29.07.2018

Rätselhafte Ornamente an grauen Wänden

An verschiedenen Orten im Rheintal ist in letzter Zeit ein rätselhaftes Ornament aufgetaucht. Die Urheberschaft, die ausnahmslos graue Flächen bemalt, ist nicht bekannt.

Zu sehen ist das Ornament in Eichberg auf einem Verteiler des Elektrizitätswerks sowie an Bachbetonsperren. In Lüchingen ziert es den Turm der katholischen Kirche.Simon Seymer, der Präsident der katholischen Kirchenverwaltung von Lüchingen, hat erst durch die Redaktion von der Bemalung des Kirchturms erfahren. Beim Gottesdienstbesuch vor einer Woche sei das Ornament noch nicht da gewesen.Auch in der Unterführung beim Altstätter Bahnhof war das Ornament auf zwei Wände gemalt. Hier ist es allerdings nur noch schwach zu sehen. Der nicht vollauf gelungene Versuch, die Ornamente zu entfernen, ist unverkennbar.Die Blume des LebensBei der Verzierung handelt es sich um die sogenannte Blume des Lebens. Sie besteht aus mehreren sich mehrfach regelmässig überlappenden Kreisen. Die harmonische Geometrie der 19 ineinander verschlungenen Kreise erinnert an eine Blume. Ähnliche Verzierungen sind unter anderem in Kirchen, Tempeln und Grabanlagen zu finden, wie bei Wikipedia nachzulesen ist.In der Esoterik wird die Blume des Lebens als Schutzamulett, zur «Belebung» von Wasser, zur «Entstörung» von Innenräumen und zum Schutz vor «Elektrosmog» propagiert.Bisher ging keine Anzeige einBei der Polizei sei bisher keine Anzeige wegen Sachbeschädigung eingegangen, sagt Gian Andrea Rezzoli, Mediensprecher der Kantonspolizei St. Gallen. Er geht davon aus, dass die Ornamente mit Hilfe einer Schablone aufgespritzt wurden.Solche Schablonen werden in Onlineshops angeboten. Mit der Erklärung, die einzelnen Blüten seien «in sich feinst abgerundet, so dass die Energie noch weicher schwingen kann», wird ein entsprechendes Produkt beim E-Commerce-Onlineportal Dawanda feilgeboten.Die für die Wandbemalungen verwendete Schablone ist immer die gleiche. Die Farbe wechselt hingegen. So ist die Blume des Lebens grün auf den Lüchinger Kirchturm, rot auf den Eichberger EW-Verteiler und blau auf die Wände der Altstätter SBB-Unterführung aufgetragen worden. Gerade auf grauen Betonwänden wie beim Bahnhof mögen Passanten die ungebeten aufgemalten Ornamente eher bereichernd als störend finden; unrechtmässige Sachbeschädigung sind sie freilich trotzdem.Die bisher ausgewählten Orte lassen allerdings auf eine feinsinnige Täterschaft schliessen. Ob sie mit der Malerei im öffentlichen Raum womöglich Harmonie sucht mit der Umwelt und sich selbst?«Besser als Schmierereien»Unter rein ästhetischem Gesichtspunkt empfindet Kirchenpräsident Simon Seymer die Bemalung nicht als schlimm; das Ornament sei jedenfalls besser als irgendwelche Schmierereien. Zur Frage, ob es auf dem Kirchtum bleibe oder man es entfernen lasse, meint er, dass er sich zuerst umfassend über die Bedeutung des Ornaments informieren und die Angelegenheit innerhalb des Rats besprechen wolle.Sollte die Bedeutung des Ornaments dem christlichen Verständnis nicht widersprechen, ginge mit einer allfälligen Duldung der Bemalung dennoch eine gewisse Gefahr einher, gibt Seymer zu verstehen.So könnte ein Verzicht auf die Entfernung des Ornaments als Einladung für weitere «Verzierungen» missverstanden werden, was natürlich nicht im Sinn der Kirche wäre. (mia/gb)

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