06.07.2021

Redeverbot statt Interview

Das Interview zur Frühpension von HPS-Leiter Urs Bösch erscheint nicht. Der Vorstand drohte ihm mit einem Anwalt.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 03.11.2022
Monika von der Linden Zum Schuljahresbeginn 2011/12 übernahm Urs Bösch die Leitung der Heilpädagogischen Schule (HPS) in Heerbrugg. Ende der Woche geht der Institutionsleiter im Alter von 63 Jahren in Frühpension. Im Interview spricht Urs Bösch darüber, welche seiner Ziele er innerhalb der Heilpädagogischen Vereinigung Rheintal (HPV) erreicht hat und wo Wünsche offen bleiben. Vor dem Gespräch hatte Urs Bösch den Vorstand informiert, dass er einen Pressetermin habe. Darauf intervenierte der Präsident, Carsten Zeiske, bei der Redaktion und bat, sie möge von einem Zeitungsbeitrag Abstand nehmen. Das Interview enthält Kritik am Vorstand. Es geht um die vor etwa drei Jahren in Angriff genommene Organisationsentwicklung und einen vom Vorstand vollzogenen Kurswechsel. Im Kern ging es darum, dass Synergien genutzt werden und die Aufgaben nicht mehr an Funktionen gebunden sein sollten. Dazu erarbeitete die HPV mit Unterstützung des RUZ (Raiffeisen Unternehmungszentrum Gossau) ein neues Führungsmodell. Der Vorstand erliess ein Organisationsreglement. Ohne dieses anzupassen, benannte er die im Sommer 2020 eingestellte Pädagogische Leiterin zur Schulleiterin. Diese beiden Begriffe lassen sich nicht ohne weiteres austauschen, die jeweiligen Aufgaben sind nicht deckungsgleich.Im August übernimmt ein gleichberechtigtes Dreierteam die Leitung der HPS, des LDM (Logopädischer Dienst Mittelrheintal) und der HPV mit definierten Aufgaben und Verantwortungen. Es besteht aus Irène Inauen (Schulleitung HPS), Nicole Hanselmann (Betriebsleitung HPS und LDM) und Katja Meier (Dienstleitung LDM) (siehe Beitrag vom 27. Juni).Aufgrund der Meinungsverschiedenheiten schlug Urs Bösch eine Mediation oder Supervision vor. Der Vorstand lehnte dies ab. Daraufhin kündigte Urs Bösch.Konfrontiert mit den Vorwürfen und der Bitte um Stellungnahme ersuchte der Präsident die Redaktion erneut, auf die Publikation des Interviews zu verzichten. Sonst müsse Urs Bösch mit Folgen rechnen. Schliesslich drohte der Vorstand Urs Bösch mit rechtlichen Schritten. Daraufhin zog dieser seine Aussagen zurück.Die Kinder werden heute an ihren Stärken gemessenUrs Bösch entwickelte die Institution als ihr Leiter in den ersten neun Jahren positiv. Das bestreitet auch der Präsident nicht. Zum Beispiel erleichterte die HPV den Kindern ohne Sprache, mittels Technik und zwischenmenschlicher Kontakte zu kommunizieren. Im Fachjargon nennt man das Unterstützte Kommunikation (UK). Weiter verbesserte die HPS den Berufsfindungsprozess in der Oberstufe. Als Urs Bösch im August 2011 seine Stelle antrat, störte er sich daran, dass die Schülerinnen und Schüler an ihren Defiziten gemessen wurden. Inzwischen interessieren nicht mehr die Schwächen, sondern die Stärken der Kinder. Dazu wendet die HPV die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit (ICF) an. Sie beschreibt einheitlich, was ein Kind kann und wie es folglich unterstützt und begleitet wird. Kann ein Kind zum Beispiel selbstständig Schuhe binden, beherrscht es auch den Pinzettengriff. Heute besuchen 110 Kinder und Jugendliche die Schule, vor zehn Jahren waren es 73. Der steigenden Schülerzahl trug die Institution mit mehreren Bauprojekten Rechnung.

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