05.01.2022

Reiseunternehmen lösen Cars aus

Das Weihnachtsgeschäft in der Reisebranche war lausig. Rheintaler Betriebe leiden unter der Planungsunsicherheit.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 02.11.2022
«Alles liegt im Ungewissen», sagt Petra Sieber. Sie ist Mitinhaberin von Rheintal-Reisen Sieber in Diepoldsau und in einer «ganz schwierigen Situation». Sie weiss nicht, was das Reisecarunternehmen in den nächsten Wochen zu erwarten hat. Zurzeit stehen keine oder kaum Fahrten im Auftragsbuch. «Wir sollten aber parat sein, falls sich eine Nachfrage entwickelt.» Ob dies in naher Zukunft der Fall sein wird, hängt vor allem davon ab, ob Schulklassen ins Skilager fahren (Ausgaben vom 4. und 5. Januar). Vor einem Jahr hatte der Kanton Skilager untersagt. Jetzt entscheiden die Schulgemeinden über eine Durchführung. «Ich weiss nicht, ob wir eine Entschädigung für unsere Ausfälle bekämen, da der Kanton kein Verbot ausgesprochen hat», äussert Sieber ihre Bedenken. Sie hofft, gegebenenfalls Kurzarbeit anmelden zu dürfen.Kosten sparen und doch flexibel bleiben«Wir sind von heute auf morgen einsatzbereit», sagt Petra Sieber. Die Kontrollnummern der drei Reisecars, zwei Midicars und des Kleinbusses hat das Unternehmen seit Mitte Dezember bei der Post ausgelöst und kann diese bei Bedarf innert Tagesfrist aktivieren. «So sparen wir Kosten und bleiben flexibel.» Ausserhalb der Familie hat Rheintal-Reisen Sieber keine fixen Personalkosten zu tragen. Externe Chauffeure sind als Aushilfen tätig. Einer Büroangestellten musste man mangels Aufträgen kündigen. Der Sohn des Inhaberehepaares wechselte in ein anderes Unternehmen.Anfragen für Carfahrten im Frühling treffen nur zögerlich beim Diepoldsauer Unternehmen ein. «Vereine und Firmen halten sich zurück. Sie hoffen wohl darauf, dass es im Herbst weniger Einschränkungen geben wird», sagt Petra Sieber. Sie rechnet damit, dass viele Gruppen kurzfristig geplante Tagesausflüge mehrtägigen Fahrten vorziehen werden. Der Schnauf geht dem Familienunternehmen dennoch nicht aus. «Mein Mann und ich sind zuversichtlich und erstellen ein Jahresprogramm.»Umsatz war 2021 noch dürftiger als im VorjahrAls «harzig» bezeichnet Urs Steiger, Gründer und Geschäftsführer des Reise-Treffs Steiger in Altstätten, das abgelaufene Jahr. «Wir hatten keine einzige Carreise», sagt er. Das Büro organisiert meist Fussballfahrten und lässt sie von Rheintal-Reisen Sieber durchführen. Seine Einnahmen konnte das Reisebüro dank des Härtefallgelds aufbessern. «Wir wurden unterstützt und mussten unsere Reserven nur in geringem Umfang antasten», sagt Urs Steiger. Vor der Pandemie erlebte er ein Rekordjahr, 2020 sank der Umsatz auf einen Drittel und 2021 blieb er sogar darunter. «Das ist ungenügend.»Viele Kundinnen und Kunden waren auch im vergangenen Jahr willens, zu verreisen. Sie buchten aber meist äusserst kurzfristig, um die Neuigkeiten des BAG abzuwarten. Jeweils zwei Tage nach einem Entscheid, sofern weitere Einschränkungen ausgeblieben waren, kamen viele Leute ins Reisebüro und buchten. «Die Quarantänepflicht bei der Rückreise in die Schweiz war ein Ferienkiller», sagt Urs Steiger. Sie galt für Ägypten gerade so lange, dass nahezu alle Kundinnen