27.12.2018

Rheintaler Holzrücker sind erfolgreich

Andreas Giger aus Balgach hat eine besondere Leidenschaft. So oft es geht, übt er mit Othello das Holzrücken. Wobei Othello natürlich nicht der venezianische Feldherr aus William Shakespeares gleichnamigem Stück ist, sondern ein imposantes Pferd.

Von Gerhard Huber
aktualisiert am 03.11.2022
Gerhard HuberEs ist an diesem wolkenlosen sonnigen Samstagnachmittag viel Betrieb auf der Übungsanlage der aktiven Holzrücker des unteren St. Galler Rheintals. Gleich vier Männer sind mit ihren grossen und kräftigen Kaltblütern beschäftigt. Immer wieder hört man die Kommandorufe «wisst» und «hott», also «links» und «rechts». Wobei die Pferdefreunde ihre vierbeinigen Ar-beitskollegen nicht anbrüllen oder gar mit Gerte oder Peitsche traktieren, nein, eher leise und liebevoll reden sie mit ihren Tieren, sagen diesen, was zu tun ist. Rösser, die scheinbar jedes Wort verstehen, die ohne Zwang und mit sichtlichem Spass an der Sache die Übungsbaumstämme über die vielfältigen Hindernisse ziehen. Oder mit dem angespannten Holzschlitten durch einen Parcours laufen.Angemessene Beschäftigung für die KaltblüterDas ist keineswegs Tierquälerei, sondern die adäquate Beschäftigung für diese grossen, muskulösen Rösser, die seit Jahrhunderten für diesen Zweck gezüchtet wurden. Kaltblüter, die Pflugscharen ziehen, Waldarbeiten verrichten, vor jede Kutsche gespannt werden können, und die aufgrund ihrer Gutmütigkeit und Berechenbarkeit ideal für den therapeutischen Reitsport geeignet sind. Oder schlicht als Freizeitpartner ihren Besitzern viel Freude bereiten. Wie etwa der neunjährige Nick, ein Freiberger Wallach, der gemeinsam mit seinem Führer Sandro Rohner aus Widnau einen Baumstamm problemlos über die Wippen und Rampen des Übungsparcours wuchtet. Otto Waibel, Hufschmied aus Balgach, lässt seine 14-jährige Sunshine gerade den Holzschlitten ziehen. Sunshine ist ein aussergewöhnliches Pferd. Denn ihre Mutter wurde aus den USA importiert und mit einem belgischen Kaltblut gekreuzt. Und da ist da noch der «Oldie» und Übungsleiter der Truppe. Walter Spirig betreibt mit seiner Norikerstute Lolita schon lange das Holzrücken. Insgesamt sind es acht Männer, die sich immer wieder mit ihren starken langmähnigen Pferden auf dem Übungsplatz im Rheintaler Ried zusammenfinden. Um für die in der Schweiz sowie in Süddeutschland, Österreich und Südtirol stattfindenden Vergleichswettkämpfe zu trainieren, an denen die Rheintaler Übungsgruppe schon viele Siege und Podestplätze erreicht hat. «Die Ausbildungsdauer zum Holzrückepferd ist von Tier zu Tier verschieden. Ein gutes Rü-ckepferd wird zwei, drei Monate «eingefahren». «Die Feinheiten aber, nämlich ein gutes Ross, das auf die Stimme, die Tonlage und die Laute auf hohem Niveau reagiert, dauert ein, zwei Jahre», erzählt Andi Giger, der mit seinem Pferd Othello, ein achtjähriger Wallach aus der Rasse der Burgdorfer, schon an vielen Wettkämpfen teilnahm und auch einige Siege eingeheimst hat. Hobby, das aber im Wald genutzt werden kannAn und für sich ist das Holzrücken für Giger und seine Kollegen auf dem Übungsplatz ein typisches Hobby. Sie sind aber jederzeit in der Lage, echte Holzrückearbeiten im Wald anzunehmen. «Wir sind auf kurze Distanzen bis etwa gut fünfzig Meter viel effizienter und schonender als jede Maschine. Das Holzrücken über lange Distanzen wie noch vor fünfzig oder hundert Jahren ist natürlich heutzutage nicht mehr rentabel. Wobei ein gesundes, gut trainiertes Zugpferd etwa 10 bis 15 Prozent seines Körpergewichtes von etwa 500 bis 800 kg über eine längere Zeit problemlos ziehen kann, ohne dass negative gesundheitliche Folgen zu erwarten wären. Kurzfristig können diese stämmigen, muskelbepackten Tiere sogar Lasten bewegen, die über 100 Prozent ihres Körpergewichts betragen. Bei Wettkämpfen werden für kürzeste Zeit sogar bis zu 1700 kg gezogen. Diese Leistung ist wohl mit der Kraftexplosion eines menschlichen Gewichthebers zu vergleichen.

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