07.02.2021

Rheinecks neue Schulleiterin: "Ich habe keine Angst vor dem Druck"

Nathalie Meier wird Rheinecks neue Oberstufenleiterin. Nach Querelen an der Schule soll damit Ruhe einkehren.

Von Interview: Seraina Hess
aktualisiert am 03.11.2022
Hinter der Rheinecker Oberstufe liegen turbulente Zeiten. Der ehemalige Schulleiter Gregor Loser stand während Monaten stark in der Kritik: Nicht nur Eltern beklagten sich, auch die Lehrpersonen taten ihren Unmut öffentlich kund. Reklamationen über mangelnde Kommunikation, unzureichende Kompetenzen und einen diktatorischen Führungsstil sowie mehrere Lehrerabgänge gipfelten schliesslich nach nur zwei Jahren im Amt in seiner Kündigung. Nachdem der Rheinecker Primarschulleiter Thomas Kurer im Sommer die Führung der Oberstufe ad interim übernommen hat, steht nun die neue Leiterin fest: Nathalie Meier, 40-jährige Oberstufenlehrerin aus Rorschacherberg und Präsidentin von Sek 1 St. Gallen, dem kantonalen Verband der Oberstufenlehrpersonen, übernimmt das Schulleiteramt im August in einem 50-Prozent-Pensum.  Nach der Schieflage der Oberstufe erwarten Eltern und Lehrpersonen viel von der neuen Leitung. Setzt Sie das unter Druck? Nathalie Meier: Nicht mehr, als es beim Antritt einer neuen Stelle üblich ist. Ich bin grundsätzlich ein sehr positiv eingestellter Mensch und habe keine Angst vor dieser Aufgabe. Mir ist auch klar, dass man als Schulleiterin schnell kritisiert wird, zumal man in der Öffentlichkeit steht. War die Kritik an Ihrem Vorgänger also nur teilweise begründet? Darüber kann ich nicht urteilen. Gewisse Fehler hat er bestimmt gemacht, sonst wäre er noch Schulleiter. Aber es ist immer ein Zusammenspiel ganz unterschiedlicher Faktoren, die es verhindern, einen Job gut zu machen. Unklar ist auch, wie sehr die inzwischen fast ganz ausgewechselte Schulkommission eine Rolle gespielt hat. Offenbar waren Eltern und Lehrpersonen unzufrieden mit allen Beteiligten.Was ziehen Sie für sich aus der schwierigen Vorgeschichte? Was ich sicher tunlichst vermeiden will, sind gehäufte Kündigungen von Lehrerinnen und Lehrern, weil sie unzufrieden sind mit ihrem Arbeitsort. Auch mein Führungsstil wird anders sein. Natürlich bin ich Chefin, aber eben auch Teamplayer – gerade im Hinblick auf die Entwicklung des neuen Schulmodells, das letzten Endes von den Lehrpersonen getragen werden muss. Die Erarbeitung des neuen Schulmodells dürfte zu den grössten Herausforderungen gehören, die Sie erwarten. Das ist so. Die Schwierigkeit liegt aber darin, dass parallel zur Erarbeitung des neuen Schulmodells das neue Beurteilungssystem bis 2024 eingeführt und die IT-Bildungsoffensive bis 2026 umgesetzt werden muss.  Dabei ist bereits die Umstrukturierung allein ein gewaltiges Vorhaben. Zwei Jahre hat die Einführung des kooperativen Schulmodells an meinem alten Arbeitsplatz in Niederuzwil gedauert, wo ich in der Projektgruppe mitwirkte.  Umstrukturierung klingt sehr abstrakt – was könnte das für Rheineck konkret bedeuten? Die Oberstufe führt derzeit wie im ganzen Kanton Sekundar- und Realklassen unter einem Dach. Die Klassen weisen aber eine sehr geringe Schülerzahl auf, was auf Dauer nicht zulässig ist. Ein neues Modell könnte typengemischte Jahrgangsklassen bedeuten. Das würde heissen, dass Sekundar- und Realschüler des gleichen Jahrgangs gemeinsam unterrichtet werden. Das ist derzeit alles sehr spekulativ, weil ich meine Arbeit noch nicht aufgenommen habe, aber so sind inzwischen viele kleine Schulen organisiert. Letzten Endes soll es aber nicht einfach ein neues Modell sein, nur weil es der Kanton so will, sondern ein Modell, das für die Schule – für Schüler und Lehrer – stimmt. Ein Kritikpunkt an Ihrem Vorgänger war die fehlende