und Kunden ihre Reise über Weihnachten stornierten. «Als die Regel nach drei Tagen wieder aufgehoben war, buchte ein einziger Kunde erneut.» Es gebe keine Versicherung, die eine Pflicht zur Quarantäne bei der Rückreise decke. In solch einem Fall hofft man auf die Kulanz des Veranstalters. «Die Leute wollen in die Ferien», sagt Urs Steiger. «Sie akzeptieren unsere Richtlinien, über die wir sie vor der Buchung klar informiert haben.»Ob mehr Menschen verreisen werden, nachdem die Quarantäne von zehn auf sieben Tage verkürzt wurde, bezweifelt Urs Steiger. «Wahrscheinlich macht die neue Regelung für uns nicht viel aus», sagt er. Vielleicht könne sich der eine oder die andere eher erlauben, eine Woche statt zehn Tage lang im Homeoffice zu arbeiten. Für das noch junge Geschäftsjahr ist Urs Steiger vorsichtig optimistisch. «Wir bieten den Leuten den grösstmöglichen Support, damit sie sicher von Haustür zu Haustür kommen.» Sie erhalten eine Checkliste, auf der die Dinge aufgelistet sind, die sie zu organisieren haben. «Bei Bedarf füllen wir ihnen auch alle nötigen Formulare aus.»Das Reisen ist zum Tagesgeschäft geworden«Das Weihnachtsgeschäft ist faktisch weggebrochen», sagt Remo Köppel, Mitinhaber der Köppel Ferien AG in Au. Die Weihnachtsmärkte im umliegenden Ausland wurden abgesagt. Im Inland verzichteten Firmen und Vereine von vornherein auf Weihnachtsessen oder sagten sie im letzten Moment ab. «Es ist schwer, Carfahrten zu planen, wenn sich die Regeln dauernd ändern», sagt Remo Köppel. «Du weisst nicht, was in ein paar Tagen oder Monaten gilt.» Folglich warten Kundinnen und Kunden mit ihrer Buchung. Das Reisen sei tagesaktuell geworden: «Wir planen von Tag zu Tag oder von Monat zu Monat.» Die Reisebranche rechnet damit, dass das Geschäft in diesem Jahr nicht besser läuft als 2021 und sich frühestens 2023 erholt. Aufträge für das Wintergeschäft seien zwar eingegangen, «wir gehen aber davon aus, dass die Skilager nicht alle durchgeführt werden», sagt Köppel. Das BAG hat empfohlen, im Januar auf Lager zu verzichten, nun liegt es an den Schulen, das Risiko abzuwägen. Dieser Umstand trage zu einer allgemeinen Verunsicherung bei. Weiter beobachtet Remo Köppel, dass viele Reisewillige lieber privat als im Kollektiv unterwegs seien. Selbst wenn die Regeln Gruppenreisen im Car zulassen, finden sie kaum ihr Publikum. Viele Menschen sind unsicher und entscheiden sich im Zweifelsfall gegen eine Gruppenreise im Car.Die Reisebranche erwartet MarktbereinigungEin existenzielles Problem verortet Remo Köppel bei der Kurzarbeitsentschädigung. Für Selbstständigerwerbende wurde sie kürzlich zwar verlängert. «Es ist aber noch nicht klar, ob sie ausbezahlt wird, wenn weder Bund noch Kanton klare Bestimmungen aufstellen.» Er glaubt, dass es in der Reisebranche früher oder später zu einer Bereinigung kommen wird. «Wer nicht von der Substanz leben kann oder einen Kredit aufnimmt, hat es schwer, liquide zu bleiben», sagt er. Selbst wer einen Car verkaufen will oder muss, könne oft keine flüssigen Mittel generieren. «Der Markt ist ausgetrocknet. Man kann frühestens im nächsten Jahr einen Car zu sonst üblichen Preisen verkaufen.»

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