27.11.2019

Rat will Sozialhilfe nicht kürzen

Carmen Bruss wollte jene Bezüger benachteiligen, die noch nie gearbeitet haben. Sie ist mit ihrer Motion gescheitert.

Von Max Tinner
aktualisiert am 03.11.2022
Max TinnerWer nie in die Sozialwerke eingezahlt hat, soll nur noch das Nötigste bekommen, wenn er Sozialhilfe will: Mit einer Motion wollte Carmen Bruss solchen Bezügern die Leistungen um 30 Prozent kürzen. Ihr Vorstoss kam gestern in den Rat – dort aber nicht über die Eintretensdebatte hinaus. Alle Fraktionen mit Ausnahme der SVP waren sich einig, dass die Gesetzesänderung «nicht sachgerecht» wäre und die Forderung darüber hinaus «unnötig» sei.Klöti: «Sozialhilfe ist keine Versicherung»Sie teilten die Ansicht der Regierung, dass Arbeitnehmerbeiträge (gemeint sind die Lohnabzüge) keine Voraussetzung für den Anspruch auf Sozialhilfe sein können. «Weil die Sozialhilfe keine Sozialversicherung ist wie die Arbeitslosenversicherung», begründete Regierungsrat Martin Klöti als Vorsteher des zuständigen Departements des Innern. Sie werde zudem nicht mit Lohnbeiträgen finanziert, sondern mit öffentlichen Geldern, sprich Steuern.Bruss: «Erst soll man etwas dafür tun»Für Carmen Bruss läuft das aufs Selbe hinaus: «Viele verstehen nicht, dass Leute Sozialhilfe beanspruchen können, die nie Steuern bezahlt haben», hielt sie fest. Dies sei ein Affront für jene, die mit über 55 Jahren ausgesteuert und sozialhilfebedürftig werden, die aber im Gegensatz zu den Vorgenannten jahrelang gearbeitet und Steuern bezahlt haben. Ihnen sollte man eine Bevorzugung zugestehen und damit Wertschätzung zeigen. «Wir sind eine Leistungsgesellschaft – das gilt es zu respektieren», meinte Bruss.Jene bekommen heute schon wenigerDie Regierung ist allerdings der Ansicht, dass das Gesetz ihrer Forderung bereits heute nachkommt, weil Asylsuchende und junge Erwachsene weniger Sozialhilfe bekommen als andere Bezüger. «Für weitere Kürzungen besteht kein Spielraum», sagte Regierungsrat Klöti. Zudem müsse man Sozialhilfebeiträge zurückzahlen, wenn man später finanziell besser dastehe.Klöti hält die Motion ausserdem für rechtsstaatlich problematisch, weil manche gar nichts dafür können, dass sie noch nie Steuern bezahlt haben, etwa wegen ausländerrechtlicher Einschränkungen oder wenn junge Erwachsene erst gerade das Erwerbsalter erreicht haben. «Eine Sanktion kann aber nur so weit zulässig sein, als der Person ein Fehlverhalten nachzuweisen ist.» Und für Leute, die sich nicht integrieren wollten, sprich sich weigerten, eine Stelle anzunehmen, habe man genügend Sanktionsmöglichkeiten.CVP: «Die Motion ist unschweizerisch»Der Sprecher der CVP, Peter Göldi aus Gommiswald, bezeichnete die Motion nicht nur als «unnötig», sondern gar als «unschweizerisch». Er erinnerte an die Grundwerte der Eidgenossenschaft und zitierte aus der Präambel der Bundesverfassung: «Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.»Die Abstimmung fiel dann deutlich aus: Der Rat lehnte es mit 69 Nein zu 21 Ja und zwei Enthaltungen ab, auf die Motion einzutreten.

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