Für seine Tat müsse er im wahrsten Sinne des Worts «teuer bezahlen», meinte der Verteidiger des heute 33-jährigen Täters, eines in Altstätten aufgewachsenen und im Mittelrheintal lebenden Maurers.Kassierin glaubte erst an schlechten ScherzAn einem Montagabend, zehn Minuten vor Ladenschluss, hatte der Mann im Januar 2019 von einer Kassiererin die Öffnung der Kassenschublade verlangt. Die Angestellte glaubte erst an einen schlechten Scherz. Nach wiederholter Aufforderung, die Kasse zu öffnen, zog der Räuber aus seinem rechten Jackenärmel ein Bajonett. Mit diesem bedrohte er die junge Frau, indem er ihr die Klinge vors Gesicht hielt. In welchem Abstand und wie genau, ist umstritten, auch, ob er die Frau am Kragen packte oder nicht. Die Frau stand unter Schock, der stellvertretende Filiallleiter, der zufällig ganz nahe stand, sagte zur bedrohten Angestellten, sie solle der Aufforderung durch den Räuber Folge leisten. Dieser begnügte sich beim Griff in die Kasse mit der oberen Reihe der Nötli. Die sollten genügen, als "Startkapital", erklärte er am Donnerstag vor dem Kreisgericht Rheintal. Die insgesamt gut 1800 Franken steckte er in den Hosensack. Nach vollbrachter Tat entschuldigte er sich und floh in Richtung Süden.«Ich hatte nur noch ein Zehnernötli im Sack»Wie kommt ein nie straffällig gewordener Mann von 30 Jahren, mit einem Nettolohn über 5000 Franken, dazu, mit einem Bajonett einen Raubüberfall zu begehen? Bis dreieinhalb Monate vor der Tat hatte er immer gearbeitet und 5000 Franken gespart. Vor dem Kreisgericht Rheintal sagte der Mann, er habe einem Kollegen Geld geliehen, es aber nie zurückerhalten. Finanziell sei es ihm zunehmend schlechter gegangen, bis er nur noch zehn Franken im Sack gehabt habe. Der Tragweite eines Raubüberfalls sei er sich zwar bewusst gewesen, aber «irgendwia isch’s mer au egal gsi», sagte er dem Richtergremium. Seiner Mutter, die er um Hilfe hätte bitten können, habe er nicht zur Last fallen wollen.Erst ein halbes Jahr nach dem Raub verhaftete ihn die Polizei. Sofort gab er die Tat zu, nur einen Tag war er in Untersuchungshaft. Bei der Gerichtsverhandlung lautete sein Schlusswort so: «Es tuet mer leid, dass mer alli dohocked wege mer.». Er werde «so etwas» ganz sicher nie mehr machen.Kassiererin litt lange unter AngstzuständenDer Kassiererin geht es wieder besser. Lange litt sie unter wiederkehrenden Angstzuständen, sogenannten Flashbacks. Sie konnte nicht mehr zur Arbeit, war in Therapie, sogar die Suva – von ihrem Anwalt als «nicht gerade patientenfreundlich» bezeichnet – hielt die psychotherapeutische Behandlung für angebracht.[caption_left: An die Kasse wird das Opfer nicht mehr zurückkehren.]Das mittelfristige Berufsziel der Frau hat der Räuber zerstört. Sie hätte sich zur Filialleiterin oder zur deren Stellvertreterin hocharbeiten wollen, um ihre 60-Prozent-Stelle in einen Vollzeitjob umwandeln zu können. Doch alle Versuche, an die Kasse zurückzukehren, scheiterten. Schliesslich hatte sie das Glück, in einem Büro Aufnahme zu finden, wo sie nun eine andere Richtung verfolgt.Der Täter zeigte früh Reue und EinsichtEinsicht und Reue bewies der Räuber schon früh, indem er seine Bereitschaft bekundete, der Frau eine Genugtuung und einen Schadenersatz zu bezahlen, zweimal 5000 und insgesamt somit 10000 Franken. Unmittelbar vor der Gerichtsverhandlung wurde eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Die Schuld will der Räuber in monatlichen Raten von 1000 Franken abstottern.In jüngster Zeit hat der 33-Jährige alle Rechnungen, für die er betrieben worden war, begleichen können. Derzeit ist er dabei. Alimentenrückstände von 5000 Franken zu bezahlen. Er hat einen Sohn im Oberstufenalter, der den Kontakt zu ihm nicht wieder aufnehmen will.15 Monate, «nur» bedingt, aber hohe KostenVor Gericht war die Gefährlichkeit der Waffe und der Tat ein zentrales Thema. Das Gericht ging angesichts uneinheitlicher Aussagen von Beteiligten und Zeugen davon aus, dass der Täter die Klinge des Bajonetts nicht direkt an den Hals gehalten, sondern dass ein Abstand von 30 bis 40 cm bestanden hat. Das Bajonett, das der Mann einmal auf einem Flohmarkt gekauft hatte, sei im juristischen Sinn nicht den gefährlichen Waffen zuzurechnen. Ebenso verneinte das Gericht eine besondere Gefährlichkeit des Täters. Er habe den Raub nicht professionell vorbereitet, sei nicht besonders skrupellos vorgegangen, habe allein gehandelt und - auch wegen des Förderbands - einen gewissen Abstand zu seinem Opfer gehabt.Mit der Gefängnisstrafe von 15 Monaten waren Staatsanwalt und Verteidiger von vornherein einverstanden. Auch gehen alle davon aus, dass die Tat eine einmalige Entgleisung war. Aus diesem Grund wurde die Strafe auf Bewährung ausgesprochen, bei einer Probezeit von zwei Jahren (statt drei, wie vom Staatsanwalt beantragt).Auf die vom Staatsanwalt beantragte Busse von 1500 Franken verzichtete das Gericht. Ein solcher Denkzettel sei angesichts der ohnehin hohen Kosten, die der Verurteilte zu übernehmen hat, nicht auch noch nötig.