Gert BrudererAls René Wuffli 1991 bei der Rheintaler Druckerei und Verlag AG in Heerbrugg als Geschäftsführer begann, ging es der Firma zu schlecht, als dass die Aktionäre der Konkurrenz an einem Zusammenschluss interessiert gewesen wären. 1993 lehnten sie eine Fusion ab.Bereits zwei Jahre später zahlte sich das Wirken Wufflis erstmals aus: Nach Jahren des Darbens wurde endlich wieder eine Dividende ausgeschüttet.Es war der Anfang eines «goldenen Jahrzehnts», wie der damalige Verwaltungsratspräsident Christoph Rohner heute sagt.Eineinhalb Jahrzehnte später, der Inserateumsatz war gerade im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise um ein Drittel eingebrochen, trat René Wuffli vor die Belegschaft, erklärte die Massnahmen im Kampf gegen die Krise und sprach einen denkwürdigen Satz: «Für zwei Jahre ist unser Schober gefüllt.»Tatsächlich hatte das Unternehmen in den guten Zeiten fleissig Reserven gebildet, was der Belegschaft auch in angespannter Zeit ein gutes Gefühl vermittelte.Wirtschaftlich bedingte Entlassungen kann René Wuffli an zwei Händen abzählen. Kamen sie tatsächlich einmal vor, erfolgten sie unter Bedingungen, die es dem Chef erlaubten, den Entlassenen auch nach der Trennung noch in die Augen zu sehen.Ehrlichkeit zum Credo erhobenHatte René Wuffli anfangs eng geführt und alle Einzelheiten verstehen wollen, änderte er nach und nach den Stil, indem er andere mit weitreichenden Kompetenzen ausstattete, allerdings mit aufmerksamem Blick auf alle Kosten. In Führungsseminaren wurde das eigene Tun hinterfragt und nach der Typenlehre mit einer Farbe zum Ausdruck gebracht, was für ein Typ man war.René Wuffli wurde das Blau zugeordnet. Damit verbindet sich Gewissenhaftigkeit, analytische Sorgfalt, scharfe Beobachtungsgabe, Selbstdisziplin. Tatsächlich hob Christoph Rohner bei einer Laudatio vor ein paar Jahren genau diese Tugenden anerkennend hervor. Die Sorgfalt konnte allerdings auch ab und zu Geduld erfordern, weil Entscheidungen an eine Frucht gemahnten, die am Baum zu hängen hatte, bis sie wirklich reif geworden war.Den Anspruch, ehrlich zu den Mitarbeitenden zu sein, erhob der Chef zum Credo. Niemandem etwas vorzumachen, Leistungen nüchtern, aber auch fair zu beurteilen, verlangte er nicht nur von sich selbst, sondern von allen Führungskräften. Obschon als Chef auch selbst ein Angestellter, umgab ihn die Aura des Patrons, der eine klare Linie verfolgte und nie, wirklich nie aus der Haut fuhr.Wahrscheinlich ein einziges Mal rügte er jemanden schriftlich auf schroffe Weise, doch nach ein paar Tagen drückte er sein Bedauern aus und räumte selbstkritisch ein, übers Ziel hinausgeschossen zu sein.Grosse Umwälzungen zu meistern gehabtObschon als Chef eher zurückhaltend, fand der Frühaufsteher Freude an betrieblicher Geselligkeit. Internen Anlässen wohnte er in immer aufgeräumter Stimmung bei, und manchmal packte ihn sogar der Übermut. Beim Schlitteln geradeaus dem Tal zustreben zu wollen, hat sich mit dem Bruch von zwei, drei Rippen bitterlich gerächt. Gemeinschaftserlebnisse zeigten der Belegschaft eine ausserhalb der Arbeitszeit sehr angenehme Ungezwungenheit des Chefs, der seine Führungsriege in zweieinhalb Jahrzehnten ein einziges Mal zum Tragen einer Krawatte verpflichtet hatte – als die damalige Rheintaler Druckerei und Verlag AG einen besonders gediegenen Anlass durchführte.Dass René Wuffli bei Auftritten vor Publikum mehr als einmal von Veränderung als einziger Konstante sprach, kann nicht verwundern. Gerade als Geschäftsführer eines Medienhauses sowie Verwaltungsratspräsident während mehrerer Jahre hatte René Wuffli aus grossen Umwälzungen neue Chancen zu formen.Nach dem Bezug des Neubaus in Berneck brach 1997 die Ostschweizer Presselandschaft zusammen, was einen Kooperationsvertrag mit dem St. Galler Tagblatt zur Folge hatte – unter Wahrung der unternehmerischen Eigenständigkeit. Der Zeitungsdruck wurde in stattliche Druckzentren verlegt, 2011 kamen die Konkurrenzblätter «Rheintaler» und «Rheintalische Volkszeitung» unter das gleiche Dach, 2012 entstand die neue Galledia, zunächst als Joint Venture mit 50-Prozent-Beteiligung, bald darauf als hundertprozentige Tochtergesellschaft. 