Sara BurkhardWeit oben im Norden Norwegens ragen schwarze Schieferfelsen steil aus dem Eismeer. Knapp 300 Meter hoch ist der nördlichste Punkt des europäischen Festlandes. Hier ist die Natur rau, karg und spektakulär, die Wellen peitschen auf der Insel Magerøya eiskalt gegen das Nordkap. Doch so unwirtlich das auch klingen mag: Die magische Schönheit der Landschaft und der nördliche Sommer, in dem die Sonne einen ganzen Monat lang nicht untergeht, ziehen viele in ihren Bann. Und genau hierhin wollen auch Helen und Roland Schönauer aus Rebstein. Es ist eine Reise, die viele Woche dauern wird.
Immer auf der Suche nach einem neuen Projekt
Schönauers sind im Dorf keine Unbekannten. Die Eltern zweier erwachsener Söhne sind engagiert in der Gemeinde unterwegs, Helen Schönauer hat zusammen mit ihrer Schwägerin ein eigenes Unternehmen, das Pasta herstellt. Ihr Gatte Roland Schönauer war unter anderem viele Jahre Präsident der Oberstufe und Primarschule. Im Februar war es für den 65-Jährigen Zeit, von seinem Posten als Abteilungsleiter bei der RhV Elektrotechnik Abschied zu nehmen und in Pension zu gehen. «Für mich war von Anfang an klar, dass da neue Ideen auftauchen würden», sagt er und lacht.Er behielt Recht: Langeweile stellte sich definitiv keine ein und ein neues Projekt war schnell gefunden. «Wir waren bereits in Schweden, da hat es uns sehr gefallen und die Route Richtung Nordkap ist wirklich atemberaubend», erzählt Helen Schönauer.
Für beide stand fest, dass sie die Reise nicht mit dem Flugzeug oder Auto, sondern mit dem Velo in Angriff nehmen wollten. «Jetzt haben wir endlich keine Termine mehr, können uns Zeit lassen, Halt machen, etwas geniessen und anschauen, wann und solange wir wollen. Und wir müssen auch nicht auf ein bestimmtes Datum wieder zu Hause sein.» Roland Schönauer fügt hinzu: «Sind wir eine Woche länger oder weniger lang unterwegs als geplant, spielt das keine Rolle – das ist toll.»
Dass es direkt nach der Pensionierung los geht, war beiden wichtig. «Wir wollten die Reise nicht als weit entferntes Ziel vor Augen haben, so im Sinn von: ‹Das machen wir irgendwann einmal›», sagt Helen Schönauer. Und auch wenn sie selbst noch nicht pensioniert ist, hat sie sich ihren Job so zurechtgelegt, dass sie gut eine Pause einlegen kann.
Bis anhin die längste Veloreise
Die Familie Schönauer ist mit langen Veloreisen vertraut. Bereits mit den Söhnen wurden früher lange Strecken zurückgelegt, beispielsweise nach Wien oder Prag. Velofahren und das dazugehörende Packen der Ausrüstung ist man sich also gewohnt. Doch die Fahrt Richtung Nordkap ist dann doch eine Nummer grösser als bisher: Rund 3500 Kilometer gilt es zu strampeln – pro Weg. «Wir hoffen, ungefähr 100 Kilometer pro Tag zu schaffen. Und dann über Schweden Richtung Norwegen rauf», sagt Roland Schönauer. «Was uns sehr fasziniert, ist die Gegend, es hat viel weniger Leute und eine tolle Natur». Auch Ruhetage dürfen nicht vernachlässigt werden. Der Zeitplan ist so gelegt, dass das Paar genau während des wichtigen schwedischen Feiertages, dem «Midsommar», durch Skandinavien strampelt. «Wir haben bewusst so geplant, denn das möchten wir sehr gern einmal erleben. Es soll wirklich ein riesiges Fest sein», sagt Helen Schönauer.
Für fast alle Notfälle gewappnet
Mit der Familie werden Schönauers via WhatsApp in Kontakt bleiben. Übernachtet wird voraussichtlich meist im eingepackten Zelt, eine Feldküche ist auch dabei, ausserdem Essensreserven für jeweils gut zwei Tage. Normale Reparaturen wie platte Reifen, Kettenrisse oder Ähnliches können auch repariert werden. Ein spontanes Treffen in der Natur mit Schwedens bekannten Elchen würde die beiden sehr freuen, «auf Bären oder Wölfe können wir aber getrost verzichten», sagt Roland Schönauer.Reisezeit von Osternbis im JuliLosgefahren sind Schönauers am Ostermontag.
Läuft alles rund, ist das Paar Mitte bis Ende Juli wieder zurück von der Reise ans Nordkap. Und danach wird weitergeschaut: «Das ist unser erstes grös-seres Projekt seit meiner Pensionierung, mal schauen, was danach kommt. Es gibt bestimmt neue Ziele», sagt Roland Schönauer. Und wenn seine Gattin dereinst in Pension geht? «Dann fahren wir vielleicht in die andere Richtung los, wer weiss», sagt Helen Schönauer lachend.