03.12.2021

«Respektvoll im Sieg, fair in der Niederlage»

Thomas Walser ist Kampfrichter im olympischen und im Profiboxen, sein Vater Walter Walser eine Boxlegende. Ein Vater-Sohn-Gespräch.

Von pd
aktualisiert am 02.11.2022
Der 54-jährige Thomas Walser aus Widnau ist der einzige Ostschweizer Kampfrichter, Punkte- und Ringrichter für olympisches sowie Profiboxen. An drei Europameisterschaften, an zwei Weltmeisterschaften und an den vorolympischen Spielen von Ozeanien stand Walser im Einsatz sowie an vielen Turnieren, die vom Europaverband (EABA) und dem Weltverband (AIBA) durchgeführt wurden. Seit einigen Jahren amtet er auch als Profikampfrichter für die Verbände EBU und WBC.Dazu ist er auch Präsident des Box-Clubs Rheintal, den sein Vater gegründet hat. Der 80-jährige Walter Walser steht noch immer fast täglich als Trainer im Boxkeller in Au. Er sprach mit seinem Sohn über dessen Karriere.Walter Walser: Thomas, du hast strenge Wochenenden hinter dir. Weshalb? Thomas Walser: Ich war an der Schweizer Elite-Meisterschaft in Bern als Kampfrichter, eine Woche später hatte ich die Europameisterschaften des EBU als Punktrichter in Berlin. Und am kommenden Wochenende steht ein WBC-Titelkampf der Profi-Frauen in Basel an. Früher hattest du noch selbst gekämpft. Den ersten Kontakt zum Boxen hatte ich als Drei- oder Vierjähriger, natürlich durch deine Boxleidenschaft. Als Zehnjähriger fing ich an zu trainieren. Damals kämpfte ich für den Österreicher Verband, den Box-Club Rheintal gab’s noch nicht. Als 16-Jähriger habe ich mir den Staatsmeistertitel in Österreich erkämpft.Weshalb hast du als Kampfrichter angefangen? Wegen des immer grösser werdenden Aufwands für das Studium konnte ich das benötigte Trainingspensum nicht mehr absolvieren (damals fünf Einheiten pro Woche). Weil ich dem Boxsport jedoch nicht den Rücken zuwenden wollte, sah ich die Arbeit des Kampfrichters als mit dem Studium vereinbar.Welche Unterschiede bestehen zwischen Amateur- und Profiboxkämpfen? Das olympische Boxen ist wie Fechten ohne Waffen, dort zählt nur der korrekte Treffer. Beim Profi zählt die Qualität und die Härte des Schlages, mit dem Ziel, den Gegner auf die Bretter zu schicken. Bei den Amateuren zählt ein Knock down gleich viel wie jeder andere Schlag, das Anzählen dient nur dem Schutz des Athleten, bzw. der Athletin.Wie werden Kampfrichterinnen und-richter an internationalen Turnieren überwacht und allenfalls sanktioniert?  Vor einem grossen Turnier gibt es auch für Kampfrichterinnen und Kampfrichter eine medizinische Kontrolle, um sicher zu gehen, dass sie der Aufgabe körperlich gewachsen sind. Abhängig vom Punktesystem, das sich über die Jahre geändert hat, wird jedes Urteil von der Kampfrichterkommission überwacht und analysiert. Bei einem Fehlverhalten kann es dazu führen, dass der Kampfrichter oder die Kampfrichterin bis zu zwei Jahre gesperrt wird, das passiert an jedem grösseren Turnier. Die Überwachung ist stark, man kann sich zum Teil nicht frei bewegen, keinen Kontakt zu Trainern oder Boxern haben. Das Ganze macht mit der Zeit natürlich auch weniger Spass.Werden an Turnieren dennoch private Kontakte gepflegt?  Es gibt Gruppierungen an den Turnieren. Im Sinne der Fairness besucht man aber auch die Einsätze von Punktrichterinnen und -richtern verschiedener Herkunftsländer. Man lernt andere Kulturen kennen, ich schätze den internationalen Austausch.Hattest du auch schon unangenehme Reaktionen auf deine Entscheidungen?  Klar. Reaktionen im Affekt gibt es immer wieder, aber in un­terschiedlichem Ausmass, die meisten sind harmlos. Das sind Emotionen, die hochkochen, dann wird mal ein Stuhl umgeworfen oder so. Doch es gibt auch unschönere Momente, so habe ich auch mal einen tätlichen Angriff erleben müssen. Was wünschst du dir für den Boxsport und für den Box-Club Rheintal im Besonderen?  Für den Boxsport, dass er in seiner ureigenen Form bestehen kann. Das Gentleman-Boxen soll Fortbestand haben. Boxen ist eine Lebensschule, der Sport vermittelt körperliche und vor allem geistige Werte. Fair bleiben trotz Niederlage und beim Sieg den Respekt vor dem Ge­genüber nicht verlieren. Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft dies stärker wahrnimmt. Für den Box-Club Rheintal wünsche ich mir, dass er die aktuell auch auf andere Vereine zukommende Herausforderung meistert, und dass noch mehr motivierte Menschen den Zugang zu diesem Verein finden und so den Box-Club Rheintal weiter blühen lassen.

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