27.02.2020

Rachmaninov trifft Edith Piaf

Der Liederabend «Von Moskau nach Paris» mit Deborah Leonetti und Matthias Roth war eindrucksvoll.

Von Gerhard Huber
aktualisiert am 03.11.2022
Gerhard Huber Die Rheintalische Gesellschaft für Musik und Literatur schafft es immer wieder, mit hochstehenden und originellen Darbietungen ihre treuen Besucher zu überraschen. So auch mit dem Liederabend unter dem Motto «Von Moskau nach Paris» am Aschermittwoch in der evangelischen Kirche. Was die Zürcher Sopranistin und Opernsängerin Deborah Leonetti und Klaviervirtuose Matthias Roth zu Gehör brachten, war grosse Kunst. Auf den Punkt brachte es eine Zeile des von Leonetti vorgetragenen Lieds «Ich bin im Traum versunken» des Polen Karol Szymanowski. Dort heisst es: «Engelsgesangslieder, schöner als alle Lieder dieser Welt, in dieser Stimme höre ich die ganze Seele.»Das Programm des Abends war eine Reise von Moskau nach Paris; von Ost nach West über die Stationen Prag, Wien und Berlin. Eine Reise von der unergründlichen Tiefe und Traurigkeit der russischen Seele zur französischen Leichtigkeit des «Savoir vivre». Es war ein musikalischer Roadtrip von Sergej Rachmaninov bis zur unvergessenen Edith Piaf.Die von italienischen Eltern stammende, in Bülach geborene und in Zürich lebende Deborah Leonetti legte lupenreine Koloraturen hin. Die 40-jährige Mutter verführte das Publikum mit schlankem, geschmeidigem Sopran. Dazu kam eine schauspielerische Leistung von hoher Intensität. Leonetti sang nicht nur ruhig am Klavier stehend, sondern brachte auch den Inhalt der Lieder szenisch auf die Bühne. Sie stürmte mehrfach mit dem Reisekoffer, der neben einem Kleiderständer, Postkarten und Büchern als Requisiten diente, wuterregt oder fröhlich durch den Kirchenraum. Das Thema des Abends war ja das Reisen; Aufbruch, Abschied und Ankunft. So glänzte die Sopranistin in jenen Situationen, in denen sie die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen durchlaufen durfte. Emotionen beherrschten auch die vorgetragenen Lieder.Seltsam zwiespältig, musikalisch tiefgründig und von der typischen Traurigkeit der slawischen Seele zeugten die Stücke von Rachmaninov, Szymanoski und Dvořák – mit romantischen Texten, in Originalsprache gesungen. Da «flüstert das Morgengrauen zum Tag» und «ein Sonnstrahl sandte der erhellenden Natur mit einem Lächeln einen brennenden Kuss». Über Hugo Wolf und Friedrich Hol-laender wurden die Stücke etwas leichter, operettenhafter. Bis die Reise nach der Pause ins sündige Berlin der 20er-Jahre und zum kecken Zarah-Leander-Song «Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben?» führte.Letztlich landeten Künstler und Publikum in Paris. Mit erstaunlicher Leichtigkeit, Kraft und Glaubhaftigkeit sang Deborah Leonetti abschliessend die beiden Lieder, die die Chansonette Edith Piaf unsterblich gemacht haben. «Sous le Ciel de Paris» und «Non, je ne regrette rien» waren zugleich Ende und Höhepunkte eines hervorragenden Konzertvortrags.

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