29.03.2022

Quantensprung für 65'000 Euro

Auf dem Kantonsschuldach steht Hightech, wie sie noch nicht vielen Sternwarten vergönnt ist.

Von Gert Bruderer
aktualisiert am 02.11.2022
Wie von Geisterhand gelenkt, kaum hörbar, sucht das 70 Kilo schwere Teleskop den hellsten Stern im Sternbild Schwan. Benedikt Götz hatte bloss Deneb eingeben müssen, den Namen des Sterns, und schon findet das neue technische Wunderwerk der Sternwarte Heerbrugg unter Tausenden von anwählbaren Himmelskörpern das gewünschte Funkeln.Vorbei die Zeit des mühseligen KurbelnsDer in Lüchingen lebende Mathematik- und Physiklehrer Benedikt Götz, Präsident des Sternwartenfördervereins seit zwei Jahrzehnten, spricht von einem Quantensprung. Vorbei die Zeit des Kurbelns, des mühsamen Bewegens einer halben Tonne wackligen Stahls auf der Suche nach dem nächsten Stern, einem planetarischen Nebel oder einer fernen Galaxie. Auf dem Dach der Kantonsschule hat Präzision Einzug gehalten, elektronischer Komfort, Hightech mit der Möglichkeit, den Himmel mit all seinen Objekten als farbige Augenweide fotografisch festzuhalten.Automatisch wird das Beste herausgefiltert65'000 Euro wurden aufgewendet – eine stolze Summe, die Sponsoren zu verdanken ist. Das aus München gelieferte (amerikanische) Hauptteleskop mit der unspektakulären Bezeichnung CDK20 und dem spektakulären Spiegeldurchmesser von einem halben Meter ist mit zwei schlanken Begleitfernrohren versehen. Diese digitalen Tools sind zwei Programme, die innerhalb des Softwarepakets besondere Aufgaben übernehmen. Mit dem einen dieser Tools lassen sich hochwertige Fotos herstellen, das andere Tool dient dem Videostreaming. Die in diesem «Video-Planetenfernrohr» enthaltene Software filtert automatisch beispielsweise die besten fünf Prozent aller Aufnahmen heraus und nutzt diese zur Herstellung des bestmöglichen Bildes. «Noch nicht sehr viele Sternwarten», sagt Benedikt Götz, seien technisch derart komfortabel ausgestattet.Die Sterne nach Hause mitnehmenDie Besucherinnen und Besucher der Sternwarte bekommen alles, was sie am Himmel erspähen, auf einen grossen Bildschirm projiziert. Das Beobachtete lässt sich so nochmals studieren. «Schönheit und Strukturreichtum der Objekte kommen auf dem Bildschirm gut zur Geltung», sagt Benedikt Götz, der anhand der Farben und Strukturen das Gesehene auf sehr anschauliche Weise erklärt. Wer möchte, kann die Sterne mit nach Hause nehmen; Benedikt Götz übermittelt den Interessierten die Daten sehr gern bzw. lädt sie ihnen auf den mitgebrachten Datenträger. Ganze Nächte hat er auf dem Kantidach verbracht, getestet, fein justiert, geübt, sich mit der Steuerung vertraut gemacht und sich die vielen Kniffs der neuen Elektronik einverleibt.Die Anschaffung wird gefeiertNun soll gefeiert werden. Das Anschaffungsprojekt ist nach fünf-, wenn nicht sechsjähriger Arbeit verwirklicht – und die Heerbrugger Sternwarte bereit, ihr neues Wunderrohr im Dienst der Schülerschaft und der Bevölkerung einzusetzen. Am Freitag, 8. April, ab 19.30 Uhr, bekommt die Öffentlichkeit das Teleskop vorgestellt, nachdem der Einweihungsakt wegen Corona wiederholt verschoben worden war. Dem Förderverein ist es ein Anliegen, die Sternwarte bekannter zu machen. Dieses Ziel verbindet der Verein mit seiner Absicht, ab diesem Jahr wieder viele Anlässe durchzuführen und Interessierten die Gelegenheit zu geben, sowohl die neue Technik als auch die älteren, nach wie vor verfügbaren Geräte zu nutzen. Diese älteren Geräte sind ein ebenfalls elektronisch gesteuertes, grösseres Teleskop, ein Refraktor (ein Linsenteleskop, das im Vergleich zu einem Spiegelteleskop kontrastreichere Bilder liefert) sowie ein Sonnenteleskop, das auch im Physikpraktikum wertvolle Dienste leistet.

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