12.07.2019

Protestieren, demonstrieren, sich verweigern

Von Ingrid Grave
aktualisiert am 03.11.2022
Immer wieder lesen und hören wir davon. Aus Hongkong, aus Zürich, aus Bern. Die Medien führen uns entsprechende Bilder vor Augen.In Hongkong gingen Tausende auf die Strasse. Alte und sehr viele Junge. Für nichts? Hier bei uns sind es Schüler und Schülerinnen, die endlich Taten sehen wollen in Bezug auf den lebensbedrohenden Klimawandel. Auf den 14. Juni hin rührten Frauen die Werbetrommel zur Teilnahme am Frauenstreik. Und das schwappte sogar auf die Kirchenfrauen über: Gleichberechtigung. Punkt. Amen. Das war ihr Slogan.Nun, was sollen wir sagen zu dieser «Rebellion» in der Kirche? Leider? Gott sei Dank?Ich finde, mit ihrem Protest legen die Kirchenfrauen geradezu ein biblisches Verhalten an den Tag. Widerstand! Rechte einfordern! Dafür gibt es Vorbilder in der Bibel. Jesus selbst hat zum Beispiel unaufgefordert im Tempelbereich «aufgeräumt», Tische und Bänke der Geldwechsler umgestossen mit der Behauptung, das alles gehöre nicht in ein Gotteshaus.Eine andere krasse Sache ist die Geschichte mit der Witwe, die hartnäckig ihr Recht verlangt (Lk 18). Wieder und wieder kreuzt sie auf mit ihrer Forderung nach Recht vor dem Richter ihrer Stadt, der sich keinen Deut um sie kümmert. Sie entpuppt sich als Powerfrau, und nicht gerade als eine mit den feinsten Manieren. Eine Witwe zur Zeit Jesu war nahezu rechtlos. Und doch scheint es irgendein Recht zu geben, wovon sie sich Kenntnis verschafft hatte. Auf dieses Recht pocht sie, um nicht von ihren Feinden – so sagt sie – ausgebeutet zu werden. Offenbar hat sie keinen Sohn, der vor dem Gesetz seine Mutter vertreten kann und auch müsste. Die Frau kämpft für sich, nur für sich. Mit Erfolg! Die überlieferte Aussage des Richters bestätigt es. Gleichzeitig charakterisiert er mit seiner Aussage sich selbst, aber auch die couragierte Witwe: «Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auf keinen Menschen Rücksicht; trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen… Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht.» Hatte Jesus solche Frauen vor Augen, als er diese Geschichte erzählte? Für mich endet das Ganze mit der Frage: Waren unsere Kirchenfrauen immer noch zu zahm, wenn sie ihren Kirchenvorgesetzten gegenüberstanden?Die biblische Witwe steht einem ihr vorgesetzten Mann gegenüber. Wir Frauen in der Kirche aber sehen uns einem vorgesetzten System gegenüber, in das wir uns mehr und mehr einzubringen haben. Ingrid GraveDominikanerin in Zürich

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