2014 wurde die «Volkszeitung»-Herausgeberin rva mit der Berrnecker rdv fusioniert.Redaktionelle Freiheit war ihm immer wichtigAls hätte er als CEO nicht genug zu tun gehabt, setzte sich René Wuffli auch für den Arbeitgeberverband ein, den er bis 2016 während sieben Jahren präsidierte. Als Mitglied der Jury, die den Preis der Rheintaler Wirtschaft vergab, begegnete er charismatischen Politgrössen wie den früheren deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker und Johannes Rau, dem einstigen Bundeskanzler Helmut Schmidt oder Ex- Aussenminister Hans-Dietrich Genscher. Als René Wuffli von Weizsäcker über unser schönes Tal in Kenntnis setzen wollte, winkte dieser ab, er wisse schon Bescheid. Denn erstens sei er schon ein paarmal durchgefahren, zweitens erwies sich von Weizsäcker als eine Persönlichkeit, die sich wie René Wuffli gewissenhaft auf aussergewöhnliche Anlässe vorzubereiten pflegte.Innerhalb des Arbeitgeberverbandes spürte René Wuffli viel Wohlwollen. Obschon Chef eines Medienhauses, erfuhr er oft Vertrauliches, sei es über bevorstehende Restrukturierungen oder andere wichtige Pläne. Solche internen Neuigkeiten hielt René Wuffli von der Redaktion ebenso fern wie es ihm nicht in den Sinn gekommen wäre, sich in redaktionelle Be-lange einzumischen. Fühlten sich politische Parteien oder kritisierte Persönlichkeiten schlecht behandelt, verteidigte er sorgfältige redaktionelle Tätigkeit ausnahmslos.Der Mann, der mit 80 Mitarbeitenden und einem Umsatz von 12 Mio. Franken begonnen hatte, blickt heute auf einen Konzern mit rund 220 Mitarbeitenden und 45 Mio. Franken Umsatz. Vor allem aber, dass das Unternehmen kerngesund ist, mit einer Eigenkapitalquote von über 60 Prozent, hat René Wuffli den Ruf eingebracht, «einen super Job» gemacht zu haben und ein «grosser Glücksfall» fürs Unternehmen gewesen zu sein.Angefangen hatte René Wufflis beruflicher Werdegang mit einer Schriftsetzerlehre bei der Buchdruckerei Wattwil, die den «Toggenburger» herausgab. Nach einem Volontariat auf der Redaktion beim «Thurgauer Volksfreund» arbeitete Wuffli in jungen Jahren bei Zollifkofer in St. Gallen, dem früheren Tagblatt-Herausgeber, als Redaktor für Beilagen und Sport. Wuffli war für die Fachzeitschrift des Grafischen Gewerbes (heute «Viscom») verantwortlich und hatte die Stabsstelle «Neue Medien» inne. Von 1984 bis 1991 schliesslich arbeitete er als Geschäftsführer und Redaktionsleiter bei der Buchdruckerei Wattwil.Die Zeitung ist immer erschienenNach den drei Jahrzehnten beim Bernecker Medienhaus kann René Wuffli befriedigt auch ein grosses tägliches Ziel als erfüllt betrachten: Die Zeitung ist immer erschienen, wenn auch in wenigen Einzelfällen als Notausgabe und unter Mitwirkung des Chefs höchstpersönlich, der sich auch schon morgens um vier oder fünf mit Zeitungen auf den Weg nach Oberriet oder Rüthi machte.Einen Effort der besonderen Art haben er selbst und seine Mitarbeiter zehn Jahre lang für einen Anass in Montreux erbracht, wo sozusagen der Oscar der Reisebranche verliehen wurde. Für den wichtigsten Kunden «Travel Inside» produzierte das Rheintaler Medienhaus jeweils ein eigenes Heft über den Abendanlass, das zwei Mitarbeiter mit dem ersten Zug nach Montreux brachten.Gingen dort um neun die Messetüren auf, lag das Heft bereit. «Wir haben jedes Mal gebangt, es aber immer geschafft», sagt René Wuffli.Das Rentnerdasein wird entspannter sein, jedoch nicht frei von Arbeit für die Allgemeinheit. Als Co-Programmverantwortlicher im Vorstand des Altstätter Diogenes-Theaters hat der in Berneck lebende René Wuffli eine neue Aufgabe gefunden.Dass der 66-Jährige und seine Gattin Cilli als Eltern zweier Söhne und einer Tochter inzwischen auch zwei Enkelinnen haben, bedeutet einen wöchentlichen Kinderhütetag in Zürich. Daneben wird gewandert und gelesen, vor allem aus zahlreichen Biografien hat René Wuffli für sich einen grossen Nutzen gezogen, indem er sein eigenes Führungsverhalten immer wieder kritisch hinterfragte.Und natürlich hat der Medienexperte künftig noch mehr Zeit fürs Zeitunglesen.Immer gegen Abend legt er sich den Zürcher «Tages-Anzeiger», den «Toggenburger» und natürlich den «Rheintaler» zurecht, um sich genüsslich seiner regelmässigen Lektüre zuzuwenden. René Wuffli sagt: «Das ist für mich der Höhepunkt des Tages.»