Yves SolenthalerTrotz der 0:5-Finalniederlage gegen den Iraner Mohahhadhabi Abdullah Saravi kehrt Ramon Betschart als Sieger von der Junioren-WM in Trnava (Slowakei)in die Schweiz zurück.Und die Kriessner bereiten ihrem Vizeweltmeister einen würdigen Empfang: Nicht wenige empfangen Betschart heute Donnerstag bereits auf dem Flughafen Zürich (geplante Ankunft 16.10 Uhr) – und wenn um 19 Uhr die Ringerstaffel im Restaurant Schäfli einen Empfangs-Apéro organisiert, wird mindestens ganz Kriessern auf den Beinen sein.Die grössten Erfolge stammen von Hugo DietscheDie Liste der Schweizer Erfolge auf internationaler Ebene ist überschaubar, selbst wenn man Jahrzehnte zurückgeht: 1983, also vor 35 Jahren, war der damals für Rapperswil ringende Martin Müller der erste und bisher einzige Schweizer Medaillengewinner an Juniorenweltmeisterschaften – auch er hat Silber gewonnen. Das überragende Ereignis im Schweizer Ringsport bleibt die Olympia-Bronzemedaille von Hugo Dietsche an den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles. Hugo Dietsche, der als Trainer der RS Kriessern und damit auch von Ramon Betschart, einen grossen Anteil am aktuellen Erfolg hat, ist in der eingangs erwähnten Liste der Schweizer mit den meisten Nennungen: Er wurde auch mal Zweiter an Europameisterschaften sowie als 16- oder 17-Jähriger Jugend-Weltmeister, genau so wie Beat Motzer vom RC Oberriet-Grabs. Der letzte international erfolgreiche Schweizer Ringer war Reto Bucher von der RS Freiamt. Er gewann an den Olympischen Spielen 2004 in Athen als Vierter ein Diplom und wurde 2007 in Sofia EM-Zweiter.Vor einigen Jahren hat Swiss Wrestling die Verbandsstrukturen professionalisiert: Gegen Widerstände wurden vollamtliche Trainer angestellt, die zu den besten ihren Fachs gehören. Seither wähnten sich die Schweizer auf Junioren- und U23-Stufe einige Male nahe am Medaillengewinn.Es dauerte und dauerte aber bis zum ersten Exploit, der nun Ramon Betschart gelang. An der EM im Frühling scheiterte auch Betschart noch am grossen Ziel: Er wurde Fünfter, wusste aber: Wenn er sein Leistungsvermögen abgerufen hätte, wäre die Bronzemedaille in Griffnähe gelegen.Die Enttäuschung hat der 20-jährige Kriessner verarbeitet – mehr noch: Er lernte daraus und wuchs an der WM, an der niemand eine Medaille von ihm erwartet hatte, über sich hinaus. Im Sommer hat Ramon Betschart die Lehre als Polymechaniker bei der Jansen AG in Oberriet abgeschlossen. Um als internationaler Ringer mit den Profis aus Osteuropa, Nahost oder Ostasien mithalten zu können, müsste er sein Pensum auf ca. 30 Stellenprozent senken können.Und damit einen erklecklichen Verdienstausfall hinnehmen. Das Beispiel zeigt: Trotz Professionalisierung des Verbands und auch der Nachwuchsförderung in den Vereinen hängt in der Schweiz immer noch viel an der Eigenverantwortung des Athleten.Während in einigen Ländern das Ringen eine Möglichkeit zum sozialen Aufstieg ist, wird es in der Schweiz weiterhin als Sport von Idealisten betrieben.Ringen wird in der Schweiz nie eine Top-Sportart seinDennoch: Ramon Betscharts Silbermedaille zeigt, dass der Verband – und auf Vereinsebene die RS Kriessern – auf dem richtigen Weg ist. Den Stellenwert, um zu den wenigen Top-Sportarten zu gehören, in denen sich Geld verdienen lässt, wird das Ringen in der Schweiz nie erlangen. Aber Ramon Betschart hat vielen anderen jungen und talentierten Ringern klar gemacht: Es ist auch als Schweizer möglich, international erfolgreich zu sein.Das könnte dem Ringen in der Schweiz einen Schub verleihen.