12.08.2018

Reise an den Blumenkorso von Nizza

Im Juli 1968 unternahm der Musikverein eine Reise an den Blumenkorso. Für viele war es ein Abenteuer, gespickt mit bleibenden Eindrücken: Das Meer, die Blumen und der Auftritt vor 150000 Schaulustigen.

«Ich kann mich noch gut erinnern», sagt Hansueli Nüesch aus Balgach. «Es war meine erste Reise ans Meer.» Wie ihm ist es vielen der 35 Musikanten mit Anhang und sechs Ehrendamen ergangen. Die Fahrt an den Blumenkorso von Nizza war ein Höhepunkt in der Vereinsgeschichte des Musikvereins. Obschon die Anreise strapaziös und langwierig war – die italienische Bahn war im Streik – wurde gejasst, geplaudert und musiziert. In Genua erblickten die meisten Teilnehmenden zum ersten Mal das Meer: «Diesen Moment werde ich niemals vergessen», sagt Nüesch und ergänzt: «Wir wähnten uns im Paradies. Die Reise führte der Küste entlang, vorbei an Tomatenplantagen, Nelken- und Rosenkulturen sowie Villen an Berghängen mit prächtigen Gärten.» Nach 17-stündiger Fahrt erreichte der Musikverein seinen Bestimmungsort. Während sich einige von der beschwerlichen Reise erholten, steuerte der 20-jährige Nüesch mit seinen Kameraden das Meer an. Dabei hat es der Fahnenträger mit dem Sonnenbad jedoch übertrieben, sodass er infolge Sonnenstichs seine Aufgabe am Korso nicht mehr ausführen konnte. Die Balgacher wurden vom Organisationschef willkommen geheissen – es wurden Gastgeschenke ausgetauscht und Champagner getrunken. Am Samstagabend startete der Blumenkorso. Die Musikanten begleiteten einen von über zehn aufwendig geschmückten Blumenwagen über die Promenade des Anglais, die von mehr als 150000 Zuschauern gesäumt war. Für die sieben Meter langen, zwei Meter breiten und bis zu sechs Meter hohen Wagen wurden mehr als 5000 verschiedene Blumen aus der Region verwendet: Nelken, Rosen, Gladiolen, aber auch Dahlien, Lilien und Mimosen. «Es war traumhaft schön», sagt Hansueli Nüesch und weiter: «Es war für uns Musikanten eine gewaltige Marschleistung, aber die Müdigkeit verschwand ob der Begeisterung des Publikums.» Beifall und Lachstürme erzeugte der von Hermann Lampert konstruierte Paukenwagen. Es handelte sich um einen abgeänderten Kinderwagen, so der Balgacher. Als Hochzeitsreise genutztWährend sich die jüngeren Musikanten nach dem Umzug ins Nachtleben der Grossstadt Nizza stürzten und dabei manch Neues entdeckten, nutzten Alice und Werner Schmidheiny, die Eltern der heutigen Präsidentin des Musikvereins, den Anlass als Hochzeits­reise. Bevor es am Montagabend mit dem Zug zurück in die Ostschweiz ging, unternahm der Verein einen Ausflug über Eze nach Monaco. Dabei besichtigten sie eine Parfümfabrik und erfuhren, dass aus einer Tonne Blumen ein Liter reines Blumenkonzentrat entsteht. Auch erlebten sie die Ablösungszeremonie der Palastwache, besuchten das ozeanische Museum mit Aquarium. Die Heimfahrt verlief weit flüssiger als die Hinfahrt. «Bei einem einstündigen Aufenthalt in Genua um Mitternacht gaben unsere Stegreifler vor zahlreichem Publikum ein Ständchen», erinnert sich Nüesch. Bei der Ankunft in Heerbrugg spielte der Musikverein noch drei Märsche zur Begrüssung. Gemäss Nüesch verabschiedeten sich die müden Musiker, während die anderen nach der Parole «Ehe sie gingen, tranken sie noch eins» die «Rätia» aufsuchten. «Wir waren alle begeistert von der Reise. Viele tolle Erlebnisse und Eindrücke waren damit verbunden: das Meer, die Grossstadt, der Blumenkorso sowie die Gastfreundschaft, die Stimmung und dass alle gesund zurückgekehrt sind. Lange lieferte die Reise Gesprächsstoff.» (bes)

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