und Preise mit den Spitälern für die Zusatzversicherungen neu verhandeln. Unser Ziel sind dabei faire Tarife, damit wir unseren Kunden langfristig bezahlbare Prämien sichern können.» Das Vorhaben sei mit den St. Galler Spitalverbunden gescheitert, obschon man sich vonseiten der Kasse immer wieder um eine Lösung bemüht habe, ergänzt Mitterer: «Die Vertragsverhandlungen hatten bis zum heutigen Datum keinen Erfolg, da die Spitalverbunde auf ihren hohen Preisvorstellungen beharren, die über dem Durchschnitt anderer Spitäler liegen.» Die Rhenusana habe auch der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland ein Angebot unterbreitet, das im Rahmen der Marktpreise und im Durchschnitt der umliegenden Spitäler liege. «Die Spitalregion ist leider nicht auf dieses Angebot und die nachgereichten Vorschläge eingegangen.» Die Finanzmarktaufsicht pocht auf eine bessere KontrolleEine Kostensenkung sei dringend nötig, weil den Versicherern landesweit die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) im Nacken sitze. Die Behörde stellte im vergangenen Jahr fest, dass Rechnungen im Bereich der Krankenzusatzversicherung häufig undurchsichtig sind und zum Teil unbegründet hoch oder ungerechtfertigt scheinen. Deshalb erwartet die Finma von den Versicherern ein wirksameres Controlling und fordert, die Verträge mit den Leistungserbringern zu überprüfen und wo nötig zu verbessern. Vertragsauflösungen zwischen Versicherern und Spitälern sind deshalb keine Seltenheit mehr (siehe Zweittext). Die hohen Tarife am Kantonsspital St. Gallen wurden unter anderem bereits von der Fachzeitschrift «Medinside» angeprangert. Das Magazin veranschaulichte im November die Preisunterschiede zwischen den Spitälern. So kostet das Einsetzen eines künstlichen Hüftgelenks für Halbprivatversicherte am Kantonsspital St. Gallen mehr als das Doppelte als etwa in Chur oder Appenzell. In der Spitalregion Rheintal Werdenberg Sarganserland ist die OP mit 8860 Franken zwar fast 3800 Franken günstiger als im Kantonsspital, aber dennoch 2700 respektive 3400 Franken teurer als in den beiden genannten Spitälern der Nachbarkantone.Nach Chur, Heiden, Appenzell, Frauenfeld, St. Gallen oder FläschWährend die Verträge zwischen der Rhenusana und den St. Galler Spitalverbunden aufgelöst wurden, haben jene mit mehreren privaten Kliniken im Kanton St. Gallen und den Spitälern der Nachbarkantone Bestand. Es handle sich dabei um Einrichtungen, «die marktgerechte oder signifikant tiefere Preise verrechnen». Auf diese müssen halbprivat- und privatversicherte Rhenusana-Kunden seit Januar ausweichen, sofern sie ihre Zusatzleistungen nutzen wollen. Es sind die Kantonsspitäler Chur, Appenzell, Herisau und Frauenfeld, die Hirslandenkliniken Stephanshorn in St. Gallen und am Rosenberg in Heiden, die Berit Klinik in Teufen, das Kantonale Spital Heiden, die Klink Gut in Fläsch, die Geriatrische Klinik St. Gallen und das Kinderspital St. Gallen. «Für den Mehraufwand, beispielsweise den weiteren Weg nach Chur, bekommen unsere Versicherten eine Entschädigung», sagt Guido Mitterer. Eine individuelle Entschädigung gebe es auch, wenn sich privat- oder halbprivatversicherte Kunden ausnahmsweise in der allgemeinen Abteilung in den Spitälern der kantonalen Spitalverbunde behandeln lassen. «Unsere Preise sind seit mehreren Jahren stabil»Das Zerwürfnis mit der regionalen Krankenkasse sei nicht im Sinn der Spitalregion RWS, schreibt Andreas Broger, Leiter Patientenadministration: «Für uns sind die Kundinnen und Kunden der Rhenusana sehr wichtig. Dies auch aufgrund der geografischen Nähe. Vom Patientenvolumen her gehört die Rhenusana im Bereich der halbprivaten und privaten Abteilung für die SR RWS aber nicht zu den grossen Versicherern.» Die Spitalregion zeigt sich erstaunt ob dem Vorwurf, die Tarife seien zu hoch angesetzt, zumal mit den übrigen Versicherungen Lösungen bestünden: «Diese Versicherungen decken immerhin über 95 Prozent unseres Volumens ab. Die Preise sind zudem seit mehreren Jahren stabil und wurden nicht erhöht.»   Mitterer hält sich bedeckt bei der Frage, ob die Neuerung den Kunden sauer aufstosse. «Die Reaktionen waren sehr unterschiedlich, doch wir konnten mit allen Versicherten eine Lösung finden. Festzuhalten ist, dass die medizinische Versorgung in keiner Weise beeinträchtigt ist. Und Allgemeinversicherte sind von der Vertragsauflösung nicht betroffen.» Eine Einigung zwischen den beiden Parteien sei noch nicht vom Tisch, betont Mitterer: «Wir sind nach wie vor bemüht, mit der Spitalregion eine Lösung zu finden.» Die Spitalregion sieht das gleich, wie Andreas Broger schreibt: «Die SR RWS ist jederzeit offen für Verhandlungen.» Es kommt immer öfter zum TarifstreitEs ist kein Novum, dass eine Krankenkasse einen Spitalvertrag kündigt. Wie aus einer Recherche der «NZZ am Sonntag» Anfang Dezem­ber hervorging, forderten zahlreiche Schweizer Krankenversicherer tiefere Tarife für die Behandlung von Patienten mit halbprivater und privater Spitalzusatzversicherung. So soll etwa die CSS Ende letzten Jahres 120 Verträge mit Spitälern aufgelöst haben. Hintergrund der Kündigung seien Prüfungen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht.Zu einem Tarifstreit kam es 2018 auch zwischen mehreren St. Galler Spitälern und der Helsana, die den Vertrag mit den drei Spitalregionen Fürstenland Toggenburg, Rheintal Werdenberg Sarganserland und Linth gekündigt hatte. Dabei landeten die Spitäler Altstätten, Grabs, Walenstadt, Wattwil, Wil und Uznach auf der Negativliste des Krankenversicherers – mit unerfreulichen Konsequenzen für die halbprivat- und privatversicherten Patienten, die Rechnungen selbst begleichen und anschliessend bei der Krankenkasse die Rückvergütung klären mussten. Der Streit konnte im letzten Frühjahr schliesslich beigelegt werden: Die beiden Parteien einigten sich auf die Preise für die freie Arztwahl und Hotellerieleistungen. Die Helsana Zusatzversicherungen AG nahm die Spitäler von ihrer Negativliste und übernahm rückwirkend ab dem 1. Januar 2018 die vollumfänglichen Kosten für Behandlungen in der halbprivaten und  privaten Abteilung gemäss Versicherungsdeckung. (seh)

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