10.11.2020

Regierung rechtfertigt den Alleingang

Die St. Galler Regierung erklärt ihren umstrittenen Entscheid zu den Berufsschulen. Drei Rheintaler CVP-Kantonsräte, Andreas Broger, Patrick Dürr sowie Michael Schöbi, hatten in einem Vorstoss der CVP-EVP-Fraktion des Kantonsrats mehr Informationen vor allem zur Zukunft des BZR Altstätten gefordert.

Von Adrian Vögele
aktualisiert am 03.11.2022
Ein «Schock», ein «Schnellschuss», ein «Entscheid aus heiterem Himmel»: Die St. Galler Regierung wurde vergangene Woche hart kritisiert für ihre Ankündigung, das Berufs- und Weiterbildungszentrum für Gesundheits- und Sozialberufe (BZGS) von St. Gallen nach Rorschach zu verlegen. Der Standort Rorschach soll sich ganz auf diese Bereiche konzentrieren. Heute gehen am Berufs- und Weiterbildungszentrum (BZR) in Rorschach auch Lernende aus Technik, Wirtschaft, Logistik, Floristik und Gartenbau sowie Gewerbe zur Schule. Künftig sollen sie auf andere Standorte verteilt werden. Der Beschluss treffe die Schule ohne Vorwarnung, kritisierte Werner Fuchs, Präsident der Berufsfachschulkommission des BZR. Der Rorschacher Schulpräsident und SP-Kantonsrat Guido Etterlin bezeichnet es als «unanständig», dass alle Beteiligten übergangen worden seien. Auch bürgerliche Kantonsräte aus der Region bezeichnen die Kommunikation des Bildungsdepartements als «unglücklich» und «ungenügend». Bildungsdirektor Stefan Kölliker entgegnete, die Faktenlage sei überzeugend – die Regierung habe handeln müssen. Die CVP-EVP-Fraktion wollte Genaueres wissen. Sie fragt in einem Vorstoss, wie die Rorschacher Berufsfachschulkommission und die Schulleitung in den Entscheidungsprozess einbezogen worden seien. Fundamentalen Widerstand befürchtetDie Regierung antwortet, der Beschluss sei «top-down» getroffen worden – «mit Ausnahme eines vertraulichen Einbezugs der beiden betroffenen Rektoren». Das sei mit Blick auf das Berufsbildungssystem als Ganzes nicht anders möglich gewesen. Wären die lokalen Verantwortungsträger einbezogen worden, so hätten sie «ohne Kompromissbereitschaft auf den Erhalt der bestehenden Struktur» fokussiert, schreibt die Regierung. Die lokale und regionale Kritik sei erwartbar und verständlich, müsse aber mit Rücksicht auf den übergeordneten Auftrag in Kauf genommen werden. In die nächsten Planungsschritte und die Klärung der vielen offenen Detailfragen sollen die Beteiligten aber einbezogen werden.Die Berufsfachschulen im Kanton hätten insgesamt räumliche Überkapazitäten in der Grössenordnung einer ganzen Schule, so die Regierung weiter. Bis 2030 rechnet sie mit einer Raumreserve von 80 Schulzimmern. Der Auftrag des Parlaments, «ausgelastete Kompetenzzentren» zu planen, könne «nicht ohne Preisgabe einer Schule beziehungsweise Schulführung» erfüllt werden.  Darum erachtet es die Regierung als am besten, den Mietstandort für das BZGS in der Stadt St. Gallen – wo zwei weitere grosse Schulen angesiedelt bleiben – aufzugeben und nach Rorschach zu verlegen. «Würde dies nicht getan, würde mittelfristig der Berufsfachschulstandort Rorschach Gefahr laufen, ersatzlos wegzufallen.»Am BZR bestehe erstens dringender Sanierungsbedarf, zweitens ziehe der Thurgau rund 200 Lernende von dort in den eigenen Kanton ab, und drittens sei für die Rorschacher Schülerinnen und Schüler in der Regel auch der Schulweg an eine der anderen Berufsfachschulen zumutbar. Hinzu kommt, dass das BZGS in St. Gallen heute provisorisch in «teuren privaten Mietobjekten» untergebracht sei.Einen Abbau von Arbeitsplätzen infolge der Neuorganisation sieht die Regierung nicht vor. In der Tendenz seien voraussichtlich eher mehr Arbeitsplätze zu besetzen. Allerdings würden bestehende Arbeitsplätze auf andere Standorte zu liegen kommen – «mit zumutbaren Arbeitswegen».Die Regierung plant, mit der neuen Organisation ab dem Schuljahr 2023/24 zu starten und den Wechsel bis Ende Schuljahr 2026/27 zu vollziehen.Die CVP erkundigte sich ausserdem nach den Plänen für die Berufsfachschule in Altstätten. Die Regierung antwortet, die Schule werde auch in Zukunft benötigt, Altstätten bleibe als Standort gesetzt. Die künftigen Angebote der Schule seien zurzeit offen.Grüne fordern ein MoratoriumDie kritischen Stimmen dürften damit noch lange nicht besänftigt sein. Die Grünen des Kantons St. Gallen schreiben als Reaktion auf die Antworten der Regierung: «Solche Gründe mögen mittel- und langfristig für eine Organisationsentwicklung relevant sein, für einen derart kurzfristigen Entscheid genügen sie nicht.» Bisher sei nie die Rede davon gewesen, «dass das Berufsfachschulwesen organisatorisch und finanziell Probleme bereitet und Schulen geschlossen werden müssten. Die Regierung hat mit dieser vermeintlichen Schnäppchen-Aktion viel Vertrauen zerstört.» Die Grünen zweifeln darum daran, «ob es weiterhin richtig ist, die Kompetenz für die Standorte der Berufsfachschulen weiterhin bei der Regierung zu lassen». Die Partei fordert ein Moratorium für den Vollzug. Dieses soll gelten, bis der Postulatsbericht zur Investitionsplanung der Sekundarstufe II vorliegt. Diesen hatte das Parlament in Auftrag gegeben. 

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