09.12.2021

Rheintaler spielt deutschen Kommissar

Der in Altstätten geborene Jonathan Hutter ist aktuell in der ZDF-Krimiserie «Die Chefin» zu sehen.

Von Interview: Benjamin Schmid
aktualisiert am 02.11.2022
Interview: Benjamin SchmidJonathan Hutter ist 1989 in Altstätten geboren und verbrachte seine ersten Lebensjahre im Rheintal. Danach wuchs er in Naumburg an der Saale auf, machte Abitur und studierte Schauspiel. Seit seinem Abschluss 2013 an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart arbeitet er als Schauspieler am Theater und beim Film. Im Interview erzählt der Wahlmünchner, der als Kind gern Clown geworden wäre, von seiner Rolle als Kommissar, von Herausforderungen und lustigen Momenten in seinem Leben auf der Bühne und von seiner Verbindung zur alten Heimat. Jonathan Hutter, Sie spielen in «Die Chefin» Kommissar Kirchner. Welche Gemeinsamkeiten erkennen Sie zwischen sich und der Rolle?Jonathan Hutter: Korbinian Kirchner ist ein junger, ehrgeiziger Kriminalkommissar. Er ist Umweltaktivist, politisch engagiert und hat einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Korbinian ist selbstbewusst und scheut keine Konflikte. Sein akribisches Arbeiten, sein Arbeitswille und seine Leidenschaft sind Eigenschaften, die ich mit ihm teile. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag am Set? Gut sogar. Ich bin hingeradelt, weil der Drehort nicht weit entfernt war. Das Witzige: Das erste Bild an diesem Tag war dann auch gleich eine Fahrradfahrt. Katharina Böhm und Jürgen Tonkel traf ich am zweiten und dritten Drehtag. Nach den ersten Szenen hatte ich bereits das Gefühl, schon lange dabei zu sein. Was war Ihre bisher anspruchsvollste Rolle? Bei einem internationalen Theaterprojekt spielte ich Hrant Dink. Einen Journalisten, der über den Genozid am armenischen Volk nicht schweigen wollte. Noch nie hat mich eine Regisseurin so gefordert und an meine Grenzen gebracht. Die Inszenierung ist für mich eine der prägendsten Erfahrungen. Gehen Sie gern an Ihre Grenzen oder warum sind Sie Schauspieler geworden? In der Kirchgemeinde in Naumburg haben wir jedes Jahr ein Weihnachtsmusical aufgeführt. Dort spielte ich mit grosser Freude erste Rollen. Dass man Schauspiel studieren kann, wusste ich damals noch nicht. Obwohl ich wenig Bezug zur Schauspielerei hatte und keiner Theaterfamilie entstamme, habe ich mich nach dem Abitur an den staatlichen Schauspielschulen in Deutschland beworben. Als Schauspieler Grenzen auszuloten, gehört für mich dazu und lässt mich in meiner schauspielerischen Persönlichkeit wachsen. Über verschiedene Theaterstationen sind Sie ans Münchner Volkstheater und letztlich zum Fernsehen gekommen. Was sind für Sie die wesentlichen Unterschiede zwischen der Theater- und der Filmarbeit? Die Kamera verlangt ein psychologisches und sehr feines Spiel. Man kann mit kleinen Bewegungen eine Welt erzählen. Das Theater bietet einen Raum zum Experimentieren. Dort suche ich den grossen, manchmal auch abstrakten Ausdruck. Was für mich als Schauspieler Film und Theater verbindet, ist die Suche nach dem ehrlichen und authentischen Moment. Den authentischen Moment zu erleben, dürfte ein schönes Gefühl sein – oder gibt es auch Schattenseiten? Es ist ein zutiefst beglückendes Gefühl, wenn man nach einem anstrengenden Probenprozess sieht, dass man dem Kern einer Szene, einer Figur immer näherkommt. Die Schattenseite: Man muss auf diesem Weg permanent mit Selbstzweifeln umzugehen lernen. Herausfordernd ist dabei, sowohl die Ausdauer als auch den Mut zu behalten. Auf der Bühne entstehen immer wieder emotionale Momente. Was war Ihr lustigstes Erlebnis? «Dernièren-Gags» nennt man Witze in einer Theaterinszenierung, wenn sie zum letzten Mal gespielt wird. Diese «Gags» sind vor allem für die Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne gedacht. Doch bei einer dieser letzten Aufführung bekam ich einen solchen Lachanfall, dass ich nicht mehr sprechen konnte und das Publikum schallend mit mir und über mich lachen musste. Kann die Schauspielerei auch belastend sein? Das Eintauchen in eine Figurenwelt fordert immer wieder viel gedankliche und emotionale Substanz. Die Leichtigkeit des Seins im eigenen Leben und die Balance zwischen Privatperson und Rolle zu finden, ist Belastung und Herausforderung zugleich. Ich nehme an, viel Text auswendig zu lernen ist auch eine Herausforderung. Wie bereiten Sie sich auf die Dreharbeiten vor? Sobald ich die erste Drehfassung bekommen habe, lese ich das Drehbuch mehrmals durch. In meinem Kopf entsteht allmählich der Film und die einzelnen Szenen erscheinen vor meinem inneren Auge. Ich lese passend zum Thema des Films andere Artikel und setze mich mit dem Stoff auseinander. Erst am Schluss kommt das Textlernen. Was machen Sie, um abzuschalten? Alles, ausser Textlernen! (lacht) Wo sehen Sie sich in zehn Jahren? Wenn ich das wüsste oder mir vorzustellen versuche, nehme ich mir die Möglichkeit, dass es manchmal ganz unerwartete Wendungen im Leben gibt. Wenn Sie eine Sache auf der Welt verändern dürften, was wäre das? Darauf würde ich gerne mit einem Zitat von Václav Havel antworten: «Das Leben ist viel zu kostbar, als dass wir es entwerten dürften, indem wir es leer und hohl, ohne Sinn, ohne Liebe und letztlich ohne Hoffnung verstreichen lassen.» Wenn Ihr Leben verfilmt werden würde, welche Schauspielerin, welcher Schauspieler würde Sie spielen? Schon immer haben mich Lebensgeschichten und die Verfilmung von wahren Begebenheiten sehr interessiert. Spannend fände ich es, als Schauspieler das Leben einer anderen Person auf der Leinwand zu verkörpern. Was verbinden Sie mit dem Rheintal und wird man Sie auch hier einmal auf einer Bühne sehen können? In den Ferien sind wir als Familie jedes Jahr nach Kriessern gefahren. Die Familie meines Vaters wohnt dort und die Herzlichkeit der Hutter-Familie verbindet mich mit der alten Heimat. Und Rheintaler Ribelmais nehme ich natürlich mit, wenn ich da bin. Ob ich im Rheintal auf der Bühne zu sehen sein werde, wer weiss ...

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