22.06.2022

René Reiter: «Ich komponiere nicht auf Papier»

René Reiter hat die «Messe für die Seelsorgeeinheit» komponiert. Der Kirchenchor Oberriet singt die Uraufführung.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 02.11.2022
René Reiter ist Musiker durch und durch. Seit etwa 20 Jahren leitet er den Katholischen Kirchenchor Oberriet. Auch der Männerchor im Dorf lässt sich von ihm den Takt angeben. Im Hauptberuf ist der Lustenauer Klavierlehrer. Eine seiner Leidenschaften spielt sich am E-Piano und Computer ab. René Reiter arrangiert bekannte Werke und komponiert neue. Im Juli kommt seine lateinische «Messe für die Seelsorgeeinheit» zur Uraufführung.René Reiter, es ist selten, dass im Rheintal eine Messe uraufgeführt wird. Wie kamen Sie dazu, eine zu komponieren?René Reiter: Vor acht Jahren führte die Seelsorgeeinheit Blattenberg eine Messe gemeinschaftlich auf. Damals trug jeder Kirchenchor ein musikalisches Element bei. Ich hatte den Kyrieruf für den Oberrieter Chor geschrieben. Passend dazu habe ich noch drei weitere Teile komponiert. Mit dem Gloria, Sanctus und Agnus Dei hat die Messe nun ihre jetzige Form.Auf das Glaubensbekenntnis verzichten Sie? Ja. Das Credo wird heute nur noch selten gesungen. Es ist wegen des Textes lang. Das Volk spricht es als Gebet. Der Chor will den Gottesdienst verschönern und die Gläubigen sollen gern zuhören.Beschreiben Sie bitte, was Ihr Werk kennzeichnet. Die Messe ist ein rhythmisch imitatorisches Werk. Alle drei Stimmen singen zeitversetzt exakt den gleichen Rhythmus in anderen Melodien. Es ist ähnlich wie bei einem Kanon. Bei dieser Art Lied singen aber alle Stimmen die gleiche Melodie. Das Prinzip zieht sich durch die Messe.Das klingt kompliziert. Ja. Die Messe ist auch anspruchsvoll zu singen. Beim Dirigieren ist es wichtig, jeder Stimme den richtigen Einsatz zu geben und das Tempo zu halten. Den beiden Alt-Stimmen und dem Sopran stelle ich jeweils eine Klarinette unterstützend zur Seite. Die Orgel spielt eine eigene Stimme.Tönt das harmonisch oder schräg? Es klingt harmonisch. Die Zuhörerinnen und Zuhörer wird das versetzte Singen wohl überraschen. Es ist ungewohnt.Glauben Sie, dass die Messe grosse Beachtung findet? Das würde mich freuen, aber es gibt wenig Kirchenchöre, die reine Frauenchöre sind. Wir haben seit einigen Jahren nur noch Sängerinnen. Die Messe habe ich für sie geschrieben.Schränkt Sie diese Tatsache in der Auswahl der Literatur arg ein? Viele Chorsätze habe ich für den Frauenchor umgeschrieben. Das mache ich gern, es braucht aber viel Zeit. Zum Beispiel habe ich das wunderschöne «You Raise Me Up» von Josh Groban massgeschneidert arrangiert und eine Partie für unsere Solistin Manuela Gschwend eingebaut.Sie sind Klavierlehrer. Haben Sie auch das Fach Komposition studiert? Das Komponieren habe ich mir im Selbststudium angeeignet. Ich war schon immer an der Harmonielehre und Gehörbildung interessiert. Mein Grossvater Franz Reiter war Kapellmeister in St. Margrethen. Er hatte Lehrbücher, und die ackerte ich durch, um zu verstehen, wie Akkorde aufgebaut sind und wann sie gut klingen. Erst danach besuchte ich das Konser­vatorium in Feldkirch. Als ersten Chor leitete ich Ende der 1980er-Jahre einen Jugendchor in Dornbirn. Es war schon damals schwierig, geeignete Literatur zu finden. Ich begann, Partituren auf dem Computer umzuschreiben. Es war gerade das erste Notenprogramm auf dem Markt.Sie benutzen also längst nicht mehr Papier, Bleistift und Radiergummi? Ja. Ich arbeite heute gar nicht mehr auf Papier. Ich spiele auf dem E-Piano und gebe die Noten von Hand in den Computer ein. Das sind meine Werkzeuge.Und dann drucken Sie die Partitur aus? Ich dirigiere ab Tablet. Ich brauche nicht mehr zu blättern, wische die Seiten nur noch weiter. Es gibt heute so gute Software, dass ich mein komplettes Notenarchiv, eine Stimmgabel und das Metronom auf dem Tablet habe. Nur die Sängerinnen singen noch vom Blatt.Arbeiten sie voll digitalisiert? Ich schöpfe alle technischen Möglichkeiten aus, um die Arbeit zu erleichtern und ein professionelles Ergebnis zu erzielen. Ich nutze zum Beispiel ein Singprogramm. Es generiert die gewünschte Singstimme aus den Noten. Die Sängerinnen können dann beim Üben zu Hause ihren Part immer wieder hören. Sie klingt zwar nicht schön, Text, Rhythmus und Melodie stimmen aber. Wer sich nicht selbst mit einem Instrument begleiten kann, hört so, wie die eigene Stimme richtig klingt. Am Ausdruck zu arbeiten, ist dann meine Aufgabe.Hinweis: Die Uraufführung ist am Sonntag, 3. Juli, um 10 Uhr am Kirchenfest.

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