Kommunikation. Wie gedenken Sie, an der Schule zu kommunizieren? Ich glaube, Kommunikation ist eines meiner Talente. Ich kommuniziere sehr direkt und ohne Umschweife. Darauf lege ich in meiner gesamten Arbeit Wert, ganz gleich, ob es meine Schüler sind, meine Vorgesetzten oder Behörden. Als dreifache Mutter weiss ich ausserdem nur zu gut, dass man im Bild sein will über alles, was an der Schule passiert, ganz gleich, ob es um Klassenumteilungen oder Problemfälle geht. Wenn ich wüsste, dass die Kommunikation intern wie auch extern nicht funktioniert, wäre es mir als Mutter unwohl, gerade in der Oberstufe. Weshalb? In diesen drei Jahren steht der Berufswahlprozess im Zentrum, es werden sehr wichtige Entscheide gefällt. Da kann man es sich nicht erlauben, nicht zu kommunizieren. Als Verbandspräsidentin sind Sie gut vernetzt. Schulleitungserfahrungen haben Sie bisher aber keine. Inwiefern sind Sie dieser Aufgabe gewachsen – gerade an einer Schule, die in den letzten Jahren von Problemen geprägt war? Zuerst: Ich glaube, die Schule hat heute keine Probleme mehr. Thomas Kurer, der die Leitung interimsweise übernommen hat, macht einen super Job. Ich bin der Aufgabe gewachsen, weil es mir auch als Präsidentin von Sek 1 St. Gallen gelingt, einen Verein mit über 1000 Mitgliedern zusammenzuhalten. Ich leite Sitzungen, bestimme Lehrervertretungen für Kommissionen des Bildungsdepartements oder des Amtes für Volksschule und erledige Administratives. Rheineck hat mich sicher auch gewählt, weil ich gut vernetzt bin und die zuständigen Personen beim Amt für Volksschule kenne, die unser Oberstufenmodell absegnen werden. Trotzdem absolvieren Sie demnächst die Schulleiterausbildung. War das Voraussetzung? Ja, war es, aber ich habe diese Herausforderung auch gesucht. Ich wollte ohnehin eine Weiterbildung in Angriff nehmen, wartete aber ab, weil ich letztes Jahr mit dem Gedanken gespielt hatte, ein viertes Mal Mutter zu werden. Die Module des CAS-Lehrganges sind exakt auf meine neuen Tätigkeiten zugeschnitten. Ich freue mich extrem darauf – auch darauf, bald mit erwachsenen Personen zu arbeiten. Entsteht dieser Wunsch, wenn man (zu) lange mit Kindern gearbeitet hat? Vielleicht. Nicht falsch verstehen, es ist sehr anspruchsvoll, vor Kindern und Jugendlichen zu stehen. Aber nach 15 Jahren Oberstufe fordert mich der Job nicht mehr im gleichen Mass wie am Anfang. Erwachsene zu führen ist beruflich der logische nächste Schritt für mich.  Rheinecks Oberstufe ist klein, das Team überschaubar. Hätte es Sie nicht gereizt, eine grössere Schule zu leiten? Durch die Aufgaben, die mich erwarten, ist Rheineck genau das, was ich gesucht habe. Hier kann ich alle meine Erfahrungen der letzten Jahre einbringen. Würde ich eine Schule übernehmen wie beispielsweise meine jetzige in Goldach, gäbe es nicht so viel anzupacken, da die Strukturen gefestigt sind. Ich hätte mich tatsächlich auch in Rorschach bewerben können, sogar auf ein 80-Prozent-Pensum. Aber das Verbandspräsidium mit einem Pensum von gut 20 Prozent hätte ich nicht bis im Sommer abgeben können. Die Anstellung mit 50-Prozent-Pensum passt deshalb, auch zu unserem Familienmodell.Sie sind offenbar stets auf der Suche nach neuen Herausforderungen. Ziehen Sie gleich wieder weiter, wenn die Aufgaben in Rheineck erledigt sind? Nein, das denke ich nicht. In Uzwil, meiner ersten Festanstellung, war ich zehn Jahre, hier in Goldach fünf Jahre – und wäre die Stelle in Rheineck nicht ausgeschrieben gewesen, wäre ich auch hier geblieben. Wenn ich einmal irgendwo bin und es mir gefällt, dann bleibe ich auch. Und ich gehe fest davon aus, dass es mir in Rheineck gefallen wird. 

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