09.01.2022

Quarantäne verschärft den Mangel an Lehrerinnen und Lehrern

In gewissen Fächern ist der Markt an Lehrerinnen und Lehrern ausgetrocknet. Das war schon vor der Pandemie so.

Von Monika von der Linden
aktualisiert am 02.11.2022
Ganz am Anfang der Pandemie waren die Schulen geschlossen. Nachdem die Kinder und Jugendlichen zwei Monate lang ausschliesslich digital unterrichtet worden waren, kehrten sie Mitte Mai 2020 in den Präsenzunterricht zurück – zunächst in Halbklassen. Fortan blieben die Schulen von der Kindergarten- bis zur Oberstufe offen.Seit die Fallzahlen der positiv auf Corona Getesteten steigen, befinden sich entsprechend mehr Menschen in Isolation oder Quarantäne. Davon sind etliche Schülerinnen und Schüler betroffen. Falls sie nicht erkrankt sind, nehmen sie von zu Hause aus digital am Klassenunterricht teil. Muss sich eine Lehrerin oder ein Lehrer an die inzwischen noch sieben Tage dauernde Quarantäne halten, haben die Schulgemeinden die Stellvertretung zu organisieren.Altstätten hat  Einzelfälle zu bewältigenIn der vorigen Woche fehlten in der Schule Altstätten zwei Mitarbeitende. Eine Fachlehrperson durfte nicht im Klassenzimmer unterrichten. Ein Familienmitglied war positiv getestet. Der Lehrer oder die Lehrerin war gesund und unterrichtete von daheim auf digitalem Weg. «Die Schülerinnen und Schüler sind in dieser Zeit trotzdem beaufsichtigt», sagt Schulratspräsident Remo Maurer. Dies übernähmen andere Lehrpersonen im Haus. Weiter fiel der Test einer Klassenassistenz positiv aus. Eine Stellvertretung übernahm ihr kleines Pensum.Ende letzter Woche gab es in Altstätten von der Kindergarten- bis zur Oberstufe keine weiteren Fälle. Remo Maurer bezeichnet die Lage als tragbar. «Wir sind gut ins neue Jahr gestartet», sagt er. Im Herbst gab es einige Lücken mehr zu füllen. Das gelang laut Maurer ohne grössere Probleme. «Ein spezielles Programm haben wir wegen der Pandemie nicht erarbeitet», sagt er. Die Schulleitungen greifen auf Stellvertreterlisten zurück, die auch bei anderen Ausfällen zum Tragen kommen. Häufig finden sich interne Lösungen. Zum Beispiel übernimmt eine Teilzeitkraft ein paar Stunden von einer Kollegin oder einem Kollegen. «Sie kennt den Ablauf in der Schule und zum Teil auch die Kinder.»Löhne müssen doppelt bezahlt werdenDie Schule Diepoldsau kann auf einen Pool von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zurückgreifen, die bei Ausfällen einspringen. Bisher musste sie noch keine Lektion streichen. Ähnlich wie in Altstätten greift man auf der Rheininsel auf digitale Mittel zurück. «Wir haben immer eine Möglichkeit gefunden, um zu improvisieren», sagt Schulratspräsident Patrick Spirig. Er habe nicht das Gefühl, als ob die Kinder etwas verpassten. Dennoch falle es nicht leicht, kurzfristig eine Stellvertretung für die Zeit der Quarantäne oder Isolation zu finden, sagt Patrick Spirig. «Der Markt mit einigermassen qualifizierten Stellvertretungen ist so gut wie ausgetrocknet.» Es fehle nicht viel, bis die Lage kippe. «Als Arbeitgeber stört es uns, Löhne doppelt zahlen zu müssen, wo es eine Impfung vermeiden könnte», sagt er. Den Ausfall an Lehrpersonen setzt der Schulratspräsident in Beziehung zu den von Intensivstationen bekannten Zahlen. «Betroffene sind grossmehrheitlich ungeimpft.» Es seien etwa 90 Prozent.Es fehlen fachspezifische LehrpersonenBevor Nathalie Meier, Schulleiterin der Oberstufe Rheineck, über die von der Pandemie hervorgerufenen Ausfälle an ihrer Schule spricht, thematisiert sie den längst existierenden Mangel an Lehrerinnen und Lehrern. Die Schulleiterin ist ausserdem Präsidentin von Sek 1 St. Gallen, dem kantonalen Verband der Oberstufenlehrpersonen. Als solche sagt sie: «Grundsätzlich hat der jetzige Mangel nichts mit Corona zu tun.» Im Kanton St. Gallen fehlen fachspezifische Lehrpersonen für die Fächer Hauswirtschaft und Handarbeit sowie für Latein und Französisch. «Corona macht die Lage noch viel schlimmer», sagt Nathalie Meier. «Da es sowieso schon mangelt, ist es fast unmöglich, Vertretungen zu finden.»Dem Rheintal fällt es als ländliche Region noch schwerer als dem Kantonsdurchschnitt, von einem Tag auf den anderen eine Stellvertreterlösung zu finden. In anderen Jahren ist es auf das zweite Semester hin eher günstig, jemanden temporär einzustellen. Im Januar schliessen viele Studierende ihre Ausbildung ab und beginnen meist erst im Sommer mit einer festen Stelle. Nathalie Meier hofft, dass nicht gehäuft Lehrerinnen und Lehrer von einer Quarantäne betroffen sein werden. «Der Teller ist randvoll. Es braucht nicht viel, bis er überschwappt.»Die Ursache des akuten Problems geht laut Nathalie Meier auf die Schliessung der Lehrerseminare zurück. Seit alle Lehrpersonen an der Pädagogischen Hochschule ausgebildet werden, wird ihre Matura vorausgesetzt. In den vier Jahren an der Kanti kommen die meisten Schülerinnen und Schüler nur wenig mit den genannten Fächern in Berührung. «Da die Grundbildung an der Kanti fehlt, ist die Überwindung gross, an der PH die Fächer Handarbeit, Latein und Französisch zu belegen.» Meistens wählten die Studierenden Sport und Musik.In Rheineck ist die aktuelle Lage beherrschbarAls Schulleiterin trägt Nathalie Meier selbst dazu bei, perso­-nelle Engpässe in der Oberstu­-fe Rheineck zu beheben. Sie springt ein, falls es Not am Mann oder an der Frau ist. Kürzlich gelang es ihr, eine Covid-bedingte Absenz innert einer Stunde intern abzudecken.Härter traf es die Schule im August und September. Seinerzeit überschnitten sich sechs Ausfälle zeitlich. Es gelang der Schulleiterin, fast alle Lektionen mithilfe externer Aushilfen zu erteilen. Im Fach Hauswirtschaft fand sie niemanden.«Im Moment stufe ich die Lage in Rheineck als beherrschbar ein», sagt Nathalie Meier. «Im Kanton ist sie besorgniserregend.»

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